Botttrop. . Mitarbeiter aus allen Bereichen des Awo-Seniorenzentrums „Schattige Buche“ in Bottrop wurden in Palliative Care fortgebildet. Erfahrungsberichte.
Beatrix Braun (54) ist eine erfahrene Pflegefachkraft, arbeitet insgesamt seit 35 Jahren in diesem Beruf. Dazu gehört, dass Menschen in einem Seniorenheim an unheilbaren Erkrankungen leiden, dort irgendwann ihren Lebensweg zu Ende gehen. Doch die Herangehensweise im Seniorenzentrum „Schattige Buche“, wo seit zwei Jahren Mitarbeiter aller Bereiche in Palliative Care geschult werden, hat ihren Blickwinkel für die Versorgung dieser Bewohner noch einmal erweitert. „Man achtet nun auch auf ganz andere Dinge“, sagt Beatrix Braun.
Quälende Symptome lindern
Im englischen Begriff Palliative Care steckt das lateinische Wort palliare, das ummanteln bedeutet. Gemeint ist eine umsorgende und quälende Symptome lindernde Pflege, mit der die Lebensqualität unheilbar kranker Bewohner verbessert und ihr Wohlbefinden erhalten werden soll.
Bislang wurden rund 50 Mitarbeiter geschult
Von den insgesamt 75 Mitarbeitern im Seniorenzentrum „Schattige Buche“ wurden seit Juni 2016 bislang rund 50 in Palliative Care geschult. Sie stammen aus der Pflege, der Sozialen Betreuung, der Verwaltung, der Hauswirtschaft und der Haustechnik. Die Schulung umfasst zwei Module und wird von einer darauf spezialisierten Beraterfirma aus Mülheim, namentlich von Stephan Kostrzewa, durchgeführt.
Beatrix Braun hat sich aufgrund der positiven Erfahrungen dazu entschlossen, eine umfassende Palliativ-Ausbildung zu machen. „Ich bin auch Praxisanleiterin und bilde Schüler aus“, erzählt sie.
Wohnbereichsleiter Benjamin Wawroschek (30) nennt ein Beispiel: „Als ich frisch ausgelernt hatte, da ging es ums kurative und präventive Arbeiten, da stand im Vordergrund, körperliche Schäden abzuwenden.“ Beim palliativen Ansatz sei es zum Lebensende hin vielleicht nicht mehr wichtig, eine Person bei einem Dekubitus alle zwei Stunden zu wenden, wenn sie lieber in Ruhe gelassen werden möchte. „Es gilt, das zu akzeptieren. Es zählt, was der Bewohner möchte.“
Genau hinterfragen
Die Schulung habe auch angestoßen, Dinge neu zu betrachten und genauer zu hinterfragen, berichtet Beatrix Braun. Wenn ein Demenzkranker nachts unruhig herumlaufe, könne das auch ein Ausdruck von Schmerzen sein. Ihr Kollege erzählt von einer Dame, die nicht mehr sprechen konnte. Bei der Mundpflege presste sie abwehrend die Lippen zusammen. Bis jemand sich daran erinnerte, dass sie früher gerne Hugo trank. „Wir haben ihr ein Schwämmchen mit Hugo gereicht, das hat sie leer gesaugt. Es ist schön, wenn man so noch Gutes für die Menschen tun kann.“
Currywurst und Schnaps
Auch beim Essen und Trinken werde nun anders auf die Bedürfnisse der betroffenen Bewohner geschaut, ergänzt Beatrix Braun, „und wenn es Pommes-Currywurst oder ein Schnaps ist“. Da wird dann die – ebenfalls geschulte - Hauswirtschaft mit ins Boot geholt. Oder der soziale Dienst arbeitet etwa mit Düften, die die Sinne ansprechen.
Einfacher ist auch die Zusammenarbeit mit den Angehörigen geworden, berichten die beiden. Für das Haus wurden extra Flyer erstellt, die über verschiedene Aspekte von Palliative Care sowie über typische Symptome in der Lebensendphase (erschwerte Atmung, Verweigern von Essen und Trinken) informieren. „Diese Flyer können wir den Angehörigen nun an die Hand geben“, sagt Beatrix Braun.
Zusammenarbeit im Netzwerk
Zudem kommen nun Mitarbeiter der ambulanten Hospizgruppe regelmäßig ins Haus, und die Zusammenarbeit mit dem Palliativmedizinischen Konsiliardienst (PKD) sei enger geworden. Die speziell ausgebildeten Ärzte des Dienstes sind für die Pflegenden neben den Hausärzten wichtige Ansprechpartner, wenn es etwa um die Gabe von Morphin gegen sehr starke Schmerzen oder Luftnot geht. „Dadurch können unnötige Krankenhausaufenthalte für die Bewohner vermieden werden“, sagt Benjamin Wawroschek. Den PKD über 24 Stunden am Tag im Hintergrund zu wissen, der bei Bedarf auch als Ansprechpartner für Angehörige bereit stehe, gebe Sicherheit und nehme Druck von den Pflegenden.
Als positiv empfinden beide auch die Reflexionsgespräche zu den Fällen im Team.
Pflegedienstleiterin Monja Harrathi ist auch zufrieden mit den bisherigen Erfahrungen: „Das Verständnis ist bei allen deutlich besser. Die Mitarbeiter können jetzt auch Akutsituationen besser aushalten. Ich glaube, dass wir durch dieses Konzept Krankenhausaufenthalte vermeiden können – nicht immer, aber oft.“