Essen / Bottrop. . Gemeinsam mit der RAG-Montan Immobilien planen die beiden Städte neue Nutzung für riesige Gewerbeflächen. Ein Rundgang über das riesige Areal.
Spätestens auf den Kohlelagerflächen passt die Beschreibung Mondlandschaft. Staubig schwarz türmt sich hier auf der Essener Seite des Kanals noch die Bottroper Kohle, teils wird Koks-Kohle von Prosper aufgeschüttet, die später in der Kokerei genutzt wird, auf der anderen Seite wird die Kraftwerkskohle aufgehäuft.
Ein Teil der Fläche Hafen Coelln Neuessen ist auch schon freigeräumt, nur noch schwarz-grauer Staub und Entwässerungsgräben erinnern an die ehemalige nationale Kohlenreserve. Hunderttausende Tonnen Kohle lagerten hier zu besten Zeiten.
Noch ist Fantasie gefragt
Doch die sind lange vorbei. Stattdessen geht es nun darum, wie diese gigantischen Gewerbeflächen in Essen und Bottrop künftig genutzt werden sollen. Beide Städte haben gemeinsam mit der RAG Tochter Montan-Immobilien (RMI) mit den Planungen begonnen.
Freiheit Emscher heißt das Projekt und das Ziel ist es, auf den Flächen Gewerbe anzusiedeln, Industrie 4.0. Doch noch braucht es dafür Fantasie – vor allem bei den rund 60 interessierten Bürgern, die am Sonntag gemeinsam mit den Projektverantwortlichen die Flächen erkunden durften. Auf 150 Hektar kann sich künftig die Industrie ausbreiten, das entspricht einer Fläche von rund 210 000 Fußballfeldern.
Doch noch ist davon nichts zu sehen. Zum Teil werden die Flächen eben – wie auf Prosper II – noch intensiv vom Bergbau genutzt. An anderer Stelle, wie auf Emil Emscher in Essen, sind noch Altlasten zu beseitigen. Und über allem schwebt die große Frage, wie künftig die Menschen zu ihren Arbeitsplätzen auf dieser Fläche kommen oder wie die Gegend entwässert werden soll.
Deshalb denken die Planer groß, entwerfen in einem Gesamtraum von 1700 Hektar Straßen und eine Umwelttrasse, über die künftig auch Radfahrer rollen sollen und die in Zukunft die beiden Städte auch noch besser miteinander verbinden. Die Hoffnung, die da mitschwingt: Die hochbelastete Bottroper Straße und die 224 könnten dadurch vielleicht auch entlastet werden. Deshalb spricht Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen auf der Tour auch immer wieder davon, wie wichtig dieses Projekt auch für Essen sei, um die hochbelasteten Wohngebiete im Norden der Stadt, Karnap und Vogelheim etwa, zu entlasten.
Die neuen Pläne liefern gute Argumente für den Autobahnanschluss
Für Bottrop kommt nun wieder der zusätzliche Anschluss an die A 42 in Höhe des Lichtenhorst ins Spiel. Durch die Freiheit Emscher glaubt man nun wieder gute Argumente gegenüber Stadt und Land für diesen Autobahnanschluss zu haben. Außerdem, so Kufen, sei das „eine Riesenchance, industrielle Arbeitsplätze im Ruhrgebiet zu halten.“ In den letzten Jahren seien Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe verloren gegangen.
Doch von Straßen, Trassen oder gar aufbereiteten Gewerbeflächen ist noch nichts zu sehen. Stattdessen laufen die Teilnehmer in ihren gelben Sicherheitsgummistiefeln über groben Schotter. Diese Gleisbetten sind die einzigen Überbleibsel von ehemals zwei Kokereien und einer Zeche – Emil Emscher. 40 Hektar ist dieses erste Teilstück groß, es könnte als erstes zur Verfügung stehen, die Planung für die Sanierung der Flächen läuft, erläutertet der Projektleiter. Zunächst jedoch muss die geschützte Kreuzkröte eingefangen werden, auch andere geschützte Tiere haben auf der Fläche eine Heimat gefunden. Für sie alle wird eine Art Mini-Halde angelegt. Darunter werden die Altlasten sicher verpackt, auf der begrünten Fläche können dann die Tiere siedeln, Menschen haben da keinen Zutritt.
Auch fürs „Wohnen am Wasser“ gibt es Pläne
Die soll es eher in Richtung Wasser ziehen, zum Kanal, vor allem auf der Bottroper Seite geht es um den Freizeitwert. In Ebel und der Welheimer Mark seien zudem Flächen für „Wohnen am Wasser“ angedacht, erläutert Baudezernent Klaus Müller den Teilnehmern. Gewerbe findet auf Bottroper Gebiet auf den Kohlelagern am Sturmshof, in der Welheimer Mark und auf dem Prosper-Gelände an der Knappenstraße Platz. Doch kurzfristig hilft das nicht gegen den Mangel an Gewerbeflächen. Die Vermarktung am Sturmshof beginnt voraussichtlich 2024. Doch Klagen, dass das alles zu lange dauert, kommen diesmal nicht.
Auch nicht von den CDU-Ratsleuten unter den Teilnehmen. Wie alle anderen auch sind sie von der schieren Größe beeindruckt. Nicht umsonst sprechen die Verantwortlichen vom letzten industriellen Dschungel des Ruhrgebiets. Für die meisten Teilnehmer ist es Neuland. Sie sehen die Fläche höchstens flüchtig im Vorbeifahren – auf der Bundesstraße oder der Autobahn. „Die Chance, die wir da als Stadt haben, müssen wir doch annehmen und nutzen. Eine solche Entwicklung in 10 bis 15 Jahren kann doch nur Zustimmung finden“, lobt Bernd Hohaus (CDU).
Eine neue Heimat für innovative Unternehmen
Doch bis insbesondere die Flächen auf Bottroper Gebiet für Gewerbe zur Verfügung stehen, dauert es noch einige Jahre. Einzige Ausnahme sind Teile in der Welheimer Mark, doch dort gibt es Probleme mit der Anbindung. Projektleiter Gernot Pahlen stellt aber auch klar, dass wenn es auf Teilbereichen schon möglich ist, Firmen anzusiedeln, auch das angegangen werde.
Die Teilnehmer der Exkursion sind jedenfalls angetan von den Plänen, die für den Essener Norden und den Bottroper Süden derzeit entwickelt werden. Ralf Gallinat hofft, dass am Ende in dem Gebiet „die Mischung stimmt“. Also die zwischen Gewerbe und anderer Nutzung. Gerade für den Essener Norden sei das wünschenswert.
Klar hätten die Städte Interesse an Gewerbesteuereinnahmen. Wie die verteilt würden, fragt ein Teilnehmer. Das sei noch nicht besprochen, so Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen. „Aber über Geld werden wir nicht streiten.“ Bottrops Baudezernent Klaus Müller hört das gern, sagt aber: So drängend wie bei anderen interkommunalen Projekten sei diese Frage nicht, „weil ja in dem Fall tatsächlich Flächen auf beiden Stadtgebieten liegen“.
Auch Rolf Lenicher aus Bottrop sieht das Projekt als Chance für das Gebiet. Die Pläne hörten sich gut an, wichtig sei, wie die Umsetzung nachher aussieht. Bis Ende des Jahres erarbeiten die Verantwortlichen einen Masterplan für das Areal, dann geht es um die Detailplanungen. Beide Städte sind sich einig, sich für die Entwicklung der Flächen die nötige Zeit zu nehmen und nach Möglichkeit auch hochwertige und innovative Unternehmen für die Freiheit Emscher zu gewinnen und eben nicht in erster Linie Logistiker. Grünen Bezirksvertreter Stephan Voßschmidt wünscht sich zur Beratung in den Gremien einen Gesamtplan der Fläche.