Bottrop. . Viele Erwerbslose erhalten nicht den vollen Satz, sondern haben jeden Monat Abzüge. Robert Lipinski berät Betroffene bei der Caritas in Bottrop.

„Armut ist wieder en Vogue“, sagt Robert Lipinski trocken. Seit Jahren berät der Dipl.-Sozialarbeiter Erwerbslose beim Caritasverband und wundert sich nicht wenig, dass es ausgerechnet Jens Spahn, dem neuen Gesundheitsminister der CDU, zu verdanken ist, dass Armut wieder ein Thema in der öffentlichen Diskussion ist. Seine Aussage, dass Hartz IV die Grundbedürfnisse decke und die Bezieher nicht arm seien, hatte heftige Kritik ausgelöst.

„Wenn man tatsächlich all die Leistungen bekommen würde, wie sie im Gesetz stehen“, so sagt der Erwerbslosenberater, dann könnte man zumindest als sparsamer Alleinstehender mit Hartz IV auskommen. Die Realität aber sehe anders aus.

Zu hohe Miete wird abgezogen

Der Weg zur Beratung

Die Erwerbslosenberatung der Caritas befindet sich in Stadtmitte an der Adolf-Kolping-Straße 3. Die Beratung ist kostenlos, freiwillig und vertraulich.

Der Dipl.-Sozialarbeiter Robert Lipinski ist unter 37231-20 telefonisch zu erreichen oder unter per Email unter robert.lipinski@caritas-bottrop. de.

Beispiel Miete: 258 Euro stehen einem Alleinstehenden als monatliche Grundmiete nach dem kommunalen Mietspiegel von 2009 zur Verfügung. Inzwischen hat es aber Mieterhöhungen gegeben, die Wohnung ist zu teuer. Der Hartz-IV-Empfänger braucht eine neue, billigere – die es aber derzeit nicht gibt. Die Folge davon: Ihm werden zehn Prozent von der Regelleistung für die höhere Miete abgezogen – 41,60 Euro.

Dann kommt die Stromrechnung, eine Nachzahlung wird fällig und weil das Geld dafür fehlt, auch ein Darlehn vom Amt und wieder werden 41,60 Euro abgezogen. Wenn dann auch noch die Waschmaschine kaputt geht und der Erwerbslose die dafür im Hartz-IV-Satz monatlich vorgesehenen 1,66 Euro nicht gespart hat, braucht er noch ein Darlehn und damit kommt der nächste Abzug von den 416 Euro Regelleistung. Bleiben also monatlich weniger als 290 Euro zum Leben über.

2000 Beratungen jedes Jahr

Womöglich gibt es dann auch noch zusätzlich eine Strafe für einen wegen Krankheit versäumten Termin. Was viele nicht wissen, erklärt Robert Lipinski: Es reiche nicht, eine Krankmeldung vom Arzt vorzulegen, man brauche eine „Wegeunfähigkeitsbescheinigung“, ansonsten gebe es eine Kürzung. „Es kommt nicht selten vor, dass einer ganz ohne Geld da steht.“

Das alles seien keine Einzelfälle, sondern Alltag im Leben von Hartz-IV-Beziehern, stellt Robert Lipinski fest. Rund 2000 Beratungen führt er im Jahr durch. „Die Zahlen steigen, auch wenn die Arbeitslosenzahlen sinken.“ Viele Arbeitslose würden ja einfach nicht mehr in der Statistik auftauchen.

Es gibt viele Fallstricke

Zu ihm kommen Betroffene – oft durch Mund-Propaganda – weil sie mit den Bescheiden des Jobcenters nicht klar kommen und die Beratung dort nicht ausreiche. „Wer Hartz IV bezieht, kriegt viel Post, die er nicht unbedingt versteht“, stellt der Erwerbslosenberater fest.

Zum Beispiel wenn es aus irgendwelchen Gründen zu Überzahlungen durch das Jobcenter kommt, die dann wieder abgezogen werden. Oder wenn es zu Unterzahlungen kommt, weil der Hartz-IV-Empfänger irgendwo irgendwas falsch angekreuzt hat. „Es gibt viele Fallstricke, um in Schwierigkeiten zu kommen“, stellt Robert Lipinksi fest. Oft braucht es dann den Fachmann, Regeln zu durchschauen und berechtigte Interessen durchzusetzen.

Seine Arbeit komme ihm oft vor „wie immer wieder Steine den Berg rauf rollen“, sagt er. Ob durch Jens Spahn Hartz IV jetzt grundsätzlich neu diskutiert wird? „Ich lass mich überraschen."