Bottrop. . Der Kinder- und Jugendhilfeträger eröffnet neuen Standort in der früheren Sparkassen an der Prosperstraße. Ein Netzwerk für den Übergang.
Fünfundzwanzigeinhalb Jahre sind junge Menschen im Durchschnitt alt, wenn sie aus ihrem Elternhaus ausziehen. Ganz anders die Jugendlichen, die in einem Heim groß werden: Die werden aus dem Nest geschubst, sobald sie volljährig sind.
Mit Folgen, wie man weiß: Die 20- bis 25-Jährigen sind am stärksten von Armut betroffen, und unter den Wohnungslosen dieser Altersgruppe sind ehemalige Heimkinder besonders stark vertreten. Auch in Bottrop. Die Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung Flow baut jetzt eine Brücke für diese „Care-Leaver“.
Stiefkinder der Jugendhilfe
Jugendhilfeträger Flow in Zahlen
1995 wurde die gemeinnützige Gesellschaft gegründet. Einer der Mitgründer war der heutige Geschäftsführer Hermann Muss.
2009 verlegte die GmbH ihren Hauptsitz nach Bottrop. Flow ist in 17 Ruhrgebietsstädten und mit 1 Projekt in Sachsen vertreten.
Über 500 Mitarbeiter kümmern sich um 223 Familien in ambulanter, 361 Kinder und Jugendliche in stationärer und 70 Kinder in Tages-Betreuung. Es gibt insgesamt 50 Projekte.
So heißen sie nämlich in der Sprache der Sozialpädagogen (Care = Obhut; to leave = verlassen), diese Jugendlichen, die mit Eintritt der Volljährigkeit aus den Heimen raus müssen, weil die Jugendämter die Kosten für ihre Unterbringung nicht mehr übernehmen. Sie seien „Stiefkinder der Jugendhilfe“ stellt Flow-Geschäftsführer Hermann Muss fest – und oft auch „regionalen Disparitäten“ unterworfen, sprich die Jugendämter in den Kommunen legen vorhandene Spielräume unterschiedlich eng aus. Besonders schwierig ist die Situation der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die meist über keinerlei Rückhalt verfügen. „Viele Jugendliche sagen uns: Ich habe Angst davor, 18 zu werden“, erklärt Muss.
Unterstützung bekommen sie nun im neuen Flow-Projekt in Batenbrock. Anfang des Jahres hat der gemeinnützige Träger die ehemalige Sparkassenfiliale an der Prosperstraße gemietet und hier „Die Brücke“ als neuen Standort eröffnet. Christina Meier, Psychologin bei Flow, koordiniert das Team, das hier als Ansprechpartner zur Verfügung steht. „Einer ist immer hier und kümmert sich, wenn ein Jugendlicher Hilfe braucht. Und der Bedarf ist da“, sagt sie.
Es geht oft um Alltäglichkeiten, wie schwierige Schreiben vom Amt oder Fragen zu Verträgen. „Ohne uns wären viele schon längst in die Schuldenfalle getappt“, stellt Sachgebietsleiterin Kathrin Frese fest. Manche würden auch mal zu Weihnachten vorbei kommen oder um die neue Freundin vorzustellen. Sachen eben, mit denen man sonst zu seinen Eltern geht.
Ein Treffpunkt und viele Partner
In dem neuen Treffpunkt gibt es Büros, eine Holzwerkstatt, Platz für Kursangebote und auch schon potentielle Netzwerkpartner. Der Kinderschutzbund ist an einer Zusammenarbeit interessiert, die katholische Familienbildungsstätte will hier Kurse anbieten, und die Stadt hatte das frühere Sparkassengebäude schon im vergangenen Jahr als neues Quartiersbüro ins Auge gefasst. Geänderte Pläne der neuen Landesregierung haben die Genehmigung bislang verzögert.
Ziel des Projektes „Die Brücke“, auch in Essen und Gelsenkirchen geplant, ist es, ein verlässliches Netzwerk zu schaffen mit „lebensweltnahen Angeboten“. Dabei gehe es nicht so sehr um umfangreiche Hilfen. Im Projektentwurf heißt es: „Oftmals reicht die Möglichkeit, jemand zu kennen, den man bei Problemen ansprechen kann.“ Eben eine Brücke in das Erwachsenenleben.