Bottrop. . Vor zwei Wochen trat Jürgen Cleve sein Amt als Propst von St. Cyriakus an. Im WAZ-Interview spricht er über neue Aufgaben und Teamarbeit.

Vor knapp zwei Wochen hat Jürgen Cleve sein neues Amt als Propst von St. Cyriakus angetreten. Zuvor war er Stadtdechant von Essen und Pfarrer von St. Dionysius in Borbeck. Zum Interview empfängt er die WAZ-Redakteure Dirk Aschendorf und Matthias Düngelhoff in seinem Arbeitszimmer im ehemaligen Pfarrhaus von Herz Jesu. Diese Kirche gehört mit den Gotteshäusern im Fuhlenbrock und St. Elisabeth zur Großpfarrei St. Cyriakus, der der 57-jährige Theologe und promovierte Kirchenrechtler nun vorsteht.

War Bottrop Ihre Wahl oder wurden Sie geschickt?

Jürgen Cleve: Es war meine Wahl. Nach einem Gespräch mit meinem Vorgänger aber auch einem abendlichen Besuch des Weihnachtsmarkts vor dem Rathaus waren die Eindrücke so positiv, das die Entscheidung leicht war. Mein Signal an die Bistumsverwaltung: Steht Bottrop zur Debatte, lege ich schon mal mein Handtuch auf den Platz...

Weg von der großen Großstadt Essen in die Kleinere: Wird es hier gemütlicher?

Pfarrer in Borbeck, Stadtdechant von Essen und zugleich Caritasvorsitzender: Das hat schon Kraft gekostet. Ich kann hier sicher meine Erfahrungen einbringen, die ich bei der Umstrukturierung von der Pfarre zur Großpfarre Borbeck gemacht habe. Aber ich komme hier auch in eine Pfarrei, wo das Votum im Pfarrentwicklungsprozess bereits abgegeben wurde. Ich kann unbefangen anfangen, werde in allen Kirchen Gottesdienste feiern. Es hat ja auch etwas Gutes: Denn die Gemeindemitglieder in Herz Jesu, St. Ludgerus, St. Bonifatius oder St. Elisabeth kennen mich bisher ebensowenig wie die in St. Cyriakus.

Die Umsetzung des Pfarrentwicklungsprozesses, die Aufgabe von drei Kirchen sind sofort große Aufgaben. In anderen Bistümern schaut man zum Teil kritisch auf das, was im Bistum Essen passiert. Wie sehen Sie das?

In Essen geht man sehr forsch vor, das ist wahr. Man muss sich alles genau ansehen, bis hin zu rechtlichen Bedingungen, die einmal bei Stiftungen für den Kirchenbau festgelegt wurden. Die erste Frage aber, die ich mit den Gremien und den Verantwortlichen beantworten muss ist die, wie wir jetzt mit den betroffenen Menschen zum Beispiel in St. Elisabeth umgehen und den Übergang dort gestalten. Grundsätzlich gilt, dass ich mir das Votum genau anschauen werde, aber kein Interesse habe, es wieder aufzudröseln. Es ist mit viel Mühe erarbeitet worden und es ist nun meine Aufgabe als neuer Pfarrer, das mit Leben zu füllen und umzusetzen. Es gilt das Votum zu respektieren.

Ist ein Pfarrer denn heute noch für alles verantwortlich, muss er sich wirklich um alles selbst kümmern?

Diese Rolle eines Pfarrers habe ich so nie erlebt und auch nie kennengelernt. An all meinen bisherigen Stellen gab es ein pastorales Team und das ist auch in Bottrop so. Innerhalb dieses Teams aus Priester-, Pastoral- und Gemeindereferenten sollen die Leute nach ihren Stärken und Interessen eingesetzt werden. Das ist mir wichtig. Deshalb habe ich mein Büro auch hier an der Prosperstraße, wo wir gemeinsam arbeiten. Wir sind noch drei Priester im aktiven Dienst. Ohne die Hilfe unserer pensionierten Mitbrüder und der vielen Gläubigen in den Gemeinden wäre alles noch schwerer aufrecht zu erhalten.

Alle Kirchen können und sollen sicher nicht gerettet werden. Ist der Glaube in der Pfarre noch zu retten?

Ich sehe mich da schon als Übersetzer, sowohl in der Sprache als auch in den Formen. Viele Menschen haben eine Sehnsucht nach Glauben und es gilt, für alle da zu sein. Manchmal gibt es überraschende Situationen, so wie kürzlich, als ich auf dem Kirchplatz in Bottrop in einen Junggesellinnen-Abschied geriet. Man bot mir erst im Scherz ein Kondom an. Als ich sagte, dass ich Priester sei, kam kurz darauf die künftige Braut auf mich zu und fragte ganz ernst, ob ich sie nicht segnen wolle. Alle, auch ich, stutzten. Und dann war es wirklich gut. Ich sehe mich nicht als den, der strikt einteilt, schon gar nicht in gut und böse. Ich sage lieber mit dem mittelalterlichen Philosophen und Theologen Thomas von Aquin: Alles strebt aufs Gute hin.