Bottrop. . Das Jobcenter kann Hartz-IV-Empfängern Geld streichen, wenn sie Termine verpassen. Die Zahl der Strafen ist in Bottrop nicht gestiegen.
„Bei uns gibt es keine steigende Entwicklung bei den Sanktionen“, stellt Thorsten Bräuninger, Leiter des Jobcenters Bottrop, fest. Sanktionen kann das Jobcenter immer dann aussprechen, wenn die Leistungsempfänger ihre Pflichten vernachlässigt haben. Rund 1500 waren das in den letzten beiden Jahren jeweils, „bei deutlich über 50 000 Beratungsterminen im Jahr“, so Thorsten Bräuninger. „Die Zahl ist relativ konstant und unsere Quote liegt im Landesdurchschnitt.“
„Der Hauptgrund sind Meldeversäumnisse“, erklärt er. Das sei 2016 bei rund 95 Prozent der Fälle so gewesen, 2017 bei rund 93 Prozent. Ein Meldeversäumnis ist, wenn ein Kunde unentschuldigt einen Termin verpasst. Der Hartz-IV-Satz kann dann um zehn Prozent gekürzt werden. Meldeversäumnisse sind kein Bottroper Phänomen.
2017 gab es Angebote für Erwerbslose
„Die Kürzung um zehn Prozent macht den Löwenanteil aus“, stellt Bräuninger fest, denn auch eine Kürzung um 30 Prozent ist möglich. Das ist immer dann der Fall, wenn ein Kunde ohne ausreichende Begründung eine Ausbildung oder Arbeit abbricht oder gar nicht erst antritt. „Da hatten wir 2016 insgesamt 80 Fälle, 2017 waren es 103.“ Die leichte Steigerung in den letzten beiden Jahren führt Bräuninger darauf zurück, dass es mehr Arbeit gegeben habe. 2017 sei es nämlich zu knapp 2000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsaufnahmen im Bereich des Bottroper Jobcenters gekommen.
„Sanktionen sind bei unseren Leistungsbeziehern natürlich nicht beliebt“, sagt Bräuninger. „Aber wir mögen sie auch nicht. Für uns bedeutet das mehr Aufwand.“ Sanktionen seien aber gesetzlich vorgeschrieben. Der Betroffene wird vorher gehört und kann noch seine Gründe nennen. Gekürzt werden die Leistungen für jeweils drei Monate. Der Regelsatz für Alleinstehende liegt seit Januar bei 416 Euro.
„Bei uns haben die Sperrzeiten fürs Arbeitslosengeld etwas zu genommen“, bestätigt Michael Kinzler, Sprecher der Arbeitsagentur, auch für Bottrop die überregionale Tendenz. 2017 seien 1075 Sperren verhängt worden und damit 162 mehr als im Vorjahr.
Mehr Fälle bei der Arbeitsagentur
Dabei sei der Hintergrund ein positiver. Kinzler: „Es gibt mehr Stellen auf dem Arbeitsmarkt und mehr Fördermaßnahmen.“ Weil mehr Kunden einbestellt wurden, hätten auch mehr ihren Termin versäumt. Denn auch bei der Arbeitsagentur sind in der Regel Meldeversäumnisse der Grund für die Sperren, die bis zu zwölf Wochen dauern können.
Dazu gehören aber auch versäumte Fristen bei Beginn der Arbeitslosigkeit. „Betroffene müssen sich spätestens drei Monate vor Ende des Beschäftigungsverhältnisses bei uns melden“, betont Kinzler. „Die Arbeitsagentur will so schnell wie möglich ein Angebot machen, damit es erst gar nicht zu Arbeitslosigkeit kommt.“
Besser als Strafen wäre mehr Begleitung
„Ich halte die Sanktionen für schlecht“, sagt Robert Lipinski, Erwerbslosenberater bei der Caritas. Es gebe „Interpretationsspielräume“ bei der Beurteilung und „eine absolute Ungleichbehandlung“. Denn den unter 25-Jährigen würde das Geld für drei Monate komplett gestrichen, wenn sie eine Arbeit nicht antreten, vorzeitig beenden oder entlassen werden, den über 25-Jährigen „nur“ die Bezüge um 30 Prozent gekürzt. Dahinter stehe ein „erzieherischer Gedanke“, so der Sozialarbeiter. Doch der tauge offenbar nicht, meint er mit Blick auf gestiegene Zahlen seit Einführung von Hartz IV.
„Die jungen Leute stehen dann komplett ohne Geld da“, sagt er. Nur Miete und Krankenversicherung werden weiter gezahlt, außerdem gebe es Lebensmittelgutscheine. Bei manchen ende dies in der Obdachlosigkeit. Aber auch eine 30-prozentige Kürzung sei nicht ohne, Alleinstehende müssten dann mit rund 120 Euro weniger im Monat auskommen.
„Ich würde mir eine bessere Begleitung Betroffener wünschen“, sagt Robert Lipinski. Doch das scheitere meist am Personalschlüssel im Jobcenter. Im Falle einer Kürzung oder Streichung müssen die Hilfeempfänger zwar angehört werden, doch viele seien „unbeholfen und nicht so sprachgewandt“, als dass sie die Entscheidung des Amtes noch mal drehen könnten.