Bottrop / Gelsenkirchen. . Richter ahnen schon: Die Belastung wird noch mehr. In jedem dritten Verfahren geht es um die Grundsicherung. Vielfach mit Erfolg für die Kläger.
Jeder dritte Hartz-IV-Bezieher, der vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen gegen seinen Bescheid geklagt hatte, bekam im vergangenen Jahr recht. Noch erfolgreicher ist die Bilanz im Bereich des Schwerbehindertenrechts. 40 Prozent der Kläger verließen als Gewinner den Gerichtssaal.
Beim Sozialgericht gingen im letzten Jahr 9206 Verfahren ein. Das belastete den einzelnen Richter mit durchschnittlich 307 Verfahren. Zum Vergleich: Im Landesschnitt musste sich ein Richter mit 225 Rechtsstreitigkeiten befassen. Sylvia Fleck, Präsidentin des Sozialgerichts, weiß, dass noch mehr Arbeit auf sie und ihre Kollegen zukommen wird: „80 Prozent der Asylbewerber werden anerkannt. Sie müssen danach von Hartz IV leben. Ein Großteil von ihnen wird anschließend bei uns aufschlagen.“ Schon heute ist der Anteil der Verfahren im Bereich der Grundsicherung mit 2882 Klagen und 647 Anträgen im Eilverfahren beträchtlich.
Krankenversicherungen
Auch im Rechtsgebiet der Krankenversicherung haben die Verfahren stark zugenommen. „Sie galoppieren uns davon“, beschreibt Sylvia Fleck die Belastungen in den 55 Kammern des Gerichts. „Die Leistungen von Versicherern werden verstärkt abgelehnt.“ Als Beispiele nennt die Präsidentin stationäre Schmerztherapie und geriatrische Behandlungen. Für die Gerichte scheint die Beurteilung des Sachverhalts immer komplexer zu werden. Denn Gutachter zu finden falle immer schwerer. Auch weisen die Akten oft erhebliche Lücken auf. „Wir fangen mitunter bei Null an, müssen durch umfangreiche Ermittlungen erst Aufklärungsarbeit leisten.“
Zufrieden ist die Chefin mit den 8974 abgeschlossenen Verfahren im vergangenen Jahr. Dem leichten Anstieg steht eine Zunahme des Bestands Ende 2017 auf 8326 Verfahren gegenüber. Ende 2016 waren es 225 Verfahren weniger.
Prozessdauer verkürzt
Mit der Prozessdauer haben die Gelsenkirchener Richter im Vergleich zu ihren Kollegen im Land punkten können. Nach 10,3 Monaten waren die Prozesse beendet, landesweit benötigten die Gerichte 12,6 Monate. Auch bei den Eilverfahren war das Sozialgericht mit einer Prozessdauer von einem Monat etwas schneller als im Landesdurchschnitt. Zwei Drittel der erledigten Verfahren konnten innerhalb eines Jahres abgeschlossen werden, nur 6,4 Prozent zogen sich über zwei Jahre hin.
Die meisten Verfahren endeten mit einem Vergleich. Bei 10,6 Prozent der Klagen musste das Gericht streitig durch Urteil oder Gerichtsbescheid entscheiden. „Die Bereitschaft, sich zu vergleichen, ist geringer, die Zweifel von Versicherungsträgern sind größer geworden,“ bedauert Sylvia Fleck.