Bottrop. . Bottroper Mediziner plädieren dafür, dass sich jeder Mensch mit dem Thema Organspende beschäftigt und seine Entscheidung klar dokumentiert.
Um die Zahl der Organspenden zu erhöhen, soll in den Niederlanden künftig jeder volljährige Bürger als Organspender registriert werden – es sei denn, er widerspricht. Auch in Deutschland ist die Zahl der Organspenden auf einem historischen Tiefstand. Darüber sprach WAZ-Redakteurin Nina Stratmann mit Prof. Dr. Markus Hollenbeck, Chefarzt der Klinik für Nephrologie, Rheumatologie und Intensivmedizin, sowie Christoph Schnee, Facharzt für Anästhesie und Transplantationsbeauftragter am Knappschaftskrankenhaus.
Wäre die Widerspruchslösung, wie sie jetzt in den Niederlanden etabliert wird, auch ein Modell für Deutschland?
Schnee: Ich denke, dass ich die Entscheidungslösung, die wir im Moment in Deutschland haben, gutheiße. So lange jeder Mensch einen Organspendeausweis ausfüllt und damit den Angehörigen und Ärzten im Fall, dass ein unwiederkehrbarer Hirnfunktionsausfall auftritt, die Entscheidung Organspende ja oder nein erleichtert. Es gibt da ja das Modell der Krankenkassen: Die Versicherten sollen regelmäßig angeschrieben werden, damit sie sich eine Meinung bilden können und dann den Spenderausweis entsprechend ausfüllen.
Hollenbeck: Ich glaube, das ist im Prinzip eine rein politische Entscheidung. Wir sind als Ärzte immer den Patienten verpflichtet. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten ist für uns ein hohes Gut. Die Niederländer haben das auch nicht gerne so gemacht. Uns wäre es allen lieber, wenn jeder sich mit dem Thema Organspende auseinandersetzen und sich erklären würde. Wir wollen keinem das Ja aufdrängen.
Wenn die Politik sagt: Der Gesellschaft ist wichtig, dass alle informiert werden und sich eine fundierte eigene Meinung bilden, wäre uns das am liebsten. Aber die Finanzmittel für so eine Aufklärungskampagne stellt die Gesellschaft nicht zur Verfügung. Immerhin wird der Informationsgrad der Bevölkerung besser: Früher hatten sich fünf Prozent der Bevölkerung erklärt, ob sie Spender sein möchten oder nicht. Heute sind es rund 25 Prozent.
Laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation sind die Organspenden im Jahr 2017 deutschlandweit auf 797 gesunken, fünf Jahre zuvor waren es noch 1046.
Schnee: Das war ein Rückgang auf das niedrigste Niveau seit 25 Jahren. Es versterben pro Tag drei Patienten, also im Prinzip alle acht Stunden ein Patient, weil Spenderorgane fehlen.
Wir suchen Menschen mit und ohne Spenderausweis
Wir sind für einen Artikel in der WAZ-Lokalausgabe auf der Suche nach einem Bottroper mit Organspende-Ausweis und einem, der seine Organe nicht spenden möchte. Beide haben sicher gute Gründe für ihre Entscheidung. Darüber möchten wir berichten.
Kontakt: Telefon 02041 18 95 29; E-Mail an redaktion.bottrop@waz.de
Worin sehen Sie die Ursachen für diesen Rückgang?
Hollenbeck: Was in den Medien am meisten diskutiert wird, ist die Frage der Verteilung der Spenderorgane. Da ist die Bevölkerung sehr sensibel. Wenn sie Geschenke macht, dann muss sie darauf vertrauen können, dass sie gerecht verteilt werden. Da haben einzelne Transplantationsskandale zu Vertrauensverlusten geführt.
Spielen auch Ängste eine Rolle?
Hollenbeck: Da dreht sich die Diskussion um die Frage: Wenn ein unwiederkehrbarer Hirnfunktionsausfall festgestellt wird, ist dann noch Leben im Körper? Das kann jeder für sich werten. Ich persönlich sage: Ich bin dann tot genug, um zu spenden. Wenn ich weiß, ich werde nie wieder wach, nie wieder einen eigenen Atemzug tun können.
Wie viele Bottroper benötigen eine Organspende?
Hollenbeck: Es gibt rund 50 Bottroper, die im Augenblick auf ein Organ warten. Allein bei uns im Nierenzentrum warten 40 Menschen auf eine Niere. Andere brauchen ein Herz oder eine Lunge. Im vergangenen Jahr wurden bei acht Bottroper Patienten aus unserem Zentrum Nierentransplantationen durchgeführt. Dabei handelte es sich um sechs Eurotransplant-Nieren und zwei Lebendspenden.
Gab es im Knappschaftskrankenhaus auch Organspender?
Hollenbeck: Wir hatten im Krankenhaus einen Organspender im vergangenen Jahr. Wir haben auch Jahre, da gibt es bei uns gar keine. Allerdings haben wir hier bei uns auch weniger Unfallopfer mit unwiederkehrbarem Hirnfunktionsausfall, wie sie oft als Organspender in Frage kommen.