Bottrop. Klemens Grondey trat 1942 in den Musikverien ein. Wie er setzen auch Rainer und Dominik Neuwirth eine Familientradition fort.
Als Klemens Grondey 1942 in den Städtischen Musikverein eintrat, war der Chor gerade einmal 23 Jahre alt. Heute ist der rüstige 92-Jährige - inzwischen nur noch passives Mitglied - für viele so etwas wie ein wandelndes Geschichtsbuch oder das Gedächtnis der Sängergemeinschaft, die 2018 seit 100 Jahren besteht.
Drei Sängergenerationen machten sich kürzlich auf den Weg in die WAZ-Redaktion. Rainer Neuwirth (59), der 1996 Ernst Mertens als Geschäftsführender Vorsitzender nachfolgte (Vorsitzender ist traditionell Bottrops Oberbürgermeister) und dessen Sohn Dominik (31) stehen wie Klemens Grondey für eine Chortradition, die für manche zugleich auch eine Familientradition ist. Auch Dominik Neuwirth trat, wie damals Klemens Grondey, mit 16 Jahren dem Musikverein bei. Was heute Ausnahmecharakter hat, war vor Jahrzehnten fast selbstverständlich.
Orchester aus der Region zu Gast
Vater Julius Grondey sang ebenso im Musikverein, wie die Schwester. „Ich wechselte direkt aus dem Chor des Jungengymnasiums in den Musiverein, das war normal in Bottrop, wenn man sich für Musik interessierte und vielleicht nicht nur Kirchenmusik machen wollte.“ Der Musikverein war lange auch der einzige gemischte Chor, die Kirchenchöre waren zu jener Zeit nur Männern und Knaben vorbehalten. Und: „Wir sangen immer schon die großen Oratorien und symphonische Werke“, erinnert sich Klemens Grondey.
Sein Vater gehörte 1918 zu den Gründungsmitgliedern. Welchen Stellenwert der Chor damals einnahm, weiß Klemens Grondey nicht nur aus den Schilderungen seiner Familie, sondern auch aus eigenem Erleben.
Von Anfang an sang der Chor die große Literatur
Große Werke wie Giuseppe Verdis Requiem, Bachs Passionen, Beethovens Missa Solemnis, Liszts Faust-Sinfonie, die wuchtigen Chorwerke von Brahms und Bruckner: Der Musikverein brachte diese Kompositionen zum ersten Mal in die noch junge Stadt. Wer die alten Programme noch bis in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg liest, sieht, wie vernetzt der Chor auch in die Region war - und welche Mittel die Stadtväter damals für die Kultur erübrigten. Es spielten die städtischen Orchester aus Duisburg, Hagen, Essen, Recklinghausen. Über die Aufführung von Hindemiths Oratorium „Das Unaufhörliche“ mit dem Krefelder Orchester erschienen Rezensionen in Essen, Düsseldorf und Dortmund. „Damit war es zwischen 1933 und 1945 natürlich erstmal vorbei“, sagt Klemens Grondey.
Es hatte Deutsches, Nationales im Vordergrund zu stehen, sicher kein Hindemith.“ Für ihn bedeutete das Bottroper Musikleben aber auch erste Berührung mit bislang unbekannten Werken. Seinen ersten „Boléro“ von Ravel hörte er mit dem Essener Orchester als jugendlicher in der Schauburg: „Fasziniert und überrascht“, beschreibt er noch heute seine damalige Reaktion.
Wandel seit den 80er Jahren
Der Chor wandelte sich. „Ein Verein auch gesellschaftlicher Elite war nicht mehr das, was man seit den 80er Jahren wollte“, sagt Rainer Neuwirth, selbst Mitglied seit 26 Jahren. Der Musikverein verbreiterte sein Repertoire, verließ auch die angestammten Konzertsäle. Für Dominik Neuwirth war die „Carmina burana“-Aufführung Anlass, in den Chor einzutreten. So manche seiner Altersgruppe verließen den Musikverein bedingt durch Studium oder Umzug. sein Fazit: „Es ist ein Hobby mit Anspruch, aber ohne Spaß ander Sache ginge es nicht.“
Jubiläumsauftakt beim Festival „Orgel Plus“
Den musikalischen
Auftakt zum Jubiläumsjahr gibt der Städtischen Musikverein am Sonntag, 14. Januar beim Festival „Orgel Plus“.
Um 16 Uhr singt der Chor in Liebfrauen auf dem Eigen unter Friedrich Storfinger die „Jubelmesse“ von Carl Maria v. Weber sowie Felix Mendelssohns „Lauda Sion“. Karten unter Tel.: 02041/ 70 33 08.