Essen/Bottrop. Jahrelang soll ein Apotheker lebenswichtige Krebsmedikamente gepanscht haben. Doch seine Verteidiger gehen nun vor Gericht zum Gegenangriff über.
Schwere Vorwürfe erheben die Verteidiger des Bottroper Apothekers Peter Stadtmann gegen Staatsanwaltschaft und einige Medienvertreter. Sie werfen der Anklagebehörde einseitige Ermittlungen und mehreren Journalisten massive Vorverurteilungen vor.
Die von vielen erhoffte Aussage des Angeklagten blieb am Dienstag, zweiter Verhandlungstag, aus. Verteidiger Peter Strüwe hatte dies den anwesenden Patienten des Apothekers zu erklären versucht: „Wir haben Verständnis für die Sorge und Ängste der Patienten. Wir können nachvollziehen, dass es bei Ihnen das Schweigen ist, was zu großer Verunsicherung führt.“ Wegen der Vorverurteilung hätten sie ihm aber geraten, von seinem Recht zu schweigen Gebrauch zu machen. Das Schweigen solle nicht falsch interpretiert werden.
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Apotheker-Skandal: Ziel der Verteidigung ist ein Freispruch
Strüwes weitere Äußerungen machen klar, dass das Ziel der Verteidigung ein Freispruch oder höchstens eine geringe Strafe sein wird. Die Anklage baue ausschließlich auf Indizien auf, und diese seien zu einseitig ermittelt worden.
Laut Anklage hatte der Apotheker zwischen 2012 und 2016 viel zu wenige Wirkstoffe eingekauft für die vielen von ihm zubereiteten Krebsmedikamente. Unterstützt werde diese Annahme durch die Analyse von beschlagnahmten fertigen Medikamenten, die wenig oder gar keinen Wirkstoff enthielten. 62.000 Krebsmedikamente sollen mit zu wenig Wirkstoff zubereitet worden sein.
Das sei ein falscher Schluss, rügt die Verteidigung. Denn es sei von den Anklägern gar nicht geprüft worden, ob der Apotheker noch einen Altbestand an Wirkstoffen besessen habe. Strüwe: „Es gab einen erheblichen Anfangsbestand.“ Auch Rabattkäufe seien nicht berücksichtigt worden. Schließlich sei die Analysemethode der Proben „wissenschaftlich nicht haltbar“, behauptete Strüwe.
Die von Stadtmann belieferten Ärzte hätten auch „überdurchschnittlich gute“ Heilungserfolge bei Krebspatienten vorzuweisen, sagte er weiter. Auch die Anklage hatte übrigens eine abgeschwächt ähnliche Erkenntnis: Bei dieser Patientengruppe sei keine höhere Todesrate ersichtlich. Mindestens 1000 Patienten sollen gepanschte Krebsmedikamente bekommen haben.
Auf diese Aspekte habe die Verteidigung die Staatsanwaltschaft bereits im März hingewiesen. Den Hinweisen sei diese aber nicht nachgegangen.
Kritik übte Strüwe an einigen Veröffentlichungen. Er sprach von einer „medialen Vorverurteilung extremen Ausmaßes“ und warnte die Schöffen, sich davon beeinflussen zu lassen. Strüwe: „Er ist erst dann schuldig, wenn das Gericht ihn rechtskräftig verurteilt.“
Bei einer Veurteilung drohen Peter Stadtmann bis zu zehn Jahre Haft sowie ein Berufsverbot. (mit dpa)
Anmerkung der Redaktion: Auf Anordnung des Gerichtes müssen Bilder des Angeklagten aus dem Saal gepixelt werden, auch wenn viele Medien, darunter auch diese Zeitung, frühere Fotos von ihm ungepixelt veröffentlichen.