Bottrop. Beim bundesweiten Vorlesetag sind auch bekannte Bottroper dabei. Autor Joachim Friedrich im WAZ-Gespräch über Lesegewohnheiten und -förderung.
Am bundesweiten Vorlesestag sind in der Lebendigen Bibliothek wieder bekannte Bottroperinnen und Bottroper im Einsatz. Auch Kinder- und Jugendbuchautor Joachim Friedrich ist vertreten. Über seine Erinnerungen an Bücher der eigenen Kindheit (geb. 1953), seine Arbeit - immerhin veröffentlichte der studierte Volkswirtschaftler etwa 70 Bücher - und die sich verändernden Lesegewohnheiten sprach Dirk Aschendorf mit dem Autor und Kulturpreisträger (2001).
Wie und vor allem wann hat Sie das Lesefieber gepackt?
Joachim Friedrich: Das war zuerst meine Mutter, die sagte „Geh’ doch mal in die Bibliothek“ und dann der Autor Michael Ende, der mich zum Schreiben verführt hat.
Können Sie sich noch an Ihr erstes Buch erinnern, das Sie verschlungen haben?
Das war ein Band aus der „5 Freunde“-Reihe von Enid Blyton, damals ungeheuer populär. Die gab es in jeder Bibliothek und überall im Buchhandel. Und dann, viel später natürlich, „Momo“ von Michael Ende. Eine Lektüre, die mich dann wirklich auch zum Schreiben verführt hat.
Warum beteiligen Sie sich immer wieder am Vorlesetag?
Weil es wichtig ist. Man muss heute keinem Kind mehr ein Smartphone erklären, Bücher oder die Bibliothek dagegen schon.
Sind Ihrer Ansicht nach die Kinder für das klassische Buch schon verloren?
Das denke ich nicht. Lesen ist nur nicht mehr so selbstverständlich. Der Programmleiter eines Verlages sagte mir einmal, ab zehn Jahren verlieren wir die Kinder ans Smartphone, also die Lesegruppe, die früher für Kinderbücher am wichtigsten war. Heute sind das die Achtjährigen. Aber natürlich gibt es noch die so genannten Leseratten, nur die werden weniger. Wir wissen, dass es drei Lesergruppen gibt: Vielleser und Nichtleser. Um die Gruppe Ab-und-zu-Leser müssen wir kämpfen.
Also durch Leseförderung?
Ja, sicher. Leseförderung ist inzwischen eine meiner Hauptaufgaben.
Lesen Sie lieber vor oder lesen Sie lieber für sich?
Gute Frage. Kann ich nicht ganz eindeutig beantworten. Ich lese keine Kinderbücher, außer ich lese vor. Für mich selbst lese ich als Hobby. Mit den Kinderbüchern der Kollegen beschäftige ich mich eher selten. Eher bin ich schon Krimi-Fan.
Sie arbeiteten bei der Lufthansa, als Unternehmensberater, lehrten als Professor für Betriebswirtschaft und sind erfolgreicher Buchautor: Kann man von Kinderbüchern leben?
Ich habe zwei Jahre ausschließlich vom Schreiben gelebt. Aber der wirtschaftliche Druck ist schon sehr groß - und der Kreativität abträglich. Heute kann man meines Erachtens vom Schreiben nicht mehr leben. Die Buchliste ist weg im Handel, so verkaufte sich auch Friedrich gut. Heute steht keine Serie mehr komplett im Handel.
Wie finden Sie ihre Themen?
Zu 95 Prozent durch eigenes Überlegen. Es sind Dinge, an denen ich Spaß habe, wie gerade an einem Projekt mit meiner Tochter, der Autorin Minna McMaster.
Woran arbeiten Sie da gerade?
Es kam ein Schweizer Verlag auf uns zu und wir überlegten, was uns Spaß machen könnte. Minna erfand eine Dr. Dolittle-Geschichte „Lukas und das Geheimnis der sprechenden Tiere“. Dem Verlag gefiel es, und jetzt arbeiten wird schon am zweiten „Lukas“-Band.
Wie steht es um das Lesen in Bottrop, die Förderung in NRW?
Der Kontakt zur Lebendigen Bibliothek ist gut, die ist auch sehr rührig mit ihrer Nachwuchsarbeit. Aber verglichen mit der Schweiz, wo jede Schule eine öffentlich geförderte Bibliothek hat, oder Baden-Würtemberg, das sich explizit als Leseland versteht und dies auch fördert, fällt NRW natürlich deutlich ab. Deshalb ist der Vorlesetag wichtig, aber es ist eben nur ein Tag...