Bottrop. . Die Leiter von Gesundheitsamt und Brustzentrum analysieren beim Patiententag im Marienhospital im Gespräch mit Betroffenen den Apothekerskandal.
- Chefarzt: Würden Apotheken so überwacht wie Kliniken, hätte das nicht passieren können
- Gesundheitsamt: Wir haben bisher fast keine Informationen über die Qualität der Produkte
- Ärzte stellten Patienten mögliche bessere Kontrollmethoden und deren Finanzierung vor
Der Skandal um verdünnte Krebsmedikamente stand im Mittelpunkt des Patientinnentages des Marienhospitals. Der Leiter des Gesundheitsamtes, Dr. Christian Marga, stellte sich den Fragen und der Kritik von betroffenen Frauen. Gemeinsam mit Chefarzt und Brustzentrumsleiter Dr. Hans-Christian Kolberg zog er den klaren Schluss: „Das Kontrollsystem für Apotheken funktioniert nicht.“ Beide Ärzte stellten mögliche bessere Kontrollmethoden und deren Finanzierung vor.
Der Markt für Krebsmedikamente hat nach Margas Angaben bundesweit ein Volumen von drei Milliarden Euro jährlich. In NRW gibt es rund 150 Apotheker, die solche Mittel herstellen. Das System, mit dem sie kontrolliert werden, sei „ausgesprochen lückenhaft“. So gebe es bisher keine Proben von fertig hergestellten Infusionsbeuteln. Marga: „Wir haben fast keine Informationen über die Qualität der Produkte. Das ist nicht gut.“
Sterblichkeit im Brustzentrum unter dem Durchschnitt
Hätten die behandelnden Krebsmediziner denn nicht erkennen können, dass ihre Patienten mit unterdosierten Krebsmedikamenten behandelt wurden? Zumindest nicht im Brustzentrum am Marienhospital, sagt Chefarzt Kolberg: „Es gab in keinster Weise Hinweise darauf, dass die Chemotherapie nicht in Ordnung war.“ Auch nicht durch schlechtere Behandlungsergebnisse? Im Gegenteil, sagt Kolberg: Sterblichkeit- und Rückfallrisiko im Brustzentrum habe in den vergangenen Jahren deutlich unter dem Bundesdurchschnitt gelegen.
Margas Fazit: „Das Kontrollsystem hat kriminelles Handeln nicht verhindern können. Mehr und andere Kontrollen sind nötig und erfordern andere Rahmensetzungen durch Land und Bund.“ „Was kann die Politik tun, um die Sicherheit der Zubereitung von Chemotherapien zu verbessern?“, hieß deshalb die Leitfrage des Vortrags. Zunächst müsse die Politik das Problem zur Kenntnis nehmen, sagt Kolberg: „Alle tun so, als ob das nur in Bottrop passieren könnte.“
Dokumentationspflicht wie bei Betäubungsmitteln
Eine neue Kontrollmöglichkeit hat das Land immerhin mit einem Erlass bereits geschaffen: die Kontrolle von so genannten Rückläufern. Das sind individuell hergestellte Infusionen, die Patienten aus gesundheitlichen Gründen nicht verabreicht werden können. „Das ist ein Riesenfortschritt“, sagt Kolberg. Allerdings nur, wenn die Rückläufer von der Praxis direkt an die Apothekenaufsicht geschickt würden. Außerdem kosten solche Proben um die 1000 Euro. Als Träger solcher Kosten brachten Marga und Kolberg eine Selbstverpflichtung der Apothekerverbände oder die Krankenkassen ins Gespräch.
Marga stellte weitere Kontrollwege vor wie die Überwachung durch spezialisierte Teams auf Landes- oder Bundesebene oder eine Dokumentationspflicht, wie sie etwa für Betäubungsmittel gilt, deren Verwendung Kliniken bis aufs Gramm nachweisen. Kolberg ist sicher. „Wenn Apotheken so kontrolliert würden wie Kliniken, hätte das nie passieren können.“