Bottrop. . Gespräch zum 500. Jahrestag der Reformation mit Gläubigen der evangelischen Kirchengemeinde Bottrop über Luther, seine Lehren und die Ökumene.
500 Jahre Reformation: Ein Jubiläum, das mit vielen Veranstaltungen auch in Bottrop und einem Extra-Feiertag am 31. Oktober öffentlich sehr wahrgenommen wird. Das regt viele, auch gerade jüngere Menschen dazu an, genauer aufs Evangelischsein zu gucken, Nachfragen zu stellen. Diese Erfahrung machen Pfarrerin Anne Hanhörster (56), Presbyter Christopher Wittmers (42) und die Ehrenamtliche Melanie Schmitz (45). Sie selbst beschäftigen sich nicht nur in diesem besonderen Jahr, sondern immer wieder mit ihrem Glauben. Ein Gespräch über Luther, die Bedeutung seiner Lehren heute und die Ökumene.
„Mir gefällt an solchen Jubiläen die Glorifizierung nicht“, macht Christopher Wittmers gleich zu Beginn klar. „Das ist auch uns passiert – mit Tassen, Socken oder Weingummi von Luther.“ Wichtig ist ihm, das Große und Ganze zu sehen: „Was wurde eigentlich angestoßen: soziale Verantwortung, dass der Mensch frei denken soll, dass Bildung frei zugänglich ist – darauf muss man achten. Wir als Kirche müssen uns die Frage stellen, ob wir dem noch gerecht werden.“ Melanie Schmitz ergänzt: „Es wird ja immer wieder mal hinterfragt: Ist das noch die Verantwortung, die Luther uns mitgegeben hat.“
Luther war als Mensch nicht ohne Makel
Wenn sie an Luther denken, dann fasziniert sie vor allem, dass er eben nicht ohne Makel gewesen sei. „Er war zornig, streitbar, schlichtweg nicht perfekt“, bemerkt Finanzkirchmeister Wittmers. Für Melanie Schmitz, die in Kirchhellen in der Kinder- und Jugendarbeit wirkt, ist klar: „Das Nicht-Perfektsein ist das, wo wir uns wiederfinden: Man ist gut so, wie man ist.“ Pfarrerin Anne Hanhörster ergänzt: „Für mich ist wichtig, dass es zum Protestantismus gehört, keine Personen zu verehren.“ In diesem Jahr laufe das etwas anders, „aber eigentlich ist es nicht unsere Art, Menschen zu verehren. Die Lehre, die er in die Welt gebracht hat, halten wir hoch“.
Das Motto „Einfach frei!“ findet Wittmers ebenso gut wie aktuell gewählt. „In der Freiheit hat man Verantwortung. Der müssen wir als Glaubensgemeinschaft heute gerecht werden, in dem was sich gesellschaftlich entwickelt, was sich politisch tut, in welche Krisen wir kommen“, sagt er und denkt dabei auch an „das, was wir mit den Flüchtlingen erlebt haben“.
Gute ökumenische Arbeit
Verantwortung bestehe aber auch darin, sich immer wieder zurückzubesinnen auf die Inhalte der Bibel, meint Melanie Schmitz. Die Schrift heben alle Drei als wichtigste Richtschnur für ihren Glauben, für ihr Leben hervor. „Luther hat sich abgewandt von der Vorstellung, dass man sich Seligkeit verdienen kann“, unterstreicht die Pfarrerin. „Das einzige, was du machen kannst, ist glauben. Und wenn du glaubst, kannst du zum Beispiel nicht am Armen einfach vorbei gehen.“ Bleibt noch die Frage nach der Kirchenspaltung, die aus Luthers Tun resultierte. Eine Überwindung dieser heute sei gar nicht nötig. „Bei gegenseitigem Respekt und Anerkennung ist ein Miteinander in vielen Fragestellungen möglich und man kann eine gute ökumenische Arbeit machen“, urteilt Wittmers.
„Ich finde das Wort Kirchenspaltung schrecklich“, sagt Presbyteriumsvorsitzende Anne Hanhörster. „Dass unterschiedliche Ausformungen da sind, gibt es in allen Religionen. Was wir mit der katholischen Kirche gemeinsam haben ist stärker als das, was uns trennt.“ Beide Seiten ergänzten sich. „Wenn wir uns zu einer Kirche zusammentun würden, wären wir nicht unbedingt stärker.“ Und: „Wenn es mal wirklich hart auf hart kommt bin ich sicher, dass wir Seite an Seite stehen.“ Das gelte heute schon für soziale Fragen, Frieden, Abrüstung. Und vor Ort in Bottrop gebe es eine gute Ökumene.
Was erwartet die Gemeinde heute?
Insgesamt haben alle Drei das Gefühl, anders als zuvor aus dem Reformationsjahr mit seinen besonderen Veranstaltungen und Begegnungen herauszugehen. „Ich habe das Bedürfnis, noch weiter zu reden“, meint Christopher Wittmers. „Wir stehen als Kirchengemeinde vor dem Punkt, wo wir wieder Grundsätzliches besprechen müssen; wie es weiter geht als Großgemeinde in der Stadt.“ Die Pfarrerin ergänzt: „Wir werden uns jetzt zum Beispiel mit der Frage beschäftigten: Was für Gottesdienste möchten unsere Gemeindeglieder in Zukunft?“ Der Sonntag habe sich zum Tag der Familie entwickelt. „Es steht nicht in der Bibel, dass man jeden Sonntag in die Kirche geht – deswegen bin ich da frei. Aber wir werden nicht aufhören, Angebote zu machen.“
Angebote, die den Bedürfnissen der heutigen Zeit entsprechen – 500 Jahre nach Beginn der Reformation.