Bottrop. . Das Gesundheitsamt unterstützt seit fast zehn Jahren gezielt Betroffene und Angehörige.Ein Interview mit Leuten vom Fach.

  • Gesundheitsamt unterstützt gezielt Betroffene und Angehörige
  • Der Beratungsdienst will Ängste lindern und Unsicherheiten nehmen
  • Ein Interview mit Leuten vom Fach

Demenz ist ein Schreckgespenst - für Betroffene und Angehörige gleichermaßen. Allein die Sorge, an Demenz zu erkranken, drängt das Thema oft in die Tabuzone. Ist die Diagnose da, fühlen sich viele überfordert.

Um Ängste und Unsicherheiten rund um die Demenz anzugehen und aufzuklären, wurde 2008 in Bottrop die Demenzberatung gegründet. Anlässlich des Welt-Alzheimer-Tages am 21. Oktober sprach WAZ-Redakteurin Andrea Kleemann mit Amtsarzt Dr. Christian Marga, Dr. Astrid Danneberg, der Leiterin des Sozialpsychiatrischen Dienstes, und Katharina Prost, seit 1. Oktober neue Demenzberaterin im Gesundheitsamt, über die Hintergründe der Krankheit und die Erfahrungen aus dem Beratungsangebot.

Demenz gilt als Volkskrankheit. Wie viele Betroffene gibt es im Stadtgebiet?
Danneberg: Je älter Menschen werden, desto größer ist das Risiko, an Demenz zu erkranken. Bei den über 60-Jährigen ist jeder 20ste, bei den 90-Jährigen jeder zweite betroffen. In Bottrop gibt es rund 2400 Demenzerkrankte.

Wie äußert sich die Krankheit?
Marga: Einem Teil der Erkrankten gelingt es, einige Zeit eine Fassade aufrechtzuerhalten. Das zeigt sich auch in den Beratungsgesprächen. Auf den ersten Blick verrät oft nichts die Demenz. Doch wenn man dann mal

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genauer nachfragt, werden die Lücken auffällig. Dabei hat dies meist gar nichts damit zu tun, dass der Betroffene versucht, Gedächtnislücken zu verdrängen, sondern manches ist einfach nicht präsent - wie beispielsweise der Name des Hausarztes oder Vorerkrankungen. Die Antwort lautet dann zum Beispiel: Ich war eigentlich immer gesund - auch wenn das nicht stimmt.
Danneberg: Wenn eine Demenzerkrankung auffällt, so ist sie in aller Regel auch schon weit fortgeschritten.
Was ist Demenz überhaupt?
Marga: Demenz ist eine psychische Erkrankung, hat die Ursache im langsamen Prozess des Zellverfalls im Gehirn und ist nicht heilbar. Demenz ist der Oberbegriff für eine Vielzahl von Krankheitsbildern, die häufigste Form ist die Alzheimer-Demenz. Aber nicht immer sind Tüddeligkeit, Antriebslosigkeit oder Vergesslichkeit gleich Demenz. Wichtig ist, dass mitunter körperliche Erkrankungen wie beispielsweise Herzinsuffizienz, Schilddrüsenerkrankungen oder auch Vitamin-B-12-Mangel Symptome einer Demenz kopieren. Daher ist die genaue, umfangreiche Diagnostik sehr wichtig - nicht zuletzt, weil man bestimmte körperliche Erkrankungen so behandeln kann, dass die Demenzsymptome nicht mehr vorhanden sind.

Ein erster Schritt dazu ist die Demenzberatung. Was passiert da?
Danneberg: Wir führen etwa 150 bis 200 Beratungen pro Jahr an 34 Standorten von Kooperationspartnern - wie stationäre Pflegeeinrichtungen, Stadtteilbüros und Krankenkassen - im Stadtgebiet durch. Das Angebot ist kostenfrei. Betroffene wie Angehörige melden sich gleichermaßen. Wir beraten und testen, versuchen Unsicherheiten und Ängste zu nehmen. Das Gespräch dauert etwa eine Stunde.
Prost: Wir fragen nach der Krankengeschichte und Verhaltensauffälligkeiten. Dann folgt der Uhrentest, in dem Zahlen von eins bis zwölf eingetragen werden müssen. Es klingt einfach, doch es ist überraschend, welche Schwierigkeiten auftreten. Dann folgen weitere Tests mit 30 einfachen Fragen, beispielsweise, welche Lebensmittel man im Supermarkt kaufen kann oder welches Datum heute ist.

Und je nach Ergebnis des Tests steht dann die Diagnose „Demenz“ fest?
Danneberg: Nein, das Ergebnis ist ein erster Hinweis für das Vorliegen einer Demenz. Wir äußern lediglich einen Verdacht. Etwa zehn Prozent der Testungen sind positiv. Das Ergebnis teilen wir oder auf Wunsch auch den Hausärzten der Betroffenen oder Angehörigen in einem weiteren Gespräch mit. Dann schließt sich gegebenenfalls weitere Diagnostik durch Haus- und Facharzt an, denn organische Ursachen müssen ausgeschlossen werden.

Kann man Demenz vorbeugen?
Danneberg: Soziale Kontakte, gesellschaftliches Miteinander, kognitive Aktivitäten wie beispielsweise Lesen sowie Bewegung verzögern dementielle Erkrankungen. Je aktiver ein Mensch ist, desto geringer ist das Risiko. Da andere Erkrankungen wie Zuckerkrankheit und Bluthochdruck bestimmte Unterformen der Demenz nach sich ziehen, sollten diese genannten Krankheiten gut eingestellt sein. Natürlich gibt es genetische Veranlagungen, aber die Schwere und Schnelligkeit der Erkrankung lässt sich hinauszögern.

Und was kann man tun, wenn die Krankheit da ist?
Marga: Demenz ist nicht das Ende! Wir wollen helfen, dass Betroffene trotz Einschränkungen solange wie möglich selbstständig und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Und wir wollen auch Angehörige von Betroffenen beraten und unterstützen.
Danneberg: Auch wenn die Krankheit diagnostiziert ist, lässt sie sich durch Aktivität und Medikamente hinauszögern. Das Leben und die Ausdrucksweise verändern sich. Menschen entdecken plötzlich Fähigkeiten, von denen sie zuvor nichts wussten, werden beispielsweise musikalisch oder künstlerisch aktiv.

Welche Angebote für Demenzerkrankte gibt es in Bottrop?
Danneberg: Es gibt beispielsweise zwei Selbsthilfegruppen sowie Angehörigengruppen. Außerdem gibt es Info-Veranstaltungen und Fortbildungen für pflegende Angehörige, Gedächtnistraining, Nachbarschaftsschulung, Tanzen für Menschen mit Demenz, Museumsführungen oder Entspannungsangebote. Fragen beantworten natürlich auch wir im Gesundheitsamt.