Bottrop. . Nach Skandal um gestreckte Krebsmedikamente starten Selbsthilfegruppen eine Petition. Sieben Forderungen sollen Risiko für Betrüger erhöhen.
- Die Bottroper Krebsselbsthilfegruppen, das Selbsthilfebüro und der Paritätische haben eine Petition erarbeitet
- Sie stellen sieben Forderungen auf, die verloren gegangenes Vertrauen wieder aufbauen sollen
- Petition soll ab kommender Woche um Unterstützer werben
Hier, unter den Vertretern der Bottroper Krebsselbsthilfegruppen, kennt fast jeder jemanden, der von dem Apotheker-Skandal betroffen ist. Der seine Medikamente von der Bottroper Apotheke erhalten hat und nun in Sorge ist, ob die Wirkstoffe bei ihm richtig dosiert waren. Oder noch schlimmer: Er kennt Angehörige, die einen Krebspatienten betrauern und nun mit der Ungewissheit leben, ob sein Tod hätte verhindert werden können.
Etwa 10 Prozent der Patienten und Angehörigen aus ihrem Umfeld seien betroffen, schätzt Lisa Remmers von der Frauenselbsthilfe nach Krebs. Sie spricht davon, dass viele Patienten das Vertrauen in die Apotheker verloren hätten.
Verloren gegangenes Vertrauen wieder aufbauen
Die Bottroper Krebsselbsthilfegruppen, das Selbsthilfebüro und der Paritätische haben sich zusammengetan und eine Petition erarbeitet, die Fälle wie in Bottrop künftig verhindern sollen und dazu beitragen soll, verloren gegangenes Vertrauen wieder herzustellen.
Zur Erinnerung: Die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben gegen den Bottroper Apotheker Peter S. Sie wirft ihm vor, Krebsmedikamente zu niedrig dosiert zu haben und so die Patienten und Krankenkassen betrogen zu haben.
Position in Gesprächen erarbeitet
In Gesprächen mit Gesundheitsamt, Vertretern des Gesundheitsministeriums NRW und auch mit Vertretern des NRW-Patientenbeauftragten haben die Selbsthilfegruppen ihre Position erarbeitet.
Jürgen Heckmann von der Selbsthilfegruppe für Prostataerkrankte: „Zielrichtung für uns ist, eine Verbesserung der Situation zu erreichen. Das Risiko, bei einem solchen Betrug entdeckt zu werden, muss größer werden.“
System ist nicht auf Kontrolle angelegt
Bei ihrer Diskussion hätten die Teilnehmer deshalb auch immer wieder versucht, sich von dem Bottroper Fall zu lösen – obwohl der selbstverständlich immer im Raum gestanden habe. Friederike Lelgemann vom Selbsthilfebüro sagt dann auch: „Er zeigt eben Schwächen auf, von denen wir überhaupt nicht wussten, dass es sie gibt.“ Das System sei nicht auf Kontrolle angelegt. So hätten die Betroffenen etwa Fragen zu Zertifizierung oder Qualitätsmanagement.
Ganz oben steht die Forderung nach unangekündigten Kontrollen. Bisher wird nur nach Ankündigung kontrolliert und in großem Abstand, so Friederike Lelgemann. Außerdem sollten nicht verabreichte Infusionen konsequent auf Wirkstoffe getestet werden. Ein solcher Rückläufer spielt angeblich auch in dem Bottroper Fall eine Rolle. In ihm fanden sich wohl keine Wirkstoffe.
Unterstützung durch Krankenkasse
Hier erhalten die Bottroper Gruppen Schützenhilfe von Krankenkassen. So hat sich Dienstag der Vorstand der mhplus, Winfried Baumgärtner, in einer Presseerklärung geäußert: „Derzeit sieht das Verfahren bei der Herstellung von Zytostatika kaum Kontrollmechanismen durch Außenstehende vor.“ Mehr Transparenz und Kontrolle sei aus Kassensicht nötig.
Nicht alle Verantwortlichen sehen das so. So habe Dr. Reinhard Kaspar vom NRW-Gesundheitsministerium die Auffassung vertreten, die derzeit geltenden gesetzlichen Regeln reichten aus, berichtet Friederike Lelgemann. Damit konnte er die Gruppen nicht überzeugen.
Petition soll im Internet veröffentlicht werden
Die Bottroper Gruppen wollen ihre Petition in der kommenden Woche auf der Internetplattform des Bundestags veröffentlichen. Dort wollen sie dann möglichst viele Unterstützer gewinnen. So wollen sie erreichen, dass der Petitionsausschuss sich mit ihren Forderungen befasst.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Gerde habe ebenfalls seine Unterstützung zugesichert, so Andrea Multmeier, Geschäftsführerin des Paritätischen.
Die Forderungen der Selbsthilfegruppen
Das fordern die Selbsthilfegruppen in der Petition an den Bundes- und den Landtag im Detail:
1. Unangekündigte Kontrollen der Apotheken durch den jeweiligen Amtsapotheker. Das erhöhe das Risiko, erwischt zu werden.
2. Plausibilitätskontrolle von Wareneingang und -ausgang seitens des Finanzamts, so könnte auffallen, wenn mehr abgegeben wird als eingekauft.
3. Stichprobenartige Kontrolle von Rückläufern, wenn Patienten ihre Infusion etwa aus gesundheitlichen Gründen nicht bekommen können. Im Vorfeld sind solche Proben nicht möglich, weil das Medikament zerstört würde. Wird es jedoch gar nicht verabreicht, wäre eine Kontrolle möglich, so die Verfasser der Petition.
4. Mehr solcher Schwerpunktapotheken, um Monopole zu vermeiden.
5. Hinweisgeber besser schützen, etwa durch unangekündigte Kontrollen. So wäre dem Apotheker nicht sofort klar, dass, wenn die Kontrolleure anrücken, der Hinweis von Mitarbeitern kommen muss.
6. Eine Dokumentationspflicht wie beim Betäubungsmittelgesetz, so würde der Verlauf eines Wirkstoffs über die Verarbeitung bis zur Abgabe dokumentiert werden.
7. Die Herstellungszeiten der Medikamente müssen den Behörden bekannt gegeben werden, damit unangekündigte Kontrollen auch in den Produktionszeitraum fallen.