Bottrop. . Der Zustrom von Frauen, die Schutz vor Gewalt suchen, ist weiterhin ungebrochen.Doch die Hilfe ist für das Frauenhaus schwieriger geworden.
- 98 Frauen und 53 Kinder haben im vergangenen Jahr Schutz im Bottroper Frauenhaus gesucht
- Ihre Verweildauer dort wird immer länger, weil es kaum noch leerstehende Wohnungen gibt
- Die Probleme und rechtlichen Fragen der Frauen sind in den letzten 25 Jahren komplexer geworden
Ist das wirklich ein Grund zum Feiern oder sollte Bottrop nicht besser Trauer tragen? Das Frauenhaus wird in diesem Jahr 25 Jahre alt. Und der Zustrom von Frauen, die hier für sich und ihre Kinder Schutz suchen, ist ungebrochen. In den letzten zwei, drei Jahren gab es kaum einen Tag, an dem die Einrichtung der Awo nicht voll belegt war. Es gehört zum traurigen Alltag, dass immer wieder Frauen abgewiesen werden müssen. Das ist nicht nur in Bottrop so, sondern in allen Frauenhäusern.
Gründe kennen die Leiterin des Frauenhauses und ihre Kolleginnen viele für den großen Zustrom. Sandra Behrendt: „Die wirtschaftliche Situation in den Familien führt oft zu Gewalt.“ Dass auch immer mehr jüngere Frauen kommen, führt sie zum einen auf das Problem von Zwangsehen bei Migrantinnen zurück, zum anderen aber auch auf Änderungen bei Hartz IV mit der Folge, dass unter 25-Jährige in der Regel bei den Eltern wohnen müssen. Aber auch die Frauengeneration Ü50 ist heute im Frauenhaus anzutreffen. „Sie gehen von Zuhause weg, weil sie noch was vom Leben haben wollen“, sagt Sandra Behrendt.
2016 Zuflucht für 98 Frauen und 53 Kinder
98 Frauen und 53 Kinder haben hier 2016 Zuflucht gefunden, 5757 Übernachtungen gab es insgesamt. 18 Plätze hat das Frauenhaus. Zum vierköpfigen Team gehören auch die Sozialarbeiterin Neriman Ören-Murat und die beiden Erzieherinnen Anikó Balogh und Sylvia Rüdel, die sich eine Stelle teilen. Vierte im Bunde ist Birgit Groß als Hauswirtschaftskraft.
„Die Herausforderungen haben sich verändert“, sagt Doris van Kemenade, zuständige Fachbereichsleiterin bei der Awo Gelsenkirchen/Bottrop, mit Blick auf die 25 Jahre seit Gründung des Frauenhauses Bottrop. Sandra Behrendt: „Es gibt vielschichtige Problemlagen bei den Frauen. Überschuldung ist ein großes Thema, aber auch das veränderte Sorgerecht. Darf eine Frau sich vor ihrem gewalttätigen Ehemann verstecken und die Kinder mitnehmen?“
Höherer Aufwand als früher
„Der Aufwand ist viel höher geworden“, sagt auch Neriman Ören-Murat, die seit fast 15 Jahren im Frauenhaus arbeitet. Es gebe viele Sprachprobleme und neue rechtliche Fragen. Dazu gehört, dass EU-Bürgerinnen erst nach fünf Jahren Anspruch auf Transferleistungen haben – aber ohne Transferleistungen kein Anspruch auf Aufnahme im Frauenhaus. Oder die neue Wohnsitzauflage für Flüchtlinge: „Das heißt, dass ein Frauenhaus in einer anderen Stadt sie nicht aufnehmen kann.“
Das seien heute die Fragen, die sie und ihr Team beschäftigen, sagt Sandra Behrendt: „Wir arbeiten mit Ämtern aus ganz Bottrop zusammen.“ Wichtig vor allem auch wegen der steigenden Zahl von Flüchtlingsfrauen im Frauenhaus.
Frauenhäuser fordern Pauschalen
„Wir haben ein ganzes Bündel an Angeboten“, lobt Doris van Kemenade. Das Frauenhaus sei bekannt für sein gutes Netzwerk und unbürokratische Hilfen. Sandra Behrendt: „Man kennt einander.“ Doch auch das gute Netzwerk kann heute nur noch selten bei der Suche nach bezahlbarem Wohnraum, einem Platz in der OGS oder in der Kita helfen. Fehlende Wohnungen führen zu einer längeren Verweildauer im Frauenhaus.
Die Finanzierung der Frauenhäuser steht seit ihrer Gründung in der Kritik. Das Land trägt derzeit rund 60 Prozent der Personalkosten, bis Ende 2018 ist das gesichert. Darüber hinaus gibt es einen Tagessatz pro Bewohner, den sich die Stadt Bottrop von den Herkunftsstädten der Frauen wieder holen muss. Ein großer bürokratischer Aufwand. Die Frauenhäuser fordern seit Jahren eine einheitliche, bessere Finanzierung über Pauschalen.
Im November wird das Jubiläum gefeiert
Und es gibt ein neues Problem, das die Gründerinnen vor 25 Jahren nicht einmal erahnen konnten: Fast alle Frauen sind heute in den sozialen Medien unterwegs, was die Gefahr erhöht, dass sie gefunden werden können. Sandra Behrendt: „Die Frauen müssen heute nicht nur ihre Wohnung aufgeben, sondern auch ihr Handy.“
Den 25. Geburtstag wird das Frauenhaus übrigens im November groß in der Alten Börse feiern.
Das Frauenhaus Bottrop ist 24 Stunden am Tag unter der Rufnummer Tel. 40 92 03 zu erreichen.