Bottrop. . St. Cyriakus und St. Joseph müssen sich mit Zukunft beschäftigen. Eine Rolle spielt die Frage nach Schwerpunkten. Auch in Kirchhellen ein Thema.

Während die Pfarrei St. Cyriakus ihre Zukunftsentscheidung schon getroffen hat, steckt St. Joseph noch in den Überlegungen. Beide müssen ein Zukunftsszenario für ihre Gemeinden und Kirchen bis 2030 entwerfen. Und für beide ist es ein schmaler Grat zwischen der Trauer über Verlorenes und der Chance eines Neuanfangs.

Die stark rückläufige Zahl der Kirchenmitglieder und dadurch sinkenden Steuereinnahmen zwingen die Pfarreien im Bistum Essen, neue Chancen in diesen Veränderungen zu suchen. St. Joseph ist eine solche Pfarrei. Seit April 2016 setzen sich Gemeindemitglieder und eine Koordinierungsgruppe mit Entwicklungsmöglichkeiten auseinander. Roberto Giavarra ist Vorsitzender des Pfarrgemeinderats und von Anfang an an dem Prozess beteiligt, der bis Ende Januar 2018 abgeschlossen sein soll.

Koordinierungsgruppe arbeitet konkretes Konzept aus

Sehen, urteilen, handeln; hinter diesen Wörtern versteckt sich die Struktur des Prozesses. Giavarra und die Koordinierungsgruppe sind nun für die Ausarbeitung eines konkreten Konzeptes zuständig. Im Zentrum steht eine Frage: Wie wird es mit den neun Kirchen weitergehen, die der Pfarrei angehören?

„Es gibt noch keine Vorgabe, dass eine Kirche geschlossen werden soll“, sagt Giavarra hierzu. „Man kann sich aber vorstellen, dass wir es uns bei dem enger werdenden Budget nicht leisten können, alle neun Kirchen aufrechtzuerhalten.“ Konkret wird es hier erst in den nächsten Monaten. Die Absicht der Pfarrei ist es aber, an jedem Standort ein räumliches und personelles Angebot zu aufrecht zu erhalten.

Die Vision einer Sozialpfarrei

Roberto Giavarra hat eine ganz persönliche Vision: Er will eine Sozialpfarrei mit sozialen Schwerpunkten an jedem Standort entwickeln. Bereits in der ersten Phase des Prozesses konnte durch eine soziologische Erhebung festgestellt werden, dass es bei den Einkommen in der Stadt ein deutliches Nord-Süd-Gefälle gibt. Giavarra wünscht sich, die Pfarrei stärker in den Bottroper Süden zu bewegen.

Abgesehen davon träumt er von der Kirche als politisches Sprachrohr. „Wir reden hier aber nicht von einem parteipolitischen Konzept“, stellt Giavarra klar, „die Kirche soll als Stimme fungieren, um ihre eigenen Meinungen nach außen zu bringen“.

Kirche muss sich an heutige Zeit anpassen

Als unbedingt notwendig betrachtet der Gemeinderatsvorsitzende die Anpassung der Kirche an die heutige Zeit. „Wir müssen uns von der Komm-Kirche zur Geh-Kirche entwickeln“, erklärt Giavarra. „Wir können nicht darauf warten, dass die Leute zu uns kommen. Wir müssen zu ihnen gehen. Gerade für Kinder und Jugendliche müssen wir eine Motivation entwickeln, um sie nicht zu verlieren.“

Die Pfarrei St. Joseph hat noch sieben Monate vor sich, um sich auf ein Zukunftskonzept zu einigen. Eines stellt der Vorsitzende des Pfarreigemeinderates jetzt schon klar: „Wir müssen in Zukunft gesamtbottroperisch denken.“

Drei Kirchen der Pfarrei St. Cyriakus schließen

Die Pfarrei St. Cyriakus hat diesen Prozess bereits hinter sich. Vor einem halben Jahr wurde die zweite Stufe abgeschlossen und das Votum mit dem Zukunftskonzept an das Bistum Essen weitergeleitet. Seitdem steht es Schwarz auf Weiß: Die drei Kirchen Herz Jesu, St. Bonifatius und St. Elisabeth sollen bis zum Jahr 2030 geschlossen werden. Auch wenn dies für einige Gemeindemitglieder ein schmerzhaftes Anliegen ist, sprechen die Fakten für eine Schließung.

Der Trend zeigt, dass sich die jährlichen Kirchenbesuche von knapp 4600 im Jahr 1995 bis 2030 auf knapp 970 reduziert haben werden. Propst Paul Neumann stimmt der Unerlässlichkeit der Umstrukturierung zu. „Das ‚Zukunftsbild des Bistums Essen zeigt die Notwendigkeit, neue Wege zu gehen und kirchliches Leben neu zu gestalten“, schreibt er in dem Votum.

Prozess in St. Cyriakus begann im Frühjahr 2014

Der Prozess des Zukunftsdenkens begann in der Pfarrei im Frühjahr 2014. Da nun feststeht, dass drei von fünf Kirchen schließen müssen, ist es der Pfarrei wichtig, den Prozess in Zukunft mit der Gemeinde zu gestalten. Insbesondere die Jugendarbeit und der Einsatz für Menschen in seelischer und sozialer Not soll im Zukunftsprozess gefördert werden.

Propst Paul Neumann guckt positiv in die Zukunft. „Jeder Neuanfang ist zum einen ein schmerzliches Abschiednehmen von Liebgewonnenem und Gewohntem; er birgt aber zugleich die Chance, neue Akzente zu setzen, die den Menschen von heute gerecht werden.“

Kirchhellen gehört zum Bistum Münster – so läuft es da 

Um den Herausforderungen des gesellschaftlichen Wandels so gut wie möglich entgegenzutreten, müssen alle Pfarreien im Bistum Münster einen so genannten lokalen Pastoralplan erstellen. Dieser beschäftigt sich mit der Zukunft der Pfarreien im Hinblick auf drei Schwerpunkte. Im Gegensatz zu dem Pfarreientwicklungsprozess gilt dieser nur für fünf Jahre.

Konsequenzen können unterschiedlich sein

Zum einen geht es um die gesellschaftlichen und kirchlichen Entwicklungen und Veränderungen im Bistum Münster, die so wichtig sind, dass sie die Zukunft der Pfarrei beeinflussen. Weitergehend beschäftigen sich die Pfarreien dann damit, wie sie diese Entwicklungen und Veränderungen im Bezug auf das Evangelium deuten lassen. Daraus resultieren dann die Konsequenzen, die die einzelnen Pfarreien für sich verantworten und in ihrem lokalen Pastoralplan verankern müssen.

Diese Konsequenzen können ganz unterschiedlich aussehen. Von Investitionen in neue Kapellen bis hin zu der Schließung von Kirchen, wie es in Bottrop der Fall ist.

Interview: Bestimmte Gottesdienste werden besser besucht 

Katholisch und evangelisch - geht das zusammen? Ja, heißt es in dem neuen Abkommen der Bistümer, in dem es um die ökumenische Zusammenarbeit geht. WAZ-Mitarbeiterin Johanna Wiening sprach darüber mit Pastor Manfred Stücker von der Pfarrei St. Johannes der Täufer.

Wie wirkt sich das ökumenische Abkommen auf Ihre Pfarrei aus?

Wir sind schon seit längerer Zeit dabei, bestimmte Dinge gemeinsam zu tun. Gemeinsam haben wir einen ökumenischen Kinderkirchentag. Außerdem haben wir den Kontakt mit der neuapostolischen Kirche neu aufgestellt, weil ich glaube, dass sie uns neue Sichtweisen nahebringen kann. Dann haben wir natürlich auch Schulgottesdienste und Begegnungen auf persönlicher Ebene. Es gibt also schon eine ganze Reihe an Dingen, die man nicht immer direkt sieht, die aber tatsächlich passieren.

Gibt es auch Aspekte, die durch das Abkommen neu hinzu kommen? Bislang hat sich noch nichts Neues ergeben. Aber ich denke, wir sind auf dem Weg. Wir haben auch schon einmal überlegt, dass wir bestimmte Gottesdienste gestalten, aber die Terminabstimmung war schwierig. Wir sind noch im Gespräch, wie wir etwas institutionalisieren können, wenn es bestimmte Regelmäßigkeiten gibt.

Würden Sie sagen, dass es gut ist, die katholische und evangelische Kirche in manchen Dingen zu verbinden? Jede Kirchengemeinde hat natürlich ihr Profil und soll es auch behalten. Bei der Ökumene würde ich immer auch gucken, welche weiteren Glaubensrichtungen bereit zu einer Zusammenarbeit sind. Bis hin zu der Frage, wo es hier Muslime gibt und wie wir in Kontakt mit ihnen kommen. Einiges ist hier schon durch die Flüchtlingshilfe da.

Im Bistum Essen durchlaufen die Pfarreien momentan einen Pfarrentwicklungsprozess. Gibt es etwas Vergleichbares im Bistum Münster? Jede Kirchengemeinde muss einen lokalen Pastoralplan aufstellen, der für die kommenden fünf Jahre gilt. Dieser Plan soll zeigen, wo die Prioritäten gesetzt werden. Uns ist es wichtig, auch in der Flüchtlingsdebatte ein Zeichen zu setzen. Wir haben hier auf dem Gelände der Kirche zum Beispiel die Flüchtlingshäuser errichtet. Außerdem sollen alle Kirchen erhalten bleiben, weil sie Begegnungsmöglichkeiten bieten und für die Gottesdienste zentral sind.

Nochmal ein Wort zu den zurückgehenden Kirchenbesucherzahlen, die wir auch hier wahrnehmen. Es gibt dennoch Gottesdienste, in denen wir merken, dass da mehr Leute kommen, die sonst vielleicht nicht kommen würden. Man muss sich etwas einfallen lassen, man muss auch Leute ansprechen.

Gibt es noch weitere Herausforderungen, denen sich Ihre Pfarrei in Zukunft stellen muss? Ich kann jetzt natürlich nicht in eine Glaskugel blicken. Aber es gibt Beispiele in der Bibel, die uns helfen können. Wie die Josefsgeschichte. Josef in Ägypten wird darin mit einem Traum des Pharaos über sieben fetten und sieben mageren Kühe, sieben fette und sieben magere Ähren konfrontiert. Josef sagt, dass sieben fette und sieben magere Jahre kommen und für die sieben mageren Jahre vorgesorgt werden muss. Übertragen auf die Kirche hatten wir sieben fette Jahre oder haben sie zum Teil noch. Wir haben also durchaus Geld. Aber wir hatten auch fette Jahre in der Beteiligung der Leute. Es kommen auch sieben magere Jahre. Und Josef sagt, dass wir vorsorgen müssen. Da muss man eben gucken, wie man sowas aufbauen kann, was uns dann hilft, durch magere Zeiten durchzukommen.