Bottrop. . Inhaber richten darin eine kleine Wohnung und ein Nagelstudio ein. Auch ein Telefonkonzern nutzt die Landmarke auf dem Eigen als Funkzelle.

  • St.Paul war die erste Kirche Bottrops, die nach der Fusion der Pfarreien, abgerissen wurde
  • Doch der Kirchturm blieb auf Wunsch der Historischen Gesellschaft als Landmarke erhalten
  • Pläne für ein kleines Hotel in dem Kirchturm ließen sich schließlich doch nicht verwirklichen

Einen Kirchturm mit einer Hausnummer sieht man nicht alle Tage. Der Turm von St. Paul trägt jetzt eine: 14 a steht in weißen Ziffern und Buchstaben an seiner Ziegelsteinfassade. Darunter hängt noch das alte Blechschild, auf dem zu lesen ist: Das Fahrradfahren und Spielen auf dem Kirchenvorplatz ist nicht gestattet. Die neue Hausnummer muss schon sein. Denn der Kirchturm auf dem Eigen ist bald bewohnt.

Eine Wohnung und ein Nagelstudio richten seine Eigentümer gerade darin ein. Der kleine Turm an der Scharfstraße ist das Überbleibsel der Paulkirche. Deren Kirchenschiff und auch das Pfarrhaus rissen die Käufer ab und bauten vor wenigen Jahren auf dem früheren Kirchengelände 42 Wohnungen für Senioren und Menschen mit Behinderungen. Nur der Turm blieb als Landmarke stehen. „Wir hatten jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder wir lassen den Turm einfach so stehen und vor sich hin verrotten, oder wir nehmen Geld für die Renovierung in die Hand und machen ihn wieder nutzbar“, sagt Architekt Ricardo Langer.

Fünf Glocken läuten in der Spitze der Landmarke

Architekt und Mitinhaber Ricardo Langer nimmt eine Klangprobe im Glockenturm vor.
Architekt und Mitinhaber Ricardo Langer nimmt eine Klangprobe im Glockenturm vor. © Thomas Gödde

Einfach verfallen lassen wollten die Inhaber den Kirchturm allerdings nicht. Sie hatten zunächst sogar die Idee, darin ein kleines Hotel einzurichten. „Dann hätte man in Bottrop nicht nur in Betonröhren, sondern auch in einem Kirchturm übernachten können“, meint Ricardo Langer. Letztlich habe sich der Aufwand für die beiden Appartements dann aber doch als zu groß erwiesen.

Die Genehmigung für Wohnung erteilte die Stadt dagegen ohne weiteres Aufhebens. Auf die Erlaubnis die zweite Wohnung in ein Nagelstudio umzuwandeln, warten die Inhaber noch. Vermietet sind beide schon. Über eine kleine Einbauküche können beide Mieter dann auch verfügen. Als dritter Mieter nutzt ein Telefonkonzern den Turm auf dem Eigen für das technische Equipment einer Funkzelle. Die weiteren Stockwerke unter der Turmspitze, in der noch die fünf Glocken der abgerissenen Kirche hängen, können die Eigentümer nur als Abstellräume nutzen. Denn darin erlaube die Stadt Wohnräume nicht, zum Beispiel weil dafür dann Rettungswege fehlen, erklärt der Architekt. Im Kellergeschoss des Turms befindet sich schon seit längerem ein Raum, in dem der Hausmeister Utensilien für die Arbeit in den benachbarten Wohnhäusern unterbringt.

Eine Installation aus dem Glas der Kirchenfenster

Eine Küchenzeile ist in jedes Appartement in dem alten Kirchturm eingebaut.
Eine Küchenzeile ist in jedes Appartement in dem alten Kirchturm eingebaut. © Thomas Gödde

Wie in den Neubauten hat der Architekt Gegenstände und Fensterteile aus der abgerissenen Kirche auch in dem Turm eingebaut. Ein Weihwasserbecken ist zum Beispiel darunter. Gleich hinter der Eingangstür im Erdgeschoss findet sich eine Installation aus Kirchenfensterglas, die von hinten beleuchtet wird. „Das ist der Eingang zu Hogwarts“, verweist Langer scherzend auf die Zauberschule in der Welt der Film- und Romanfigur Harry Potter. Ihm liegt zwar daran Andenken an die Kirche zu bewahren, allzu pathetisch soll dieses Anliegen aber nun auch wieder nicht erscheinen. Auch an der Fassade des Kirchturm sei noch eine Bronzetafel aus dem Altarraum der Kirche angebracht. Darauf steht: Lucida Coronata Sub Altare Dei Sedes Accerpistis Sanctae Dei Anno Dom 1953. Vor 64 Jahren also war die Kirche geweiht worden.

Der Kirchturm von St. Paul blieb nach dem Abriss der Kirche auf dem Eigen als Landmarke bewusst erhalten. Außer in der Nacht läuten seine Glocken auch heute noch täglich zur vollen Stunden. Zu Weihnachten 1956 erklangen die fünf Glocken zum ersten Mal. Jedes Jahr zu Heiligabend sind sie nun noch um 18 Uhr zu hören. An Silvester läuten sie um Mitternacht den Jahreswechsel ein. Das gesamte Glockenwerk in der Turmspitze an der Scharfstraße besteht aus fünf Gussstahlglocken, die vom Bochumer Verein gegossen und geliefert worden waren. Die größte C-Glocke wiegt etwas mehr als 1800 Kilogramm. Christus gestern, Christus heute, Christus in Ewigkeit, lautet ihre Inschrift.

Die Kirchturmuhr zeigt weiterhin die Zeit an

Einige Jahren blieben die Glocken still. Denn das Bistum gab die Kirche 2007 auf. St.Paul war die erste Kirche, die nach der Gründung der beiden Großpfarreien St. Cyriakus und St. Joseph abgerissen wurde. Das schuf Platz für teils sozial geförderte Wohnungen für Senioren und behinderte Menschen. Die Nachfrage war so groß, dass die Eigentümer doppelt so viele hätten bauen können.

Dass die Glocken nun wieder läuten, geht auch auf eine Bitte der Historischen Gesellschaft zurück. Die Historiker hatten sich bei Mitinhaberin Irmtraud Gormann-Ernst eingesetzt, dass der Kirchturm stehen bleibt. die Bauherren banden aber ohnehin auch möglichst viel aus der kleinen Kirche in den neuen Wohnpark auf dem Eigen ein. So zeigt die Kirchturmuhr die Zeit an. Teile der Glaskunstfenster von St. Paul erinnern ebenso an das frühere Gotteshaus wie Weihwasserbecken, alte Leuchter und das Kreuz. Zur Einweihungsfeier des Wohnparks im August vor fünf Jahren ließ Architekt Ricardo Langer dann auch alle fünf Glocken wieder ertönen.