Bottrop. . Mit Ende der Legislaturperiode verlässt sie den Landtag. Jetzt spricht sie über die Zeit in Düsseldorf, im Rat und hadert ein wenig mit der SPD.

2005 haben die Bottroper Cornelia Ruhkemper erstmals in den Landtag gewählt, zwölf Jahre später tritt sie nicht noch einmal als Direktkandidatin an. Stattdessen geht sie in den politischen Ruhestand. Zum Abschluss sprach sie mit WAZ-Redakteur Matthias Düngelhoff über ihre Zeit in Düsseldorf, die Arbeit im Rat und als Bürgermeisterin aber auch über die SPD vor Ort. Treffpunkt für das Gespräch war das Zukunftshaus der städtischen Baugesellschaft am Südring – ein Vorzeigeobjekt der Innovation City. Interessiert schaut sich die stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Klimaschutz, Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem kleinen Ausstellungsraum in dem vom Land geförderten Plus-Energie-Haus um, dem einzigen dieser Art im sozialen Wohnungsbau.

Wie wird eigentlich Innovation City auf Landesebene wahrgenommen?

Ruhkemper: Das ist ein Pfund, mit dem Bottrop wuchern kann. In den letzten Plenarsitzungen, in denen es um den Rückzug aus der Braunkohle ging, stand auch die Frage an, ob in dem Gebiet ein Zukunftsprojekt angestoßen werden kann. Und in dem Zusammenhang wird dann meist Innovation City und Bottrop als Beispiel genannt.

Auch im Ruhestand werde sie kein unpolitischer, desinteressierte Mensch werden, sagt die Abgeordnete.
Auch im Ruhestand werde sie kein unpolitischer, desinteressierte Mensch werden, sagt die Abgeordnete. © Heinrich Jung

Als es um die Frage ging, ob Bottrop sich als Innovation City bewirbt saßen Sie noch im Rat.

Und für mich war das Projekt anfangs eine Geschichte, die noch nicht greifbar war. Doch wie es sich entwickelt hat finde ich bemerkenswert und erstaunlich. Auch wenn sich die Zuständigkeit immer weiter verschoben hat und es auf Landesebene nun vor allem im Bauministerium und in der Staatskanzlei angesiedelt ist. Ich glaube übrigens auch, dass es ohne Innovation City keine so hohe Landesförderung für die Rathaussanierung gäbe.

Sie waren lange politisch aktiv im Rat und im Landtag, haben Sie sich in der Zeit eigentlich ein dickes Fell zugelegt?

Das muss man sich zulegen, trotzdem gibt es immer wieder Punkte, die einem nahe gehen. Es ist wichtig, sich eine gewisse Empfindlichkeit und Empfindsamkeit zu bewahren. Ein dickes Fell allein führt dazu, dass man sich mit einer gewissen Bräsigkeit über die Belange anderer Menschen hinwegsetzt.

Vor allem die Bottroper CDU hat zuletzt immer wieder versucht, es so darzustellen, als seien sie in der Legislaturperiode in der Versenkung verschwunden.

Es gibt ja den grundsätzlichen Trend, dass sich Menschen über Menschen äußern aber nicht mehr miteinander reden. Ich finde es nicht in Ordnung, wenn sich jemand ein Urteil erlaubt, ohne Kenntnis von der Arbeit zu haben. Man muss auch die Unterschiede sehen zwischen Abgeordneten, die der Regierungsfraktion angehören und denen der Opposition. Und ich kenne aus meiner Zeit ja beide Seiten. Außerdem wäre es nur fair, auch als Opposition anzuerkennen, wenn die Regierung etwas für Bottrop gutes entscheidet. Ich habe das durchaus gemacht, etwa als die Regierung Rüttgers neue Hochschulen gegründet hat und Bottrop Standort der HRW wurde. Bei der Abstimmung damals habe ich nicht mitgestimmt, weil die SPD gegen dieses Projekt war, ich aber wusste, dass Bottrop gute Chancen hatte, Hochschulstandort zu werden.

Welches politische Projekt hätten Sie denn in ihrer Zeit in Düsseldorf gern umgesetzt?

Ich habe mich unglaublich gerne für das Thema Gemeinschaftsschule eingesetzt. Bis wir Abgeordneten dann auch über Nacht vom Schulkompromiss mit CDU und Grünen überrascht wurden und die Gemeinschaftsschule dann nicht mehr Leitmodell der SPD in NRW war. Ein anderes Thema, was uns ja gelungen ist war die Abschaffung der Studiengebühren. Auch die Inklusion beschäftigt mich sehr. Sie ist richtig und wichtig, ich sehe allerdings auch, dass es schwierig ist einen so langanhaltenden Weg so schnell umzusetzen. Das müssen auch nachfolgende Generationen weiter vorantreiben.

Welche Themen warten denn auf den nächsten Landtag?

Ein strittiges Thema für den zukünftigen Landtag wird auch die Frage bleiben ob das Abitur künftig nach acht oder neun Jahren ansteht. Da läuft ja gerade auch das entsprechende Volksbegehren. Doch was in der ganzen Diskussion immer gerne unterschlagen wird, ist, dass die CDU-Regierung unter Jürgen Rüttgers die Einführung von G 8 beschlossen hat.

Kommt Bei ihnen nun Wehmut auf und wie sieht das Leben der künftigen Polit-Rentnerin?

Die Wehmut war eigentlich Anfang April bei der letzten Plenarsitzung groß, da hat man sich von vielen Leuten verabschiedet. es sind ja in der Fraktion viele Kollegen, die auch nicht mehr kandidieren. Und auch nach meinem Abschied im Landtag bleibe ich ja Beiratsvorsitzende beim Arbeiter-Samariter-Bund, dazu bin ich im Vorstand des Weiterbildungsinstituts Aktzuelles Forum NRW. Die organisieren Projekte für benachteiligte Jugendliche, etwa mit der Peter-Maffay-Stiftung. Ansonsten freue ich mich eigentlich auch auf den Ruhestand. Ich werde dadurch ja kein unpolitischer oder desinteressierter Mensch.

Gerechtigkeit stärker in Blick nehmen

Sie waren stellvertretende Vorsitzende der SPD, inzwischen stehen zwei Junge Frauen an der Spitze des Bottroper Unterbezirks, wie beurteilen Sie die Entwicklung?

Das ist landesweite sicher eine sehr seltene Konstellation, an zwei Händen abzuzählen. Ich glaube, mit Sonja Voßbeck wird ein neuer Stil Einzug halten, ich finde das gut. Sie tritt ja ein für eine Neuorganisation des Unterbezirks und hat als Stellvertreterin von Michael Gerdes bereits dran gearbeitet. Das ist auf jeden Fall ein richtiges und wichtiges Projekt an dessen Ende vielleicht auch die Fusion kleinerer Ortsvereine steht. Ich sehe es ja an meinen eigenen Ortsverein Stadtmitte. Wir sind in diesem Jahr so gut wie nicht kampagnenfähig. Außerdem wird es dann später sicher auch um die thematische Ausrichtung der Partei gehen.

Cornelia Ruhkemper vor dem GBB-Haus am Südring.
Cornelia Ruhkemper vor dem GBB-Haus am Südring. © Heinrich Jung

Was heißt das konkret?

Die Partei kann sich sicher anders ins Bild setzen und sie muss auch nicht unbedingt immer der gleichen Meinung sein wie die Ratsfraktion. Gerade Themen, die Martin Schulz angesprochen hat, also die Frage nach Gerechtigkeit, sollte die SPD wieder besetzen. Das gilt in vielen Dingen, etwa bei der Lohngerechtigkeit, der Bildungsgerechtigkeit oder auch bei der Gerechtigkeit der Lebensverhältnisse. Dieser Dingen sollte sich die SPD wieder annehmen und die Themen neben Innovation City in Bottrop wieder besetzen. Denn wir haben hier in der Stadt ungleiche Lebensverhältnisse. Es täte uns gut, wenn wie die Themen wieder stärker in den Blickpunkt nähmen und teilweise hat die Ratsfraktion damit ja schon begonnen. Ich könnte mir auch ein Projekt dazu vorstellen, das könnte genauso ein Zehn-Jahres-Programm werden wie Innovation City. In dem könnte man dann Wohnungs-, Schul- und Sozialpolitik enger zusammenfassen.

Ein drängendes lokales Problem sind aber auch die fehlenden Flächen für Gewerbe.

Das ist richtig und in dem Zusammenhang bin ich etwas überrascht, wenn über die RAG-Flächen diskutiert wird. Man darf ja nicht vergessen, dass das Land gerade eine Machbarkeitsstudie fördert, in der geprüft wird, ob sich dort ein Pumpspeicherkraftwerk realisieren lässt. Das finden eigentlich auch alle gut, man darf aber nicht vergessen, wenn das gelingt,

werden dafür auch Flächen benötigt. Die stehen dann für Gewerbe auch nicht zur Verfügung.

Sie haben ihr Ratsmandat aufgegeben um Jüngeren eine Chance zu geben und haben auf eine erneut Kandidatur für den Landtag verzichtet, können Sie gut loslassen?

Ja, das kann ich. Der Verzicht auf den Rat war eine gute Entscheidung, weil ja viele junge Genossinnen und Genossen sich zur Wahl gestellt haben und nachgerückt sind und was den Landtag angeht: Ich werde in diesem Jahr 63 und wir können einfach nicht wie der Teufel an unseren Ämtern festhalten, schon gar nicht in einer Partei, die für ein frühes Renteneintrittsalter kämpft.

Politik macht nicht nur Spaß, sie ist auch anstrengend

Sie kommen aus einer sehr politischen Familie, ihre Mutter war Bezirksvorsteherin in Mitte und stellvertretende SPD-Vorsitzende, wie sehr hat Sie das geprägt?

Nicht nur meine Mutter war aktiv, auch mein Vater war in den 60er-Jahren kurz Ratsherr. Zu der Zeit ist meine Mutter auch in die SPD eingetreten. Ich habe das immer mitbekommen und fand es spannend. Dazu kam, dass meine Großmutter ab den 30er-Jahren bis 1954 als Hebamme gearbeitet hat, eine Tante von mir war im mittleren Management bei Hertie und auch die andere Großmutter war berufstätig. Es gab viele starke, selbstständige Frauen, die mich geprägt haben.

1994 sind sie erstmals in den Rat eingezogen, wie hat sich Politik seither verändert?

Nach meiner Erfahrung ist sie intensiver geworden, die Beschäftigung mit den Problemen der Menschen ist intensiver und die Probleme sind inzwischen vielschichtiger und all das erfordert mehr Einsatz. Vielleicht ist das aber auch nur mein Eindruck aus dem Petitionsausschuss, an den sich die Bürger ja mit ihren Problemen wenden. Habe ich anfangs noch gesagt, dass Politik Spaß macht, so muss ich heute auch sagen, dass Politik anstrengend ist.

Sie wurden dreimal direkt gewählt und haben ihr Ergebnis jedesmal verbessert. Wie geht das?

Vielleicht ist es eine Frage der Verlässlichkeit und Ansprechbarkeit. ich bin ja seit 1994 in Bottrop präsent und war die erste Frau im Bürgermeisteramt. Aber ich musste mich bei sowohl 2007 als auch 2010 im Vorfeld gegen andere Bewerber in der Partei durchsetzen