Bottrop. . Es vergehen mehrere Jahre, bis anerkannte Flüchtlinge auf den Arbeitsmarkt vermittelt werden können. Bilanz nach einem Jahr Integration Point.

  • Knapp 700 erwerbsfähige Flüchtlinge sind bereits beim Jobcenter gemeldet
  • Fast 500 von ihnen müssen noch die vorgeschriebenen Integrationskurse besuchen
  • Der Integration Point an der Prosperstraße kümmert sich seit einem Jahr um Flüchtlinge

Es ist ein Kraftakt, den die Gesellschaft zu bewältigen hat: die Flüchtlinge zu integrieren und ihnen Arbeit zu geben. „Das ist kein Projekt, das in drei Jahren abgeschlossen ist“, sagt Thorsten Bräuninger realistisch, der Geschäftsführer des Jobcenters. Das hat vor einem Jahr zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit und der Stadt Bottrop den Integration Point an der Prosperstraße eröffnet, Anlaufstelle für Flüchtlinge auf dem Weg in den Beruf. Zeit für eine erste Bilanz.

Wenn man die Situation auf einem Zeitstrahl betrachte, ordnet Thorsten Bräuninger ein, dann habe man nach der Aufnahme der Flüchtlinge, Unterbringung und Anerkennung im Asylverfahren jetzt den Punkt „Sprachvermittlung“ erreicht. Danach folge auf dem Zeitstrahl die berufliche Qualifikation und am Ende die Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt.

44 „richtige“ Beschäftigungen

Bisher konnten 44 Flüchtlinge in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen gebracht werden, 18 davon in diesem Jahr. Das scheine wenig zu sein mit Blick auf die Gesamtzahlen, aber: „Der Personenkreis wächst von Monat zu Monat“, so Thorsten Bräuninger. 130 Personen befinden sich bereits in der Beratung der Arbeitsagentur, so deren Leiter Eugen Palm.

Mit Stand März 2017 hatte das Jobcenter 711 erwerbsfähige Flüchtlinge vom Sozialamt übernommen. „Wir haben das Bergfest schon hinter uns“, sagt Bräuninger. Rund 370 weitere werden in Kürze erwartet. Dazu kommen im Laufe des Jahres Personen aus dem Kreis der 180 Asylbewerber mit Wohnsitzauflage, die Bottrop zugewiesen werden. Etwa 85 Prozent aller Flüchtlinge kommen aus Syrien, berichtet Sebastian Bender, Teamleiter im Jobcenter.

Viele Flüchtlinge sind noch unter 25 Jahren

Rund 65 Prozent der Erwerbsfähigen seien Männer, knapp 30 Prozent unter 25 Jahren alt. Damit unterscheidet sich der Kreis der Flüchtlinge stark von den übrigen Kunden des Jobcenters, das sind nämlich normalerweise zur Hälfte Frauen und Männer und nur knapp 18 Prozent sind unter 25 Jahren alt.

„Das sind alles hochmotivierte Menschen, aber derzeit sind sie nur auf Helferniveau“, stellt Bräuninger klar. „Viele Geflüchtete waren Handwerker, aber das lässt sich nicht eins zu eins umsetzen“, erklärt Karen Lemmer, die als Beraterin im Integration Point sitzt. Eine Berufsausbildung mit Abschlüssen wie in Deutschland gebe es in deren Heimatländern meist nicht. Davon abgesehen seien diese Handwerker kaum auf dem technischen Stand der deutschen.

Und auch Hochschulabschlüsse, bis zu zehn Prozent der Flüchtlinge haben einen, seien oft nicht vergleichbar. Eine Aufgabe des Jobcenters ist deshalb, über eine mögliche Anerkennung früherer Abschlüsse zu beraten und zugleich Praktika anzubieten, um vielleicht auch neue berufliche Wege aufzuzeigen.

Ohne Deutschkenntnisse geht es nicht im Job

282 Flüchtlinge nehmen derzeit an einem Integrationskurs teil oder haben ihn schon hinter sich, knapp 500 müssen ihn noch machen. Die (vorgeschriebenen) Kurse vermitteln in sechs bis acht Monaten Grundsprachkenntnisse und Informationen über Geschichte, Kultur und Recht in Deutschland. Mehr Deutsch lernen sie anschließend in berufsbezogenen Sprachkursen und Praktika. Darauf können Ausbildung, Teilausbildung oder ein Job folgen. Viele wollen sofort arbeiten, sagt Karen Lemmer, Beraterin im Integration Point.

Swar Shekhmous (m.), Flüchtling aus Syrien, hat bei Jens Weyer (l.) von der Firma Seibel und Weyer Arbeit gefunden.
Swar Shekhmous (m.), Flüchtling aus Syrien, hat bei Jens Weyer (l.) von der Firma Seibel und Weyer Arbeit gefunden. © Winfried Labus / Achiv

„Es gibt eine große Bereitschaft bei den Arbeitgebern, Flüchtlinge einzustellen“, so Thorsten Bräuninger. Der anfänglichen Euphorie sei aber Ernüchterung gefolgt: „Viele haben gemerkt, dass es ohne Sprachkenntnisse nicht geht.“ Das fange schon damit an, dass die Beschäftigten wenigstens Warnhinweise verstehen können müssen, erklärt Sebastian Bender, Teamleiter im Jobcenter.

Fahrerlaubnis ist wichtig

Ein anderer Punkt ist die Fahrerlaubnis. „Der Führerschein aus dem Heimatland hat in Deutschland nur sechs Monate Gültigkeit und muss dann umgeschrieben werden“, sagt Karen Lemmer. Dafür ist dann eine Prüfung notwendig, für die aber oft das Geld und die notwendigen Sprachkenntnisse fehlten.

Es werden Arbeitskräfte gebraucht in Deutschland, so viel stehe fest. „Die Betroffenen haben noch ein langes Erwerbsleben vor sich“, erklärt Thorsten Bräuninger und hält auch deshalb eine längere Ausbildung der Flüchtlinge für sinnvoll. „Manche Berufsbilder verschwinden und neue kommen dazu. Man muss kontinuierlich lernen. Das gilt im übrigen auch für Deutsche.“

Ein Jahr Integration Point – das sei eine Erfolgsbilanz, meinen die Beteiligten. Den Erfolg messen sie dabei auch in der gelungenen Vernetzung der beteiligten Akteure. „Durch die räumliche Nähe gibt es einen reibungslosen Übergang“, stellt Thorsten Bräuninger fest. Davon profitierten vor allem die Flüchtlinge.