Bottrop. . Christine Deggerich pflegt schwerstkranke Menschen. Dreimal am Tag kommt sie ins Haus. Ihre Arbeit geht an die Substanz. Weinen gehört dazu.

  • Wer dem Tod nahe ist, wünscht sich meist, zu Hause nah bei den Liebsten sterben zu können
  • Pflegerin Christine Deggerich gehört als Palliativfachkraft zu jenen, die das möglich machen
  • Jeder muss sich sehr gut überlegen, ob er diese schwierige Aufgabe auch verkraften kann

Wer dem Tod nahe ist, wünscht sich meist, zu Hause sterben zu können. In vertrauter Umgebung, nah bei den Liebsten. Christine Deggerich (54) gehört zu denen, die das möglich machen. Als Palliativfachkraft beim Caritas-Pflegedienst kommt sie bis zu dreimal am Tag ins Haus. Sie wäscht und pflegt schwerstkranke und sterbende Patienten. Sie gibt nach Arztanweisung schmerzlindernde Infusionen. Hört zu. Und verfolgt den Grundsatz: „Ich begleite den Patienten auf seinem letzten Weg so, wie er es wünscht.“

Seit über 30 Jahren ist Christine Deggerich in der Altenpflege; vor fünf Jahren machte sie ihre einjährige Zusatzausbildung zur Palliativfachkraft. Dabei zögerte sie zunächst, diesen Schritt zu gehen. „Jeder muss sich gut überlegen, ob er diese Aufgabe verkraftet“, weiß ihre Vorgesetzte, die stellvertretende Fachbereichsleiterin Barbara Klaus. Die Fortbildung umfasst etwa spezielle medizinische Aspekte, Ernährung, den Umgang mit festen Zugängen für die Medikamentengabe (Ports), Rechtliches.

Mit dem Arzt wird die Notfallmedikation besprochen

Eine wichtige Aufgabe der Palliativschwester ist, Symptome zu kontrollieren. Hat der Patient Schmerzen? Ist ihm übel? Leidet er unter Atemnot? Unter Angst? Was braucht er, damit es ihm besser geht? „Mit dem Arzt wird auch die Notfallmedikation besprochen, damit ich in einer Krise sofort helfen kann“, ergänzt die Pflegerin. Sind die zu Pflegenden im Bottroper Palliativnetz eingeschrieben, kommt bei Bedarf rund um die Uhr ein Palliativmediziner raus.

Bei kleineren Tiefs mögen Aromatherapie-Öle helfen. Oder Handschmeichler bei unruhig suchenden Fingern. Immer dabei hat Christine Deggerich außerdem grüne Sorgenfresser-Täschchen. „Wir lachen auch zusammen“, unterstreicht sie. Hinter allem steht die Haltung, den Patienten seinen Weg möglichst selbstbestimmt gehen zu lassen. „Wenn etwa Katze und Hund ins Bett kommen sollen – dann kommen sie auch.“

Viel Aufklärungsarbeit gehört zu ihren Aufgaben

Der Patientenwille entspricht dabei nicht immer den Vorstellungen der Angehörigen. Sie nennt ein Beispiel: Ein Patient schreit. Nicht vor Schmerzen, sondern als psychischer Ausdruck, den er nicht kontrollieren kann. Medikamente würden beruhigend, aber auch betäubend wirken – das möchte er nicht.

„Es ist eine Gratwanderung mit ihm zu sprechen und sich zu einigen“, sagt Deggerich. Es kann ein Kompromiss gefunden werden, so dass der Patient die Medikamente über Nacht nimmt, somit auch ein paar Stunden Ruhe für die Angehörigen einkehrt. „Viel Aufklärungsarbeit gehört zu meinen Aufgaben, viel sprechen.“ Auch mit Hausärzten, Palliativmedizinern, Kliniken, Apotheken.

Pflegende und Patient müssen zueinander passen

Und nichts geht, ohne Vertrauen aufzubauen. Weshalb die stellvertretende Caritas-Pflegedienstleiterin Pia Wormuth zu Beginn eines Pflegeeinsatzes auch immer genau darauf achtet, dass Pflegende und Patient zueinander passen. „Der Patient kommt in eine Phase, wo er sich eventuell nicht mehr äußern kann. Da muss er mir trauen können, dass ich tue, was er wünscht“, betont Christine Deggerich. Wie lange ihre Einsätze vor Ort dauern, ist vorher nicht immer abzusehen. „Ich erlebe den Patienten jeden Tag anders.“

Manchmal wäscht sie ihm die Haare, wenn er sich dazu in der Lage fühlt. Kontrolliert die Infusion, setzt ihn auf Wunsch in seinen Lieblingssessel mit Blick nach draußen. Und manchmal ist viel mehr gefragt. „Ich habe immer die Möglichkeit, bei einem Patienten länger zu bleiben.“ Ihre Arbeit geht ohne Frage an die Substanz. „Weinen gehört dazu“, sagt sie schlicht. Und das Aussprechen unter Kollegen. Aber auch ein Gefühl, das ihr Stärke gibt: „Wenn der Patient geht, bin ich glücklich, dass ich ihm hab’ helfen können.“