Am 11. Januar 1923 marschierten französische und belgische Truppen im Ruhrgebiet ein. Das Stadtarchiv bereitet für das Kulturhauptstadt-Jahr 2010 die Ausstellung "Fremde im Revier" vor

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STADTGESCHICHTEWas heute undenkbar scheint, war von 85 Jahren Realität: Französische Truppen besetzen Bottrop und rufen den Belagerungszustand aus. Mit dem Einmarsch der Uniformierten am 11. Januar 1923 begann ein kurzes Kapitel der Stadtgeschichte, das der damalige Oberbürgermeister Dr. Erich Baur am 30. August 1925 für beendet erklären konnte: "Eine Last sind wir los", stellte er beim Truppenabzug fest. Nach Planung des Stadtarchivs wird die Ruhrbesetzung im Kulturhauptstadt-Jahr 2010 auch ein Thema sein im Rahmen der Ausstellung "Fremde im Revier. Franzosen in Bottrop und im Land zwischen Emscher und Lippe".

Stadtarchivarin Heike Biskup hat das historische Umfeld der Ruhrbesetzung recherchiert. Das Deutsche Reich war durch den Versailler Friedensvertrag nach dem 1. Weltkrieg zu erheblichen Kriegsentschädigungen in Form von Reparationszahlungen und Kohlelieferungen an die Alliierten verpflichtet worden. Die junge instabile Weimarer Republik konnte den Verpflichtungen nicht sofort und im vollen Umfang nachkommen. Anfang 1923 verzögerten sich ausstehende Lieferungen und Zahlungen. Dieses beantworteten die Franzosen und Belgier mit der militärischen Besetzung des Ruhrgebiets.

Mit Hilfe von Akten und Dokumenten aus dem Stadtarchiv lässt sich der erste Tag der Besetzung sehr gut rekonstruieren: Am frühen Morgen des 11. Januar 1923 waren es noch Gerüchte. Doch ab 9 Uhr war es Gewissheit, dass sich französische Truppen aus Sterkrade kommend nach Bottrop bewegten. Um 9.25 Uhr hielten französische Soldaten vor der Gaststätte Tenbrink auf der Osterfelder Straße.

Im Tagesbericht der Stadtverwaltung vom 12. Januar 1923 ist zu lesen: "Am 11. Januar nachmittags gegen 3 Uhr erschien ein französischer Oberst mit seinem Verpflegungs-Offizier bei dem Unterzeichneten und beantragte die Bereitstellung von Unterkünften für Mannschaften und Offiziere. Er forderte, scheinbar ausgezeichnet orientiert, für 4 Batterien - 550 Mann - Unterkunft in der Agathaschule an der Passstraße, für 3 Batterien mit Motoren - 250 Mann - Unterkunft in der Glückaufschule an der Prosperstraße, und wenn dort die Unterbringung nicht möglich sei, für den Rest Unterkunft in der Schule auf der Bette. Außerdem wurden angefordert Bürgerquartiere für 40 Offiziere."

Doch die französischen Soldaten blieben nicht lange in der Stadt, machten bereits am 15. Januar Platz für die anrückenden belgischen Truppen. Vier Tage später befanden sich in Bottrop etwa 2200 belgische Soldaten. Für die Bottroper Bürger war die zweijährige Ruhrbesetzung ein großer Einschnitt in das alltägliche Leben. Privatbesitz und öffentliche Einrichtungen wurden beschlagnahmt, die Lebensmittelversorgung brach nahezu zusammen. Der tägliche Schulunterricht war zunächst nicht gewährleistet, da Schulen zu Quartieren umfunktioniert worden waren. Den Forderungen der Besatzungstruppen, die mit Beschlagnahmung der Zechen und Besetzung von Eisenbahnstrecken einherging, wurde massiver passiver Widerstand entgegengesetzt. Es kam wiederholt zu Sabotageakten. Führende Amtsträger der Stadtverwaltung und anderer Institutionen wurden verhaftet, so auch OB Dr. Erich Baur.