Weil in den Niederlanden der Cannabis-Anbau schärfer überwacht wird, versuchen immer mehr illegale Anpflanzer ihr kriminelles Glück in der Region Bottrop

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Sie hatten an alles gedacht. Das Quartett, welches bis zum November 2006 eine Marihuana-Plantage an der Werkstraße auf dem Eigen betrieb, hatte professionell gearbeitet. Luftfilter waren in der zur Zucht umgebauten verlassenen Lagerhalle verbaut, die verhindern sollten, dass der verräterische Geruch nach außen dringt. Drinnen sorgten sie mit Plastikplanen, Licht- und Wärmelampen sowie Ventilatoren für tropisches Wachstumsklima.

Als die Polizei die Bande aushob, war das Spektakel groß. Mit einer Ausnahme verhängte das Landgericht Essen im August 2007 hohe Haftstrafen. Doch abschreckend scheint das nicht zu wirken: Die Zahl der ermittelten Marihuana-Anpflanzungen sei im Polizeibezirk Recklinghausen/Bottrop im Vergleich von 2006 zu 2007 erheblich größer geworden, sagt Sprecher Andreas Weber. Von einer Steigerung von mehr als 100 Prozent ist die Rede.

Als besonders rege entpuppten sich Gärtner mit einer Vorliebe für Cannabis in Herten, wo allein vier Plantagen mit einer Größe von bis zu 220 Pflanzen durch die Polizei geschlossen wurden. Dadurch ließen sich illegale Netto-Einkommen von bis zu 100 000 Euro jährlich erzielen. Das Treiben auf zwei weiteren kleinen Plantagen (40 bis 80 Pflanzen) beendete die Polizei in Recklinghausen.

Im Bottroper Fall ging das Gericht gar von 13 Ernten aus, die 77 Kilogramm Marihuana im Gesamtwert von 270 000 Euro eingebracht haben dürften. Der Rauschstoff-Gehalt war zudem dank der professionellen Anbaubedingungen sehr hoch. Mit Kleinkriminalität hat das nichts mehr zu tun, weshalb das Gericht das Bottroper Gewächshaus-Quartett letztlich auch wegen bandenmäßigen Drogenhandels verurteilte.

Warum aber nimmt in Bottrop und Umgebung der Bau von großen Hanfplantagen vornehmlich in verlassenen Lagerhallen oder Keller von leerstehenden Häusern trotz drastischer Strafandrohung immer weiter zu? Die Erklärung dafür müsse man einige Kilometer westlich hinter der niederländischen Grenze suchen, sagt Norbert Klein vom Essener Rauschgift-Kommissariat, welches der Bande in Bottrop letztlich das Handwerk legte.

So hätten die niederländischen Behörden in letzter Zeit den Druck auf die Anbauer von Cannabis massiv erhöht. Gezielt suchen die dortigen Behörden mit an Hubschraubern montierten Wärmebildkameras nach möglichen Plantagen. Auch unerklärlich hoher Stromverbrauch wird an die dortige Polizei gemeldet. "Die Gefahr aufzufallen, ist dort erheblich gewachsen", sagt Klein.

Die Folge: Der Drogenanbau hat sich hinter die Grenze, also auch ins westliche Ruhrgebiet und nach Bottrop verlagert. Von hier aus werde das Cannabis zurück in die Niederlande geschmuggelt und in den dortigen Shops legal verkauft. Das Landeskriminalamt habe bereits reagiert, sagt Klein und der Polizei empfohlen, in den Präsidien Spezialisten auf das Thema anzusetzen.

Ein Anfangsverdacht sei dennoch weiterhin die Grundlage, um möglichen Cannabis-Gärtnern auf die Spur zu kommen, sagt der Recklinghäuser Polizei-Sprecher Weber. "Eine flächendeckende Fahndung mit Hubschraubern gibt es bei uns nicht." Ob und wie angesichts der steigenden Fallzahlen die hiesige Polizei verstärkt vorgehen wird, wollte Weber allerdings nicht verraten: "Polizeitaktische Gründe."

Fest stehe, dass Erwischte sich zusätzlich zur Haftstrafe auch darauf einrichten müssten, die illegal erwirtschafteten Erträge zurückzuzahlen. Im Bottroper Fall beispielsweise musste der Haupttäter 53 385 Euro in die Landeskasse zahlen. Seine Ernte ist somit nicht nur im Wortsinn in Rauch aufgegangen.