Über dienstrechtliche Folgen entscheidet jetzt der Vatikan

Das irdische Gericht, die V. Strafkammer des Essener Landgerichts, hat gesprochen. Jetzt wartet in Rom der Vatikan auf die Akten, um kirchenrechtlich zu entscheiden, was mit Horst G. (67), ehemals Pfarrer der St. Franziskus-Gemeinde in Welheim, zu geschehen hat. Und eine Essener Zivilkammer wird Schmerzensgeldansprüche seines Opfers, eines heute 26-Jährigen, prüfen, der als Kind vom Pfarrer sexuell missbraucht wurde.

Möglicherweise wird Horst G., der in seiner Gemeinde lange Jahre beliebt war, die nächsten rechtlichen Schritte aus einer Gefängniszelle heraus begleiten. Auf drei Jahre und neun Monate Haft wegen zehnfachen sexuellen Missbrauchs eines Kindes erkannte die V. Strafkammer am Montag. Eine Strafe, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Im besten Fall wird der 67-Jährige auf offenen Vollzug oder gesundheitlich bedingte Haftunfähigkeit hoffen dürfen, wenn das Urteil rechtskräftig werden sollte.

Drei der angeklagten Fälle hatte der Pfarrer im Prozess gestanden und anklingen lassen, er sei verführt worden, sei auf der Suche nach Wärme und Zuneigung gewesen. Das Urteil reduzierte ihn dagegen auf „sein Streben” nach der „Erfüllung eigener sexueller Wünsche”. Richter Staake: „Er ist kein Opfer, sondern einer der Straftäter, die wir gewöhnlich hier haben.”

Wenig Eindruck auf das Gericht machte das letzte Wort des Pfarrers. Vielleicht bewegten ihn die zahlreich erschienenen Mitglieder seiner ehemaligen Gemeinde zu einem ganz großen „mea culpa”. Es klang wie im Schuldbekenntnis, als er einen Zettel entfaltete: „Ich habe dem Jungen Schaden zugefügt, meine Gemeinde in die Krise geführt, viele Menschen enttäuscht und dem Bistum Essen Schande gemacht. Eine bestürzende und beschämende Bilanz habe ich vorzulegen.” Ständig hätten ihn seine Taten belastet, sagte er. Er habe die Schuld zu tragen, „sie auf mich zu nehmen”, versicherte der Pfarrer, bevor er schließlich alle um Verzeihung bat, „denen ich Schaden zufügte”. Und um ein „gnädiges Urteil” bat er.

Man mag es so nennen, nachdem Staatsanwältin Otte sogar viereinhalb Jahre Haft gefordert hatte. Allerdings hatte Verteidiger Fölting Bewährung beantragt: „Es nützt keinem etwas, wenn er hinter Gittern landet.” Der Beruf des Pfarrers sei unbedeutend, weil der Angeklagte sich am Kind einer befreundeten Familie vergangen habe. Privat also, nicht etwa an Pfadfindern oder Messdienern.

Vom Beruf des Pfarrers war im Urteil nur selten die Rede. Dafür geißelte Richter Staake die Doppelmoral, die im letzten Wort zum Ausdruck kam. Denn der Mann, der da alle Schuld auf sich nahm, hatte aus Sicht des Gerichtes im Prozess nur die halbe Wahrheit gesagt. Von „Verzerrung der Wahrheit” sprach Staake, nannte es „erbärmlich”, dass der Angeklagte sich als verführt darstellte, dass er fälschlich der Mutter des Jungen unterstellte, sie habe ins homosexuelle Verhältnis zwischen dem Pfarrer und ihrem Ehemann einbezogen werden wollen. Pfarrer Horst G. zeigte äußerlich kaum Regung beim Urteil. Als ihn danach ein Radioreporter fragte, ob er es annehmen wolle, guckt er nur kurz auf: „Kein Kommentar.”