Bottrop.. 1766 begann Friedrich von Wenge mit Hilfe dreier seiner Brüder den Bau von Schloss Beck. Zugleich begann die Industrialisierung.
„Brüderliche Freigebigkeit ermöglichte den Bau dieses Hauses“. Diese Inschrift an der Parkseite von Schloss Beck zeigt Friedrich von Wenges Dankbarkeit seinen Brüdern gegenüber: Sie hatten das Haus Beck von Schulden befreit.
Als Stammvater der Besitzer von Haus Beck hat Heimatforscher Johannes Rottmann Heinrich von der Beke ausgemacht, 1338 Zeuge einer Beurkundung in Kleve-Mark. Rottmann verfolgt die Linie weiter bis zu Adelheit von der Beke, die 1448 Manso von Heiden heiratete.
Deren Tochter Anna heiratete 1481 Bernt Droste. Deren Ur-Ur-Enkel führte wieder das Haus Beck im Namen. Jobst Henrich von Droste zu Beck führte den Familienbesitz mehr schlecht als recht durch die Wirren des 30-jährigen Krieges. Und wieder wurde Haus Beck in weiblicher Linie vererbt: 1660 heiratet Gertrud Elisabeth Droste zu Beck Bernd von Wenge. Die Wenges brachten auch neben den Vettern Friedrich und Franz große Namen hervor: Clementine von Wenge war die Mutter von Wilhelm Emmanuel Ketteler (1811 - 1877), Wegbereiter der katholisch-sozialen Bewegung in Deutschland. Und seine Schwester Sophie heiratete den Grafen Matthias von Galen und wurde Mutter von Clemens-August von Galen, Kardinal und „Löwe von Münster“
Zum Schloss gehörte Landbesitz in Kirchhellen, Gladbeck, Buer und Bottrop
Über die weibliche Linie vererbt wurde Schloss Beck noch einmal 1850, als der letzte Wenge auf Beck starb. Er vermachte Schloss und Titel dem Sohn seiner Schwester Mathilde, Gattin von Maximilian Werner von Wolff Metternich 1890 gehörten zum Stammsitz Beck die Häuser Brabeck und Vettenbocholt sowie rund 1000 Hektar Landbesitz; die Hälfte in Kirchhellen, der Rest in Gladbeck, Buer, Bottrop, Altendorf-Ulfkotte, Sevinghausen sowie in Wattenscheid. Johannes Rottmann gibt eine Erzählung wider, Paul Graf Wolff Metternich habe gesagt, er könne vom Vöingholz in Bottrop (Forsthaus Specht) bis Feldhausen über eigenen Grund gehen.
1958 trennte sich Karl Graf Wolff Metternich zur Gracht (1916 - 1983), unter Tränen vom immer weiter verfallenden Schloss Beck und verkaufte es an die Bergwerksgesellschaft Hibernia. Bei seinem Abschiedsbesuch bei Berger klagte er: „Ich kann das Haus meiner Väter nicht länger halten.“ Das Schloss verfällt weiter, bis die Kuchenbäckers es 1966 kaufen. Doch das ist eine andere Geschichte und soll nächstes Jahr erzählt werden, wenn der Freizeitpark 50 Jahre alt wird.
Architekt Johann Konrad Schlaun war ein Meister des Spätbarocks
Über die Architektur von Schloss Beck ist genug gesagt in den letzten Jahrhunderten und wird noch viel mehr gesagt werden, wenn das Schloss 250 Jahre alt wird. Deshalb nur einige Sätze über seinen Schöpfer: Johann Konrad Schlaun (1695 bis 1773)gilt als Meister des deutschen Spätbarocks von europäischem Rang.
Schlaun besuchte in Paderborn das Gymnasium und trat in die Dienste zunächst des Paderborner Regiments des Kurfürsten Clemens August von Köln und später des Bischofs von Münster. Clemens August macht ihn 1729 zu seinem Landingenieur und Generalmajor der Artillerie. Dass Architekten auch Militärs waren, war im Barock durchaus üblich. Seine architektonischen Wurzeln liegen im niederländisch-klassischen Barock. Zwischen 1722 und 1742 unternahm er zudem Reisen nach Italien, Frankreich und Süddeutschland. In Rom wurde er beeinflusst von den Bauten der Barockmeister Bernini und Borromini.
Schlaun erwarb sich den Ruf, elegante Raumfolgen zu bauen - sowohl bei der Planung einer Kaserne als auch bei der eines Schlosses.
1751 baute Schlaun die heutige Libori-Kapelle am Lippweg. 1766 beginnt er mit der Planung von Schloss Beck, ein Jahr später beginnt der Bau des fürstbischöflichen Schlosses Münster. Die Vollendung beider Bauten wird Schlaun nicht mehr erleben. Die Nachwelt feiert seine Kombination von Sandstein, rotem Klinker und weißen Fenstern als „Westfälische Sinfonie“.
Gründer der Antony-Hütte und Schloss-Beck-Bauherr waren Vettern
Sie waren Vettern, von der katholischen Kirche hoch dekoriert, waren jeder auf seine Weise höchst unternehmungslustig und prägen bis heute das Erscheinungsbild der Stadt. Friedrich von Wenge legte 1766 den Grundstein für das barocke Lustschloss Beck, sein Vetter Franz gründete acht Jahre zuvor die Antony-Hütte, den ersten Hochofen des Ruhrgebietes. Das war der Beginn des Industriezeitalters mit dem unstillbaren Hunger nach dem Rohstoff Sand, der in Bottrop bis heute gefördert wird. Sie waren nicht die einzigen Wenges, die Geschichte geschrieben haben. Der Heimatforscher Johannes Rottmann nennt sie „ein Geschlecht, farbig und lebendig. Sie haben Taten aufzuweisen.“
Franz, mit vollem Namen Franz Ferdinand Lambert Nicolaus Freiherr von der Wenge zu Enckingmühlen und Dieck (1707 bis 1788): Seine und Friedrichs Ahnen kamen aus dem Münsterland, hießen, so Rottmann, eigentlich Velthus und wechselten im 15. Jahrhundert bei der Umsiedlung nach Dortmund den Namen. Schon mit 29 Jahren war Franz Domkapitular des Hochstiftes Münster. Im Februar 1741 legte er beim Erzbistum Köln seinen Antrag vor, im Vest zwischen Osterfeld (heute Oberhausen) und Buer (heute Gelsenkirchen) nach eisenhaltigem Gestein suchen und vor allem graben zu dürfen. Der Kölner Kurfürst und Erzbischof Clemens August, der Herr des Vestes, erteilte ihm im Juli 1753 die Genehmigung für den Bau einer Eisenschmelzhütte.
1758 wurde der Hochofen in Sterkrade angeblasen
1754 wurde mit dem Bau am Elpenbach zwischen Sterkrade und Osterfeld begonnen, am 18. Oktober 1758 wurde der neun Meter hohe Hochofen angeblasen und gilt deshalb heute als die „Wiege der Ruhrindustrie“. Heute ist die „St. Antony-Hütte“ Sitz des LVR-Industriemuseums.
Friedrich Florenz Theodor Johann Raban Freiherr von der Wenge war Kurfürstlich Kölnischer Konferenzminister Gouverneur von Münster und Held des russischen Türkenkrieges von 1737 als Kommandeur der kaiserlichen Truppen unter Kaiser Karl VI. Dorthin abberufen wurde er übrigens in seiner Hochzeitsnacht. Die Vollendung hat der Bauherr von Schloss Beck nicht mehr erlebt. Er starb 1775, ein Jahr vor der Vollendung des Baus.
Kleine Geschichte der Sandgräberei in Bottrop und Oberhausen
Die „Wiege der Ruhrindustrie“, die Antonyhütte in Oberhausen, brauchte Sand als Form bei Eisen- und Stahlguss. Über Jahrzehnte lieferten ihn Bauern und Tagelöhner mit kleinem Grundbesitz aus eigenen Gruben. Sie schaufelten den Sand auf Pferdefuhrwerke und karrten sie zur Hütte. Die industrielle Sandgewinnung begann 1852 in Osterfeld.
Auf dem Gelände der heutigen Eislaufhalle des Revierparks standen die Arbeiter der „Kleine-Brockhoff GmbH“ in der Sandwand und stachen den Sand mit dem Spaten ab. Dieses Verfahren hielt sich über Jahrzehnte.
Straßennamen und Stadtteile erinnen an Sandabbau
1867 stieg Heinrich Dickmann am Donnerberg in die Sandgräberei ein (siehe oben rechts). Später stieg Wilhelm Kleinefenn ein. Die Bottroper und die Osterfelder Gruben erstreckten sich jeweils bis zu einer gedachten Verlängerung der Straße An der Kornbecke.1890 begann Kleine-Brockhoff mit der Erschließung einer weiteren Grube am Donnerberg. 1892 begannen Dickmann und Kleinefenn mit dem Einsatz von Feldbahnloks zum Sandtransport.
1901 bis 1903 wurde die Villa Dickmann errichtet, bis 1974 Sitz des Unternehmens Dickmann. Eigentlich heißt sie Villa Gertrude nach der Bauherrin Gertrud Dickmann, geb. Sandgathe. Ab 1911 werden in den Gruben Bagger eingesetzt. 1927 erschloss Kleine-Brockhoff eine Grube mit Bahnanschluss in Kirchhellen. 1968 wurde sie stillgelegt, heute liegen dort Teile des Friedhofes und der Sportanlage Loewenfeldstraße. 1965 wird die Osterfelder Grube stillgelegt, 1968 folgt die Grube am Donnerberg. An die Zeit der Formsandgräberei erinnern heute Straßennamen wie „Am Sandknappen“ oder „An der Sandgrube“ sowie der Name eines Stadtteils: Lehmkuhle
Heinrich Dickmann und die Chancen der Krise
Heinrich Dickmann (1808 - 1873), Gründer der gleichnamigen Sandgräbereidynastie, legte mit Beginn der Industrialisierung eine Karriere vom Tellerwäscher zum Millionär hin, Absturz und Neuaufbau inklusive. Er errichtete auch die erste Kiesgrube am Donnerberg.
Als Sohn eines Tagelöhners in Borbeck geboren, war Dickmann erst 14, als er nach Oberhausen zog und in die Dienste des Posthalters Krumpe tat. Postkutschen durfte er erst fahren, als er 17 wurde. In der Zwischenzeit organisierte und vergrößerte er die Pferdehaltung an der Barriere Oberhausen, Poststarion und Wegegeldstelle auf dem Gelände des heutigen Centro gegenüber dem Wasserturm.
Vertrag über die Unterbringung der Pferde die für Hüttenbetrieb nötig waren
Sein erster Erfolg: Er bekam einen Vertrag über die Unterbringung aller Pferde, die für den Betrieb der Hüttengewerkschaft Jacobi, Haniel und Huyssen gebraucht wurden, später groß geworden unter dem neuen Namen Gutehoffnungshütte (GHH). Dann wurde er selbst Posthalter, verköstigte Postpersonal und Passagiere als Wirt, übernahm 1839 die Poststation und gründete im selben Jahr sein Straßenbauunternehmen, das ab 1844 auch in den Bau von Eisenbahndämmen einstieg. Für beides brauchte er Sand und Kies.
Dafür pachtete er von Grafen Westerholt seine erste Kiesgrube. Am Bau der Köln-Mindener Eisenbahn, der ersten Bahn durch das Ruhrgebiet, verdiente Dickmann als Lieferant von Sand und Kies sowie von Holz für die Schwellen. Die Tannen dafür ließ er schlagen in einem Wald nahe des heutigen Bero-Centers in Oberhausen.
1870 kaufte Heinrich Dickmann den Armeler Hof in Bottrop
Nebenbei betrieb er eine Pferdebahn für den Bahnschluss der Hüttengewerkschaft, investierte in den aufblühenden Bergbau und baute Häuser. Als 1855 in Oberhause die ersten Hochöfen in Betrieb gingen, schloss Dicknann einen Vertrag, der bis 1933 bestand: Sein Unternehmen nutzte die Schlacke für den Straßenbau.
Die Vorläufer der ersten großen Wirtschaftskrise (1873 bis 1895) und der Strukturwandel des jungen Industriezeitalters trafen Dickmann mit Wucht. Post und Hütte kündigten die Verträge über die Pferdehaltung, Straßen- und Hausbau stockten. Dickmann verlor alle Bergbauanteile und fing 1867 neu an mit der Formsandgewinnung am Donnerberg. 1870 kaufte er den Armeler Hof und schloss sich zusammen mit Gerhard Kleinefenn, der seinen Hof in Osterfeld an die GHH verkauft hatte. Gemeinsam bauten sie Sand und Kies auf der Fläche des heutigen Revierparks Vonderort ab. Das geschah auf der Basis eines mündlichen Vertrages, von dem etliche Kunden gar nichts wussten - und der dennoch mehr als 100 Jahre hielt.
Was in Bottrop auf Sand gebaut ist
In den 1960er und 70er Jahren wurden die Sandgruben in Bottrop stillgelegt. Auf den verfüllten Gruben sind Parkanlagen entstanden wie der Revierpark Vonderort oder der Park der Villa Dickmann an der Bogenstraße. Weil die Industrie aber auch heute noch Sand und Kies braucht, entstanden neue Gruben in der Kirchheller Heide entlang des Alten Postwegs.
Eine Karte der Kies- und Sandgruben aus dem Jahr 1892 zeigt die Fülle der Sand- und Kiesgruben zwischen dem heutigen Revierpark Vonderort und dem Knappschaftskrankenhaus an der Osterfelder Straße.
Noch heute wird in Kirchhellen Sand abgebaut
Am Südring lag in unmittelbarer Nähe der Sandgrube der Westfälischen Sandgräberei von 1949 bis 1974 eine Eisengießerei. Dem Unternehmen war wenig Glück beschieden. Nach vier Jahren und einer Zwangsvollstreckung übernahm das Bottroper Eisenwerk Schulten und Berlet und verkaufte 13 Jahre später an die Essener Eisenwerke Schnutenhans & Linnmann. Sieben Jahre später werden die Gebäude abgerissen. Karstadt steigt in den Erbpachtvertrag ein und baut dort sein Warenlager.
Die Industrie braucht aber bis heute Sand und bezieht ihn inzwischen aus der Kirchheller Heide. Der Familienbetrieb Ellekotten, der am Kletterpoth gräbt, liefert zwar auch feinsten Reitsand, beliefert aber bis heute Gießereien bis nach Italien mit Formsand. Euroquarz-Tochter Colorquarz aus Hünxe liefert Bodenbeläge für Shopping-Malls in Moskau und Hongkong. Das 1938 gegründete Familienunternehmen Stremmer Sand + Kies baut beste Reitböden und lieferte die Grundlage für die Rekord-Sandburg im Duisburger Landschaftspark. Kunden sind aber auch Straßen-, Tief-, Hoch- und Landschaftbauer.