Bottrop. . Bisher haben die Retter oft mehr Zeit gebraucht als vorgegeben. Künftig müssen sie in 90 Prozent der Fälle in zehn Minuten vor Ort sein, aber mit mehr Kräften.
- Feuerwehr legt neuen Brandschutzbedarfsplan vor
- Bisher braucht sie oft länger zum Einsatz als vorgegeben
- Nun bekommen Retter mehr Zeit, müssen aber mit mehr Personal kommen
Wenn’s brennt, kommt die Feuerwehr – so weit so einfach. Doch hinter jedem Einsatz strecken klare Regeln und vor allem Ziele, die die Feuerwehr erreichen muss. So ist zum Beispiel genau festgelegt, wann sie mit wie vielen Einsatzkräften vor Ort sein muss. Diese so genannten „Schutzziele“ sind ein wichtiges Kapitel im Brandschutzbedarfsplan. Aber auch die technische Ausstattung, also etwa welche Fahrzeuge stehen der Feuerwehr zur Verfügung und wie alt sind die Wagen, sind Bestandteil eines solchen Plans. Aktuell berät die Politik in der Stadt über einen neuen Brandschutzbedarfsplan, den die Feuerwehr vorgelegt hat. Die WAZ beantwortet die wichtigsten Fragen rund um den neuen Plan.
Ist die Feuerwehr im vorgegebenen Zeitraum vor Ort?
Bisher war es so, dass die Retter in 90 Prozent der Fälle innerhalb von 8 Minuten mit zehn Leuten am Einsatzort sein mussten. Die Vorgabe gilt für Brände, bei denen Menschenleben oder große Sachwerte, etwa eine Wohnung, gefährdet sind, nicht jedoch für den kokelnden Papierkorb an der Bushaltestelle. Doch dieses Ziel wurde vor allem in den Außenbereichen der Stadt im Südosten und im Nordosten regelmäßig verfehlt. Knackpunkt ist ein Zwei-Minuten-Zeitfenster, denn nach zehn Minuten sind die Einsatzkräfte in ausreichender Zahl da.
Wie will die Feuerwehr in Zukunft vorgehen?
Im neuen Brandschutzbedarfsplan unterscheidet die Feuerwehr zwischen dem ländlich geprägten und nicht so dicht besiedelten Norden der Stadt und dem dicht besiedelten Alt-Bottrop mit seinen Industrieanlagen. Denn hier ist die Gefährdung durch ein Feuer größer. Feuerwehrsprecher Christoph Lang: „Im Norden gibt es vor allem Einfamilienhäuser. Da ist für uns ein Einsatz einfacher, etwa die Suche nach vermissten Personen. Die Grundrisse da sind bekannt, es leben auch nicht so viele Menschen in einem Haus wie in Mehrfamilienhäusern.“ Dementsprechend unterscheiden sich auch die Schutzziele, die die Wehr einhalten muss. In Alt-Bottrop muss die Feuerwehr künftig nur noch in 80 Prozent der Fälle innerhalb von acht Minuten da sein und in 90 Prozent der Fälle innerhalb von zehn Minuten – dafür aber mit mehr Kräften. Künftig rücken im ersten Schwung 14 Kräfte aus. „Damit können wir vor Ort Zeit aufholen, weil wir mit mehr Leuten angreifen können und beispielsweise Vermisste suchen können“, sagt Feuerwehrchef Kim Heimann. In Kirchhellen gilt künftig, dass die Feuerwehr bei allen relevanten Einsätzen in 90 Prozent der Fälle in spätestens zehn Minuten mit zehn Kräften da sein muss.
Ist das ein spezielles Bottroper Phänomen?
Nein, auch andere Städte ändern inzwischen ihre Schutzziele, etwa das vergleichbar große Remscheid. Auch dort muss die Feuerwehr nur noch in 80 Prozent der Fälle in acht Minuten da sein. Gutachter haben sich damit befasst und sind zu dem Schluss gekommen, dass es ausreicht. Und auch die zuständige Bezirksregierung in Münster sieht keine Gefahr. Sie hat den Brandschutzbedarfsplan, den die Feuerwehr vorgelegt hat, geprüft und hat keine Bedenken. Sie empfiehlt der Politik, den Plan anzunehmen.
Welche Schwierigkeiten hat die Feuerwehr bei ihren Einsatzfahrten?
Für die Feuerwehr sind, wie für viele andere Pendler auch, die Nord-Süd-Achse sowie die Ost-West-Achsen ein Problem. Die Straßen sind viel befahren und bei dichtem Verkehr steckt auch die Feuerwehr fest. Denn den Autofahrern fehlt oft auch der Platz, um eine Rettungsgasse zu bilden. Auch unübersichtliche Kreuzungen etwa von Horster und Germania-Straße bremsen die Einsatzkräfte. Deshalb prüft die Feuerwehr nun eine Vorrangschaltung bei Einsatzfahrten, vergleichbar mit dem System, das die Busse in der Stadt nutzen. So könnte sich die Feuerwehr eine grüne Welle schalten, der Verkehr vor ihr fließt ab. Sie hat dafür schon Kontakt mit der Vestischen aufgenommen. Doch auch andere vergleichbare technische Möglichkeiten werden geprüft. Zweiter Knackpunkt ist der Zustand einiger Straßen. Der ist so schlecht, dass die Feuerwehrwagen beschädigt werden. „Zuletzt hatten wir sogar Tankbrüche in den Löschfahrzeugen“, sagt Lang. Auch die Rahmen der Fahrzeuge werden in Mitleidenschaft gezogen. Folge: Die Feuerwehr muss langsamer fahren.
Genügt die Ausstattung der Feuerwehr?
Die personelle Ausstattung reicht, lediglich eine halbe Stelle für Aus- und Weiterbildung wäre nötig. Auch die Fahrzeugausstattung ist da. Das Problem ist, dass einige Wagen ihren Zenit überschritten haben, sprich längst abgeschrieben sind und ersetzt werden müssten. Bei einem Pkw oder Löschfahrzeug vielleicht kein so großes Problem, anders aber bei einer Drehleiter. Davon gibt es je eine in Kirchhellen und Alt-Bottrop und sie sind zwingend nötig. Je älter so ein Fahrzeug ist, umso häufiger fällt es aus, umso teurer wird der Unterhalt. Die letzte Drehleiter, die ausgemustert wurde, hatte 23 Jahre auf dem Buckel, eigentliche Lebensdauer sind 16 Jahre. Und auch die Leiter, die nun in Kirchhellen steht, ist da bereits drüber und mit der Ersatzbeschaffung wurde noch nicht begonnen. Die nimmt wegen der nötigen Ausschreibungen und Lieferfristen rund zwei Jahre in Anspruch.
Welche Rolle spielt die Freiwillige Feuerwehr in dem Plan.
Nach wie vor kommt die Berufsfeuerwehr nicht ohne freiwillige Unterstützung aus. Im zweiten Trupp, der anrückt, sind stets auch freiwillige Kräfte. Doch die Einsatzbereitschaft ist tagsüber nicht bei jeder Ortswehr sichergestellt, schließlich arbeiten die Mitglieder oft auswärts. Die Feuerwehr will deshalb verstärkt um Nachwuchs werben und entwickelt ein entsprechendes Konzept. Gleichzeitig will sie erreichen, dass die freiwilligen Kräfte mehr Wertschätzung erfahren, etwa durch Vergünstigen in kommunalen Einrichtungen.
Wird der Brandschutz damit in Bottrop teurer?
Ja, die Kosten steigen um rund 100 000 Euro. Der größte Batzen ist für die Aus- und Weiterbildung eingeplant. Denn Feuerwehrchef Heimann setzt noch stärker auf Qualifizierung. Und solche Angebote – etwa in Rotterdam ein Training für einen Chemieunfall – sind teuer, vor Ort aber so aufwändig nicht zu realisieren. Hier könne man keine Benzindämpfe entzünden oder das Löschen mit Schaum üben.