Der Auftakt der bistumsweiten „Sommerlichen Orgelkonzerte“ fand in der Liebfrauen-Kirche auf dem Eigen mit mehreren Solisten und Ensembles statt.
- Ein Konzert-Marathon eröffnete jetzt den sommerlichen Orgelzyklus in Liebfrauen
- Mehrere Künstler und unterschiedliche Formationen spielten bis kurz vor Mitternacht
- Die Solo-Abende beginnen am Mittwoch in der Kirche auf dem Eigen
Bottrop. „Orgel satt!“ Das könnte die Devise beim Auftakt der populären „Sommerlichen Konzerte im Bistum“, wieder einmal an den „Eigener Dom“ (Liebfrauen) vergeben, gewesen sein. Denn die einladende Ouvertüre zu diesem neuen Zyklus beanspruchte immerhin fast drei Stunden. Und da die meisten Gäste auch noch ein Essen „zwischendurch“ im benachbarten Gemeindesaal gebucht hatten (dazu vorab ein Glas Sekt), dauerte das vorzügliche Konzert mit 20 Werken bis nach 23 Uhr. Aber die Ausdauer lohnte sich. Für alle.
Exotisches für alle Register
Denn das dreiteilige Programm offerierte den Glanz der Sakralmusik und machte deutlich, wie das scheinbar nur noch historisch bedeutsame Kircheninstrument sich weltlich öffnet und es so unterhaltsam wie spektakulär, so kurzweilig wie bildhaft eingesetzt werden kann. Das wiederum war dem Alt-Organisten von Liebfrauen zu verdanken: Fritz Storfinger zog mit seiner Vorliebe für Unbekanntes oder erfrischend Exotisches alle Register – im wahrsten Sinne des Wortes (dazu mehr im zweiten Text).
Der erste Teil galt einem Duo der Extraklasse: Karla Schröter (Barockoboe) und Willi Kronenberg (an der „kleinen“ Orgel neben dem Altarraum), bekannt geworden u.a. als „Echo-Klassik“-Preisträger 2015, intensivierten das Interesse an inzwischen vergessenen Komponisten wie Johann Wilhelm Hertel (zwei Partiten, ein Trio für Oboe und Orgel), Adolph Heinrich Sponholtz (Choralvorspiel „Jesus meine Zuversicht“) oder Christian Gotthilf Tag („Nun danket alle Gott“). „Concert Royal“, so nennen sich die beiden Kölner Solisten, widmet sich gerade der „Musik der Empfindsamkeit“ – die Nach-Bach-Ära. Dass diese Komponisten, dazu gehören noch beispielsweise Gottfried August Homilius oder John Stanley, durchaus Eigenständiges und Qualitätsvolles geschrieben haben, belegten Schröter/Kronenberg mit ihrem artifiziellen, durchhörbaren und eleganten Spiel. Sie bleiben in der Tat „empfindsam“ auf der musikhistorischen Spur, vergessen darüber aber nicht das virtuose Element bei aller Gediegenheit der Vorlagen. Intelligent und ideal in der Klangbalance gaben die rheinischen Interpretatoren, die erstmals bei diesen Bistums-Konzerten mitwirkten, eine heutige Auskunft über die gestrige Moderne…
Der zweite Programmblock galt Max Reger, dessen 100. Todestag in diesem Jahr gewürdigt wird, und dem ebenfalls nur noch Insidern bekannten Camillo Schumann (1872 - 1946). Dessen 2. Orgelsonate (mit einer beachtlichen Fuge über B-A-C-H) besitzt im spätromantischen Kleid alles, was man mit der Orgel verbindet: volltönende oder registertypische Musik zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Regers Introduction und Passacaglia d-moll zählt zu den Klassikern dieses zu Unrecht oft noch verkannten Orchester- und Orgelmeisters. Bei diesen Stücken saß Siegfried Kühbacher (Bochum) an den Manualen der Seifert-Orgel: bestens prädestiniert für diese großvolumige, chromatisch aufgeheizte Musik. Für Kühbacher wie für „Concert Royal“ gab es anhaltenden Beifall.
Musikalische Entdeckungen
Wer Fritz Storfinger als Organist, Chorleiter und Musikhistoriker über Jahre hinweg begleiten durfte, der kennt dessen Archiv-Recherchen: Der Bottroper Kirchenmusiker greift überall gern zu, wenn er Stücke mit Unterhaltungsanspruch und überdurchschnittlichem Niveau in Hochschulen oder auf Aufnahmen entdeckt. Dieser Spürsinn garantierte beim Orgelkonzert-Start in Liebfrauen, wo Storfinger viele Jahre verantwortlicher Organist war, Ungewöhnliches, Seltenes. Aber mit Geschmack, Stil und einer Prise Entdecker-Neugier.
Den dritten Teil dieses „Sommerlichen Bistums-Konzertes“ gestaltete Storfinger mit dem Essener Solo-Trompeter Frank Düppenbecker mit großer Kenntnis der „Namenlosen“ mustergültig. Sie brachten Kompositionen von einem Mexikaner (Ramon Noble), einem Franko-Kanadier (Calixa Lavallee), zwei Amerikanern (Allen Vizzutti, David German), einem Waliser (Karl Jenkins), einer aus Usbekistan stammenden Australierin (Elena Kats-Chernin), einem deutschen Zeitgenossen (Hans-André Stamm) sowie von Traditionsgrößen wie Händel (Suite D-Dur) und Mendelssohn-Bartholdy (Allegro d-moll). Man staunte.
Weniger über Händel oder Mendelssohn, sondern vielmehr über die Wertigkeit bei der Phalanx dieser Entdeckungen. Das Elite-Duo Storfinger/Düppenbecker verstand sich prächtig und wischte bei allen Komponisten den Staub der Musikarchive weg. Hervor kamen dankbare, schöne, fröhliche, tänzerisch animierte oder feierliche, majestätische Stücke entweder nur für Orgel oder für die kammermusikalische Besetzung. Das machte Spaß, das weckte Interesse nach „mehr“.
Die sechs Soloabende finden ab dem 13. Juli jeweils mittwochs um 20 Uhr in der Kirche Liebfrauen, Bottrop-Eigen, am Nordring statt. Eintritt frei.