Bottrop. . Ein Wald dient vielen Ansprüchen. Revierförster Markus Herber versucht, sie alle unter einen Hut zu bringen.
Wälder sind wichtige Rohstoffquellen. Sie sind aber auch Erholungsorte, an denen es viel zu entdecken gibt. Es tummeln sich Füchse, Mader, Dachse und Wildschweine in der Kirchheller Heide oder dem Köllnischen Wald.
„Wir alle leben davon“, ein bekanntes Akronym für Wald, verdeutlicht seine Wichtigkeit. Trotzdem scheinen immer weniger Menschen einen Bezug zur Natur zu haben. Zumindest fühlt sich das für Markus Herber so an. Er lebt im wahrsten Sinne von der Arbeit im Grünen und kann also nicht darauf verzichten.
Als studierter Forstwirt ist Markus Herber ein Mann vom Fach, dennoch gibt es Ärger mit Anwohnern, wenn Bäume gefällt werden. Er hat seine Kindheit draußen verbracht und wehrt sich gegen die Vorwürfe ein abgeklärter Wirtschafter zu sein. „Ganz klar, wir sind auf Bäume geklettert oder haben Buden gebaut“, erinnert sich der 44-Jährige mit einem Lächeln, während sein Hund Carlo nach der Begrüßung in der gemütlichen Holzhütte wieder auf seinen Platz zurückkehrt.
Bestimmt kein Freifahrtsschein
Der Revierförster unterliegt strengen Auflagen und beachtet die seit 300 Jahren bestehenden Verordnungen der Forsteinrichtungen aufs Genauste. Wirtschaftliche Waldnutzung ist für ihn unbedingt von historischen Erholungswäldern zu unterscheiden.
Auch Artenschutzprogramme werden beachtet. Wenn sich zum Beispiel ein Wespenbussard, Uhu oder Specht in einen toten Baum einnistet, würde er sich bei einer Fällung sogar strafbar machen. „Natürlich bleibt der Baum stehen. Ganz egal wie alt oder tot er ist“, erläutert Herber entschlossen.
Alte Bäume müssen gefällt werden, da sie sonst absterben, ohne den Jüngeren genügend Platz zum Wachsen zu geben. „Viele Laien, die sich selbst für Experten halten, finden das schrecklich, aber die Alternative wäre, dass das Holz aus der Ukraine herangeschafft wird“, erklärt Herber. „Dort werden wegen mangelnder Kontrollen ganze Wälder kahlgeschlagen“, fährt er fort und ärgert sich über die unbegründete Wut, der er sich vonseiten der selbsterklärten Waldschützer ausgesetzt sieht. „Irgendwo muss das Holz ja herkommen, das für unsere Möbel und Öfen gebraucht wird“, meint der Revierförster. Der enorme Holzbedarf muss gedeckt werden. Auch beim Holzverkauf und der Pflanzenbeschaffung gibt es strenge Richtlinien, an die er sich zu halten hat.
Waldpflege und Holzernte
Nichtsdestotrotz ist dem Förster ein gesunder und frischer Wald wichtig. Nach 16 Jahren Berufserfahrung spricht Markus Herber immer noch leidenschaftlich von Waldpflege und Holzernte.
Gerade sind der Verkauf des im Winter abgeschlagenen Holzes und die Frühjahrsaufforstung abgeschlossen. Alljährlich anfallende Sturmschäden im Wald wurden beseitigt und der Boden so hergerichtet, dass wieder ein vernünftiger Wald mit Buchen, Kirschen und Douglasien wachsen kann. Um das Durchforsten zu erklären, benutzt Markus Herber schmunzelnd den altbewährten Vergleich zum Kleiderschrank: „Alles, was alt ist, wird rausgeschmissen. Die guten Sachen bleiben.“
Er selbst arbeitet unter dem Landesbetrieb Wald und Holz und vermittelt zwischen Forstämtern, Baumschulen und den 75 Waldbesitzern, denen er sein Fachwissen zur Verfügung stellt und denen die Zeit fehlt.
Dadurch ist Herber für 1900 Hektar Wald, also ungefähr 2500 Fußballfelder, verantwortlich. In seinem Revier kontrolliert er Bestände und markiert Bäume, die abgeschlagen werden sollen.
Die Liebe zum Beruf
Die Arbeit hat für ihn einen künstlerischen Aspekt. „Ich kann die Wälder formen und Strukturen schaffen. Da steckt viel Herzblut drin. Durch das Durchforsten kann man dem Waldboden Licht geben und ihn so gestalten, dass er sich optimal entwickelt“. Das ist für ihn spannend, aber im Wald zu sein, kann genauso gut entspannen. „Ich arbeite da, wo andere Leute sich erholen“, erklärt er zufrieden.
All das macht aber nur ein Dreiviertel seiner Arbeitszeit aus. Er freut sich, wenn die Erstklässler der Bottroper Schulen zu den alljährlichen Einpflanzaktionen des Waldpädagogischen Zentrums (WPZ) kommen. Trotzdem überrascht ihn die Unwissenheit mancher Schüler: „Viele Kinder kommen mit uns in den Wald und denken, dass es hier Löwen oder Bären gibt.“ Sie sollen ermutigt werden, sich häufiger in aufregende Waldabenteuer zu stürzen, auch wenn die Tiere nicht ganz so wild sind. Man kann eben nicht nur an einem blinkenden Display spielen und entdecken, sondern auch in der Natur. Dem Förster ist es wichtig, das zu vermitteln.
Die grüne Lunge Bottrops
Wussten Sie eigentlich, dass 23 Prozent der Stadt Bottrop aus Wald besteht? Der Köllnische Wald deckt den meisten Teil der Waldflächen in Bottrop ab und ist einer der größten zusammenhängenden, naturnahen Laubwälder im nordrhein-westfälischen Flachland. Er liegt zwischen Alt-Bottrop und Kirchhellen.
Freizeit und Kultur
Die vielfältigen Eichen- und Buchenwälder des Köllnischen Waldes weisen vielfach über 150 Jahre alte Baumbestände auf. Mit seinem Reichtum an verschiedenen Lebensraumstrukturen ist es ein sehr lohnenswertes Ziel für eine naturkundliche Wanderung. Dort findet man Ruhe und Erholung. Das zieht inzwischen nicht nur Radfahrer und Wanderer in das Naturschutzgebiet, sondern auch immer mehr Hobbysportler. Eingebettet in den Köllnischen Wald lockt die Halde Haniel mit einer Kulturarena und einem Pilgerpfad.
Außergewöhnliche Vegetation
Der Stadtgarten ist genauso schnell vom Köllnischen Wald zu erreichen. Die Parkanlage ist geprägt von vielen bunten Blumen und weiten Rasenflächen. Im Norden Bottrops befindet sich die Kirchheller Heide. Sie gehört zum Naturpark Hohe Mark und steht unter Naturschutz. Das Erscheinungsbild der Heide ist abwechslungsreich. Die Heide geht übergangslos aus dem Köllnischen Wald hervor. Besonders attraktiv sind die 100 Kilometer markierter Rad- und Wanderwege sowie ihre 23 Kilometer Reitwege. Genauso vielseitig wie die Natur gestaltet sich das Freizeitangebot um die Heide.
Hier befindet sich auch das umweltpädagogische Zentrum des Regionalverbands Ruhrgebiet (RVR). Damit der Wald den Bottropern auch über Generationen erhalten bleibt, setzt sich der RVR für eine nachhaltige und naturnahe Bewirtschaftung ein.
Was verbindet Menschen und Wälder?
Was verbindet die Bottroper eigentlich mit den 2500 Hektar Wald in unserer Stadt? Wir haben uns bei den Spaziergängern im Köllnischen Wald umgehört.
Dorothea (71) und Freimut (74) Scheepers sind fasziniert von dem regen Wandel der Natur. Sie beobachten gerne die Veränderungen. „Wenn ein Baum stirbt, ist das zwar traurig, aber falls er der Natur überlassen bleibt, bietet er kleinen Waldbewohnern einen Unterschlupf.“ Außerdem lieben sie die Waldluft.
Studierende greifen ein Thema auf
Seit fast zehn Jahren bietet die WAZ in Bottrop den jungen Leuten im Studiengang Journalismus an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen in einer Kooperation die Gelegenheit, praktische Erfahrungen mit redaktioneller Arbeit zu sammeln.
Dazu wählen sich die Studierenden selber ein Thema, das sie in mehrere Beiträge und Schwerpunkte untergliedern. Sie entwickeln mit Unterstützung der Redaktion daraus eine Serie und beginnen mit den Recherchen. Die Folgen erscheinen ungefähr im Wochenabstand und füllen in der Regel jeweils eine Zeitungsseite.
An dem gegenwärtigen Projekt nehmen teil: Stephan Diederichs, Lena Gerbig, Peter Krebber, Lukas Schepers, Patrik Stiller und Celina Winter.
Die von den Bäumen ausströmende Ruhe ist für viele ein Grund, sich in den Wald zurückzuziehen. So macht es Monika El-Hawari (73), die beinahe täglich im Wald ist. Für sie stellt ein gepflegter Spaziergang die Rettung vor dem Alltag dar. „Es ist etwas sehr Besonderes, in den Wald hineinzugehen und sich umzuschauen. Ich verbinde damit Erholung und tiefste Entspannung.“
Kim Mayer (22), Heike Krause (44) und Iris Köhler (53) verbindet die Leidenschaft zum Reitsport. Heike findet es einfach nur schön, durch die Natur zu reiten und streichelt dabei Hope die Mähne. „Man kann die Seele baumeln und die Sorgen zuhause lassen“, ergänzt Iris, während sie auf Molly thront. Kim teilt diese Meinung, ärgert sich aber über rücksichtslose Radler, die auch ihr Pferd Sky verschrecken können.
Gudrun Riering (61) geht in den Wald, sobald die Sonne scheint. „Dann heißt es: Raus in die Natur.“ Er gibt ihr Kraft, weshalb sie früher auch oft nach Bischofssondern geradelt ist. „Mein Favorit ist und bleibt aber der Köllnische Wald.“