Bottrop. Vor 340 Jahren wütete zum letzten Mal der Schwarze Tod in Bottrop. Die damaligen Dorfbewohner sahen die drastische Verkürzung der großen Flurprozession als Grund für den Ausbruch der Seuche
Im späten 14. Jahrhundert starb fast ein Viertel der europäischen Bevölkerung an den großen Pest-Epidemien. Die Krankheit hatte sich damals vom in dischen Subkontinent über den Seeweg von Indien nach Europa ausgebreitet und flackerte bis zum späten 17. Jahrhundert immer wieder mehr oder weniger stark auf. Bis heute erinnern viele Pest-Kreuze und -Kapellen an die Seuche, die oft ganze Landstriche, Städte und Dörfer fast menschenleer hinterließ. Denn wer sich nicht infizierte, floh vor der Krankheit. Die Krankheit bedeutete daher nicht nur Tod, sondern oft genug auch wirtschaftlichen Niedergang ganzer Landstriche. An den letzten großen Ausbruch des „Schwarzen Todes“ in Bottrop vor 340 Jahren erinnert bis heute das Pestkreuz auf der Gladbecker Straße, fast in Höhe des Eigener Marktes.
Der Ausbruch der Seuche hatte für die damaligen Menschen viele Gründe und Krankheit jeglicher Art wurde oft genug als Strafe Gottes angesehen. Als 1676 die Seuche erneut in Bottrop aufflackerte, meinte man rasch, die Ursache dafür gefunden zu haben: Die Gemeinde hatte einige Zeit zuvor die große Prozession, die traditionell am zweiten Pfingsttag gehalten wurde, abgeschafft - oder derart verkürzt, dass von „groß“ keine Rede mehr sein konnte.
Widerspenstige fromme Bauern
Der damalige gichtkranke Pfarrer von St. Cyriakus hatte gebeten, den einstmals 12 Stunden dauernden Umgang entlang der Kirchspielgrenzen zu kappen. Als dann einige Jahre später - trotz Pestkapelle mit den Schutzheiligen Ägidius und Rochus (der wird mit einer Pestbeule am Bein dargestellt) - die Pest ausbrach, glaubte man, den Grund für Gottes Zorn gefunden zu haben: Es gab keine Prozession mehr. Alte Chroniken berichten: „Gesunde und blühende Menschen fielen plötzlich unter dem Schnitt des Sensenmanns, in den Ställen sackte das Vieh vor den Trögen tot zusammen.“ Gott hatte anscheinend also Bottrop für das mutwillige Einstellen der Prozession gestraft.
Einwohner und der neue Pfarrer trafen Vorbereitungen. Mit Kreuz und Fahnen zog man wieder von morgens 5 bis nachmittags 5 Uhr durch die Felder. Die Pest wich. Der Streit um die Prozession schwelte aber weiter. Der nächste Pfarrer wollte wieder nur eine kleine Prozession. Das Dorf war gespalten. Der Streit eskalierte Pfingsten 1683.
Man sprach in den Nachbargemeinden schon von einer Bottroper Prozessions-Revolution und war neugierig angereist. Sogar Polizei aus Dorsten wurde abkommandiert. Es kam natürlich zum Eklat. Ein Teil der Prozession setzte sich am Randebrock Richtung Kirche in Bewegung. Die Bauern aus Welheim, Boy und Eigen rissen die Fahnen an sich und zogen weiter den alten großen Weg. Später entschied die vestische Obrigkeit, der Beschwerde der frommen Bauern statt zu geben. Das Urteil: Die Prozession muss auf dem großen Weg ziehen. Diese Tradition hielt sich bis ins 20. Jahrhundert.
Die Pestkapelle an der Aegidistraße verschwand. Das Kreuz stand bis 1907 vor dem Gasthaus Große-Beck und wurde dann an die heutige Stelle versetzt.