Bottrop. Das Jahresende war nicht nur besinnlich und feucht-fröhlich, sondern auch abfallintensiv. Zeit, mal wieder zur Endstation unserer Wegwerfgesellschaft zu blicken: das Müllheizkraftwerk Karnap

Müllheizkraftwerk Essen-Karnap: Kraftwerker Janus Jelen, Kranführer. Foto:Kerstin Kokoska/WAZ
Müllheizkraftwerk Essen-Karnap: Kraftwerker Janus Jelen, Kranführer. Foto:Kerstin Kokoska/WAZ © waz

Janus Jelen bekommt von morgens bis abends das vorgesetzt, was niemand mehr haben will. Der Kranführer sitzt auf einer Art Pilotensessel in einer klimatisierten Kanzel und schaut konzentriert durch ein feuerfestes Panoramafenster auf den Fußballfeld-großen Abfallbunker des Müllheizkraftwerks Karnap. Routiniert lässt er die sechs Greifarme seines Krans immer wieder durch die bunt gesprenkelte Landschaft pflügen. Er mischt, schafft Platz für neue LKW-Ladungen, bedient die Trichter der vier Kesselanlagen.

Wer Janus Jelen über die Schulter schaut, kann leicht erschrecken. Wenn man nicht gerade in Neapel lebt, verliert man das Gefühl für die gewaltige Müllmenge, die unsere Wohlstandsgesellschaft produziert. Nach den Festtagen ist es besonders schlimm. Tag für Tag rollen rund 450 Müllwagen aus Bottrop, Essen, Gelsenkirchen, Gladbeck und Mülheim in die Entladehalle nach Karnap, gleich hinterm südlichen Südrand, und kippen bis zu 3500 Tonnen Restabfall ab. Fast 700 000 Tonnen im Jahr kommen so zusammen. Faustregel: Jeder Bürger produziert 500 Kilo Hausmüll pro Jahr.

Die Müllmenge habe aber nicht zugenommen, sondern sei ziemlich konstant, beruhigt Reinhard Schlapka, Leiter strategische Abfallwirtschaft. „Man muss sich das so vorstellen: Früher haben die Leute weniger konsumiert und mehr weggeworden, heute verhält es sich eher umgekehrt.

Die Müllverbrennung in Karnap hat Tradition. Schon 1963 übernahm das dortige Steinkohlenkraftwerk die Mitverbrennung des Hausmülls der umliegenden Städte. 1987 wurde es durch ein modernes Heizkraftwerk ersetzt, das heute die Abfallberge in Strom für 16 000 Haushalte und Fernwärme für bis zu 50 000 Haushalte umwandelt und die Asche ebenfalls noch zu großen Teilen zu Baumaterialien aufbereitet. RWE Power ist Kraftwerksbetreiber und Besitzer, die so genannten Karnap-Städte, darunter Bottrop, sind beteiligt und halten die exklusiven „Veraschungsrechte”, sprich: Nur sie dürfen hier ihren Müll abladen. Da 2012 die Verträge verlängert werden müssen, prüfen die klammen Kommunen zurzeit, ob diese Verbindung für sie die billigste Lösung ist. „Ist sie”, glaubt Schlapka.

Müllheizkraftwerk Essen-Karnap: Schauluke zum Feuerraum. Foto:Kerstin Kokoska/WAZ
Müllheizkraftwerk Essen-Karnap: Schauluke zum Feuerraum. Foto:Kerstin Kokoska/WAZ © waz

„Nehmen Sie mal ne Nase”, verlangt Gregor Luthe, Diplom-Ingenieur beim RWE, und schiebt gleich hinterher: „Man riecht nichts.” Tatsächlich stößt das Müllheizkraftwerk nur Wasserdampf und Co2 aus, die Emissionen liegen dank moderner Filtersysteme weit unter den gesetzlichen Grenzwerten, besonderer Lärmschutz soll die Nachbarn in ihren angrenzenden Gärten schonen. „Die Anlage wird seit über 30 Jahren als Teil des Stadtteils wahrgenommen”, sagt Manfred Schäfer von RWE Power. Allein 130 Besuchergruppen im Jahr zeigten das Interesse am Kraftwerk und dem „Karnaper Jungen”, wie der 200 Meter hohe Schornstein im Viertel genannt wird. Es ist das höchste Bauwerk der Nachbarstadt.

Das Kraftwerk ist einst für 740 000 Tonnen Müll pro Jahr ausgelegt gewesen. Allerdings wird die volle Auslastung nicht mehr gefahren, da der Brennwert einer Tonne Müll heute zu groß geworden ist. Durch die Müllsortierung der Bürger gibt es immer weniger „Brennhemmer” wie Glas oder Konserven. Es wird sonst zu heiß im Kessel. Dass auch entzündliches Papier und Verpackungen heute recycelt werden, fällt da weniger ins Gewicht.

Da der Müll nur in Stichproben untersucht wird, „können wir nicht jede Batterie herausfischen”, bekennt Schäfer. Ihm graut deshalb vor einer Flut an Energie-Sparleuchten mit Quecksilber. „Ganz schwierig”, raunt er. Ganz von selbst löst sich das Müllproblem eben doch nicht. Nicht einmal in Karnap.