Bottrop. . Ein adeliger Priester floh 1792 vor dem Wüten der Revolutionäre nach Westfalen. Aus Dankbarkeit schenkte er St. Cyriakus zwei Kreuzsplitter.
Pilgern könnten Bottrops Christen an den Kar- und Ostertagen auch mitten in der Stadt und nicht nur auf der Halde. Die Kirche Heilig Kreuz, vor allem aber die zahlreichen Wegekreuze erinnern fast auf Schritt und Tritt an den Leidensweg Christi und dessen Auferstehung. Ereignisse von einst, die aber auch heute noch vielen Menschen Zuversicht, Halt und Sicherheit in ihrem Leben geben.
Segen nach der Freitags-Messe
Viel fassbarer mag das Kreuzesgeschehen für die Katholiken noch vor gut 50 Jahren in St. Cyriakus gewesen sein. Denn bis Anfang der 1960er Jahre zeigte man in der Kirche noch regelmäßig eine silberne Monstranz mit zwei kleinen Splittern des Kreuzes Christi. So jedenfalls erwähnt es eine wissenschaftliche Abhandlung über die vielfältige Kreuzverehrung in Westfalen, die 1960 erschien. Demnach sei die Reliquie nicht nur an Karfreitag gezeigt worden, sondern man habe nach vielen Freitagsmessen auch den Segen mit dieser Monstranz gegeben.
Heute ruht das Behältnis aus dem 19. Jahrhundert wohl verwahrt im Tresor von St. Cyriakus und die zugehörige Urkunde im Pfarrarchiv. Auch Propst Paul Neumann bekennt: „Ich habe in meiner Amtszeit die Reliquien-Monstranz nie liturgisch verwendet.“
Anlässlich der großen Bottroper Ausstellung im Kulturhauptstadtjahr 2010 über die Geschichte der Franzosen in der Region im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert griff Stadtarchivarin Heike Biskup nicht nur die Geschichte französischer Emigranten auf, die vor den Gräueltaten der Revolutionäre nach Bottrop geflohen waren. Sie erzählt im Buch „Franken und Franzosen im Vest“, das Hans Udo Thormann vor sechs Jahren herausgab, auch die Geschichte der Kreuzreliquie von St. Cyriakus.
Auf der Flucht in Bottrop gestrandet
Zu den Adeligen und Geistlichen, die im Vest Zuflucht gefunden hatten, gehörte nach 1792 auch Anna Julianus Josephus de la Bourdonnaye. Der 1745 in Rennes geborene Adelige war Priester und hatte vor der Revolution das Amt des Generalvikars des Bistums Cambrai und später auch in Nantes und Tours, aber auch politische Ämter, inne. Über die Niederlande war er auf seiner Flucht in Bottrop gestrandet. Dort wurde er offensichtlich so gut aufgenommen, dass er nach seiner Rückkehr 1802 beschloss, dem Ort und dem damaligen Pfarrer Klapheck, ein Geschenk zu machen: die Kreuzreliquie in St. Cyriakus.
Der Bottroper Heimatforscher Josef Bucksteeg vermutet – wie Heike Biskup in ihrem Aufsatz erwähnt – die Schenkung der Reliquie zwar durch einem anderen französischen Flüchtling der Revolutionszeit, Xaver Germain, der auf dem Bottroper Lochthof versteckt lebte. Aber dafür fehlten dann doch die Beweise, so die Stadtarchivarin. Von de la Bourdonnaye sind immerhin Urkunden zur Geschichte der Kreuzreliquie erhalten.
Spender beschwört die Echtheit
Eine der Urkunden der Kreuzreliquie im Pfarrarchiv von St. Cyriakus stammt von Anna Julianus Josephus de la Bourdonnaye selbst. Nachdem er 1802 einen Eid auf die neue Verfassung Frankreichs abgelegt hatte, wurde die Verfolgung gegen ihn aufgehoben. Noch im gleichen Jahr wurde er dann Generalvikar von Angers im französischen Nordwesten. Dort stellte er am 13. August 1806 die Urkunde in lateinischer Sprache aus, die heute im Pfarrarchiv liegt und in der er beschwört „dass diese Partikel aus dem Holz des hl. Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus in Kreuzform nachgebildet und mit rosafarbenem Seidenfaden gut befestigt und mit unserem zur Zeit gültigen Siegel bezeichnet wurden. Es ist in echtem Silber ausgeschlagen, kanonisch anerkannt, und kann zur öffentlichen und privaten Verehrung der Gläubigen ausgestellt werden. Wir haben es also zu diesem Zweck dem hochwürdigen Pastor von Bottrop in Westfalen geschickt(…).“
Drei Jahre später starb der ehemalige Flüchtling, der sich dankbar an seine Bottroper Zeit erinnert, auf dem Schloss seiner Familie bei Angers.