Bottrop. . Im Stadtteil ist die Trinkhalle immer auch eine Nachrichtenzentrale: Besuch an einem Fuhlenbrocker Kiosk. Neustart an einem traditionsreichen Standort mit ungewöhnlichem Kuh-Design.
Ach, dieser Anblick weckt Erinnerungen an die süße Kindheit. Veilchen im Bonbonglas mit der Nummer 28 und schräg darüber die Salmiakkugeln, die so schön den Gaumen kitzeln. Josie allerdings, mit ihren zwei Jahren jüngste Stammkundin hier, bevorzugt Ufos aus Brause und Esspapier. Ein glänzendes Geldstück hält sie in der Hand, als sie (mit Mama Anita Prüfer in sicherer Nähe) ihre Bestellung aufgibt – am Büdchen mit den auffälligen Kuh-Flecken im Fuhlenbrock.
Ein Kiosk-Design, das seinesgleichen sucht. Neues Fell – aber ein alter Stall, könnte man sagen. Inhaberin Sylvia Vick und ihr Mann Frank haben die Trinkhalle in diesem Herbst neu aufgemacht, vorher war sie eine ganze Weile geschlossen. Und davor wiederum, bei wechselnden Betreibern, lange geöffnet: „Ich bin 53, und so lange gibt es das Büdchen. Es gehört zum Stadtteil“, sagt Vick, der selbst als Junge seine Bonbons dort kaufte. Aus früheren Zeiten haben die Vicks auch erstmal die Öffnungszeiten übernommen: werktags ab 5 Uhr. „Die Kumpel haben sich mit Zeitung, Zigaretten und Feierabendbier versorgt“, erzählt Vick. „Wir haben aber festgestellt, dass heute nur noch zwei Mann auf diesem Weg zur Zeche gehen.“
Dafür kämen früh etwa Handwerker zum „K(uh)iosk“, für Kaffee und Brötchen. Spät am Abend sowie sonn- und feiertags seien auch mal Konserven oder Tierfutter gefragt. Und jederzeit ist ein Pläuschchen beliebt, wie mit dem Schalke-Fan, der ein freundliches „Moin“ in die Runde wirft. Aushilfe Yvonne Weniger weiß schon, was er begehrt: zwei belegte Brötchen und Getränke. „Du rechnest schneller als ich, schneller als die Kasse“, gibt sie ihm zum Abschied mit auf den Weg.
Zu anderer Stunde parkt ein Rollerfahrer vorm Kiosk, betätigt ohne Zögern die Klingel am Verkaufsfenster. Aha, wieder ein Stammkunde! Das stimmt, bestätigt Uwe Kantel. „Das Büdchen ist Kult. Ich war schon hier, da war ich noch so klein“, sagt der 51-Jährige, hält die Hand dazu in Hüfthöhe. „Als Kind habe ich Eis gekauft. Und Klümpkes – da wurde nicht so genau nachgezählt“, erinnert sich der Fuhlenbrocker mit einem Grinsen, das die Freude des kleinen Jungen von damals ahnen lässt. Heute sind’s eher Zigaretten und Brötchen, die ihn an diesem Kiosk Halt machen lassen.
Und die Gespräche. „Man hört immer wieder was Neues“, verrät Kantel. Das Büdchen als Nachrichtenzentrale des Stadtteils. „Quasseln gehört dazu“, bestätigt Manfred Herda (56), der mit einem entspannten „Mahlzeit“ ans Verkaufsfenster tritt. Regelmäßig trinkt er seinen Kaffee hier – auf dem Weg zur Reha bei der Knappschaft und zurück. „Ich wohne um die Ecke.“
Fuhlenbrock ist geradezu eine Büdchen-Hochburg, zwei weitere Trinkhallen liegen ganz in der Nähe. Andernorts aber werden auch welche geschlossen, die Konkurrenz durch Supermärkte und Tankstellen ist groß. Aber aussterben werden die Büdchen nicht, glaubt Herda – „selbst wenn die Supermärkte 24 Stunden geöffnet hätten“. Denn: „Am Büdchen ist es persönlicher.“