Bottrop. . Darin kommen viermal so viele Flüchtlinge unter wie in den anderen Unterkünften. Im nächsten Jahr verteilt die Verwaltung Containerwohnungen über das ganze Stadtgebiet

Der Saalbau wird die bisher mit Abstand größte Flüchtlingsunterkunft der Stadt werden. Bis ins Jahr 2017 hinein wird er als Unterkunft für Flüchtlinge dienen. 600 Menschen kommen mitten in der City unter. Im Saalbau nimmt die Stadt damit viermal so viele Menschen auf wie in ihren anderen Herbergen. In der Körnerschule leben 120 Leute. Im Spielraum des Jugendamtes an der Prosperstraße bekommen 150 Geflüchtete ein Dach über den Köpfen. Selbst die Erstaufnahmestätte des Landes an der Dürer-Schule ist mit 350 Plätzen kleiner. Bisher sollte die Unterkünfte nicht allzu groß werden. Verlässt Sozialdezernent Willi Loewen nun diese Linie? Nein.

Eine Notlösung

„Der Saalbau muss die Ausnahme bleiben“, appelliert ÖDP-Ratsherr Johannes Bombeck mit Blick auf die neue Größenordnung. Es habe sich bisher doch bewährt, Flüchtlinge möglichst dezentral in der Stadt zu beherbergen, betonte er. Den Saalbau und auch den Spielraum sieht Loewens Team aber ohnehin als Notlösungen an. „Kleine Einheiten zu schaffen, bleibt unser Ziel. Im Spielraum und im Saalbau wollen wir nur temporär, Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge organisieren, nur solange, wie wir keine anderen Optionen haben“, versichert der Sozialdezernent. Die Verwaltung plant daher, im nächsten Jahr die Asylbewerber in Containerhäusern unterzubringen, die über das Stadtgebiet verteilt werden. „Es kann keine dauerhafte Lösung sein, Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften zu lassen“, bekräftigt Loewen. Denn das wird auch zu teuer. Loewen macht deutlich, dass das Land die Stadt auf einem Großteil der Kosten in Millionenhöhe sitzen lässt. „Das ist nicht hinnehmbar. Die volle Durchleitung der Bundesleistungen an die Stadt ist zwingend“, fordert er.

Vorbildlicher Weg

Von der ÖDP kommt derweil erneut die Forderung, keine Stadtteile auszunehmen. „In Fuhlenbrock, in Vonderort, auf dem Kalten Eigen ist noch gar nichts“, meint ihr Sprecher, Johannes Bombeck. Der Ratsherr strich besonders den Einsatz freiwilliger Helfer in Kirchhellen heraus, die auf der Bredde beim Aufstellen der Holzhäusern für Flüchtlinge helfen. „Ich finde das klasse“, sagt Bombeck. Wie er dankt auch SPD-Ratsfrau Jutta Pfingsten den ehrenamtlichen Mitarbeitern, die sich um die vor Krieg und Elend geflüchteten Menschen kümmern, aber auch den Mitarbeitern der Verwaltung für deren enormen Einsatz.

„Ich bin sehr, sehr stolz auf meine Verwaltung“, schließt sich Oberbürgermeister Bernd Tischler an. Andere Städte informierten sich im Rathaus, wie Bottrop die Beherbergung von Flüchtlingen angehe. Tischler: „Der Bottroper Weg ist vorbildlich“.

Suche nach Ersatz läuft 

„Es gibt erheblichen Koordinierungsbedarf“, sagt der städtische Pressesprecher Ulrich Schulze, dessen Kollegen im Rathaus bereits rotieren am Tag nach der Ankündigung, dass im Saalbau ab Januar Flüchtlinge untergebracht werden. Mit Folgen für zahlreiche Veranstaltungen.

25 waren für 2016 im großen Saal geplant, berichtet Schulze, Verträge gebe es nicht für alle. Mit Konventionalstrafen rechnet er nicht. Letzte Veranstaltung wird am 13. Dezember das Weihnachtskonzert des Männerquartetts sein.

Der Neujahrsempfang des IGBCE-Bezirks Gelsenkirchen, der immer mit rund 800 Gästen im Saalbau stattfindet, muss verlegt werden. „Wir verhandeln schon über das Hans-Sachs-Haus oder das Theater in Gelsenkirchen“, erklärt Bezirksleiter Thomas Steinberg, der aber vollstes Verständnis hat: „Die Stadt kann die Flüchtlinge nicht im Regen stehen lassen.“

Betroffen ist auch das für Februar geplante „Weekend of Horrors“, das erst Anfang November im Saalbau stattfand und wieder für Februar beworben wird. Probleme bekommen wohl auch so einige Abiturienten, die hier im Juni ihre Abi-Feten feiern wollten. Auch die Willy-Brandt-Gesamtschule hatte angefragt, sich dann aber anders entschieden.

Das Kulturamt ist ebenfalls in Nöten, es hatte sich den Saalbau als Ausweichquartier und Probenort für den „Fliegenden Holländer“ gesichert. Der soll im Juni auf der Halde Haniel spielen, bei schlechten Wetter verlegt werden. Betroffen sind aber auch kleinere Veranstaltungen in den Nebenräumen, für die jetzt Ersatz gesucht wird.

„Wo sollen die Menschen denn hin?“ 

„Mein Gott, die Menschen fliehen vor Krieg, bekommt das mal in Eure Köpfe!“ Aber auch: „Es reicht!“. Auf unserer Facebookseite „WAZ Bottrop“ wird das Thema äußerst emotional und auch kontrovers diskutiert. Dabei wird in vielen Kommentaren die Angst geäußert, dass die Stadt dem Flüchtlingsstrom auf Dauer nicht gewachsen sein wird und die Bedürfnisse der Bürger zu kurz kommen: „Irgendwann geht es einfach auch nicht mehr.“ Doch in vielen Kommentaren wird auch dagegen gehalten. Der Saalbau, heißt es, stehe doch sowieso die meiste Zeit leer. Nun habe man eben eine sinnvolle Verwendung für das große Gebäude gefunden. Dass einige Veranstaltungen abgesagt werden müssen, wird nicht als besonders schlimm empfunden. Darauf könne man gut verzichten, um stattdessen „Menschen ein Dach über dem Kopf zu gönnen“. Es gibt aber auch den Tipp, einmal zu schauen, wie die Nachbarstädte die Problematik der Flüchtlingsunterbringung angehen. Man sieht: Das Thema polarisiert.