Bottrop. . Zwei Tage nach dem Urteil hat sich der Bottroper in der Haft erhängt. Der Bezirksbürgermeister: “Das Schlimmste, was der Familie passieren konnte.“

Fassungslosigkeit und Entsetzen, aber auch eine Welle des Mitgefühls für die Hinterbliebenen, hat am Donnerstag die Nachricht vom Selbstmord von Thomas S. ausgelöst. Er war am Dienstag vor dem Landgericht Essen zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden, weil er im Februar auf dem Bauernhof der Familie in Feldhausen seine Frau Andrea (35) erschossen haben soll.

Am Mittwochabend hat er sich in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Essen erhängt. „Das ist das Schlimmste, was der Familie passieren konnte“, sagt Kirchhellens Bezirksbürgermeister Ludger Schnieder. Die drei Kinder der Familie sind seit der Tat außerhalb Kirchhellens bei Verwandten untergebracht.

Verteidiger hatte bereits Revision eingelegt

Thomas S’. Verteidiger Hans Reinhardt hat am Donnerstagmorgen vom Selbstmord seines Mandanten erfahren. Er sei „entsetzt“, sagte Reinhardt dieser Redaktion. Für Montag sei er mit seinem Mandanten verabredet gewesen, man wollte das weitere Vorgehen beraten. „Wir hatten bereits Revision gegen das Urteil eingelegt.“

Der Tod seines Mandanten trifft ihn aus heiterem Himmel, denn: „Während der Verhandlung machte er einen stabilen Eindruck.“ Er habe kurz Kontakt zu den Angehörigen von Thomas S. gehabt, „die sind völlig am Boden zerstört.“ Angeblich, so Reinhardt gebe es einen Abschiedsbrief.

Bis zuletzt Unschuld beteuert

Die Bluttat im kleinen Ortsteil war seit der Entdeckung der Leiche von Andrea S. im Wohnzimmer des Hofes am 18. Februar Tagesgespräch und blieb es: In den folgenden Wochen durchkämmten Experten der Mordkommission immer wieder das Umfeld des Hofes auf der Suche nach der Tatwaffe. Die Feuerwehr war mehrfach angerückt, um bei der Durchsuchung eines Gülletanks nach der Waffe zu helfen (die WAZ berichtete). Und mit Beginn des Indizienprozesses vor dem Landgericht flammte das Interesse erneut auf: Bis zuletzt hatte Thomas S. seine Unschuld beteuert.

Verteidiger Hans Reinhardt hatte die belastenden Beweise immer wieder in Zweifel gezogen. Doch Richter Andreas Labentz hatte in seiner Urteilsbegründung am Dienstag vor zahlreichen Zuhörern aus Feldhausen eine klare Bilanz gezogen: „In der Gesamtheit sprechen die Indizien eindeutig für die Schuld des Angeklagten.“

Jetzt diskutieren die Menschen erneut: Spricht die Selbsttötung für oder gegen die Unschuld von Thomas S.? Justizmitarbeiter und Mitgefangene sind sich zumindest einig darüber, dass er aus heiterem Himmel kam. Beim Umschluss an seinem Todestag war er noch am Nachmittag zwei Stunden mit einem weiteren Häftling zusammen, ohne dass irgendein Hinweis auf eine geplante Selbsttötung erkennbar gewesen wäre, berichtet Detlef Feige, Sprecher des NRW-Justizministeriums. Und noch um 18.30 Uhr hatte ihn ein Psychologe begutachtet und „keinerlei Tendenzen“ in Richtung Selbsttötung feststellen können. Gut drei Stunden später, so das vorläufige Ergebnis der Ermittlungen, hat Thomas S. seinem Leben ein Ende gesetzt.