Bottrop. Die Bühne Cipolla und das Metropol-Ensemble stellen bei den 13. Bottroper Figurentheatertagen ihre Version des Krimis von Emile Zola vor. Die Livemusik entstand eigens für diese Erwachsenen-Inszenierung

Eifersucht, Mord, Lebenslügen: Das ist der Stoff, aus dem Emile Zola Ende des 19. Jahrhunderts seinen packenden Krimi „La Bête Humaine“ die „Bestie Mensch“ schuf. Eine Adaption des Romans steht jetzt als eines der drei großen Erwachsenenstücke auf dem Programm der 13. Bottroper Figurentheatertage, die am 10. September beginnen.

Hinter der „Bestie Mensch“ stehen Sebastian Kautz und Gero John von der Bühne Cipolla und dem Metropol-Ensemble, die die Vorlage auf ein Eifersuchts- und Verzweiflungsdrama zwischen drei Personen reduzieren - mit eigens dafür komponierter Musik für Cello und Keyboard. Für die zeichnet der Cellist Gero John - Mitbegründer des Metropol-Ensembles - verantwortlich. „Der Stoff ist heftig, die Musik sinnlich“, so bringt es der Bremer auf den Punkt, der seine Schauspielmusik für dieses Stück eher als konventionell denn als extrem avantgardistisch bezeichnet.

Den Gefühlszuständen Musik geben

„Meine Idee war, den Gefühlszuständen in den Szenen musikalisch Ausdruck zu verleihen, aber der Musik dennoch eine Eigenständigkeit zu zugestehen, sie sollte nicht nur illustrierende Untermalung sein“, sagt der Musiker. Dabei spiele er auch mit prägnanten Rhythmen, Jazz-Elementen und setze eine Loop-Station für klangliche Endlosschleifen und eben das Keyboard für Klavierklänge ein.

Beide Akteure, Sebastian Kautz als Spieler, der auch für die Bühnenadaption und Regie verantwortlich zeichnet, und Gero John sind ständig auf der Bühne präsent.

„Das war einmal eine Grundsatzentscheidung, ebenso, dass wir nur Literaturadaptionen für Erwachsene mit Livemusik spielen“, sagt Sebastian Kautz. Beide wollten sich nicht in Kasperletheater-Manie hinter einem Vorhang verstecken und alles kaschieren. Seine Ehrgeiz geht dahin, dass der Zuschauer irgendwann die Spieler verdrängt, obwohl er um die „Mechanik“ des Figurentheaters weiß.

Puppen haben etwas Gewinnendes

„Die Puppen haben etwas Gewinnendes, nehmen der Geschichte, die im Eisenbahnermilieu zur Zeit der Industrialisierung spielt, etwas von ihrer Grausamkeit“, sagt Gero John. Auch die Musik nehme das auf in ihren Rhythmen, Industriegeräuschen oder auch den Motiven, die den einzelnen Figuren zugeordnet seien.

„Natürlich, es sind auch die Deformationen dieser Menschen, die wir zeigen, die aber alle am Ende eigentlich alle nur geliebt werden wollen“, so Sebastian Kautz. Das Kalte, Berechnend-Brutale dieser zum Teil psychisch beschädigten Charaktere werde seines Erachtens auch durch die Puppen gemildert.

Die Marke „Bühne Cipolla“ gründete Schauspieler Sebastian Kautz, der auch als Maskenspieler bei „Familie Flöz“ mitwirkt, im Jahr 2011. „Bestie Mensch“ war nach Thomas Manns „Mario und der Zauberer“ - daher auch der Name „Bühne Cipolla“, denn so heißt der Zauberer in der Novelle - die zweite Umsetzung eines literarischen Klassikers für Figurentheater. Erst kürzlich hatte Stefan Zweigs „Schachnovelle“ Premiere. Diese Inszenierungen entstanden alle als Koproduktion mit dem Metropol-Ensemble von Gero John. Im Theater Duisburg gehören sie zu den regelmäßigen Gästen - auch in der neuen Spielzeit.

Für die Puppen stand der Expressionismus Pate

Für die Figuren der Inszenierungen der Bühne Cipolla zeichnet Melanie Kuhl verantwortlich. Sie arbeitet als Requisiteurin und Schneiderin bei der Bremer Shakespeare Company. Mit der Bühne Cipolla und dem Metropol-Ensemble verbindet sie inzwischen die dritte Zusammenarbeit.

„Ich habe für die Puppen schon genauere Vorstellungen“, sagt Sebastian Kautz. „Melanie macht dann eine Anzahl von Entwürfen und danach überlegen wir gemeinsam, natürlich auch mit Gero John, wie die Ästhetik der jeweiligen Produktion soll, denn es handelt sich ja um ein Gesamtkonzept aus Text, Bühne, Puppen und Musik, das am Ende steht “, so der Regisseur.

Für „Bestie Mensch“ schuf Kuhl scharf geschnittene, kantige Gesichter. Schon die Bilder zeigen, dass man sich am Expressionismus der 1910er und 20er Jahre, aber auch an der frühen Stummfilm-Ästhetik, orientierte. Ähnlichkeiten zu den harten Linien der Großstadtmenschen in den Bildern beispielsweise Ernst-Ludwig Kirchners sind nicht zu übersehen.

Krimi in der Eisenbahn

In diesem Krimi, der großenteils in der Eisenbahn spielt, sollte sich auch in den Figuren die Härte des frühen Industriezeitalters spiegeln, so Kautz. Selbst das Material, aus dem die Haare der Figuren hergestellt wurden, sind eher sperrige, ungewöhnliche Industrieprodukte, wie zum Beispiel kleine Schläuche.

Bis eine Produktion der Bühne Cipolla zur Premiere kommt, vergeht etwa ein Jahr. Ein neues Projekt sei derzeit noch nicht in Arbeit, sagt Sebastian Kautz. Aber er könne sich Kleist gut vorstellen, zum Beispiel „Michael Kohlhaas.“ - allein schon wegen „der wunderbaren Sprache“, Das heutige Team traf sich vor Jahren übrigens bei einer Thomas-Mann-Lesung.

Aufführung am Dienstag, 15. September, 19.30 Uhr im Kammerkonzertsaal, Böckenhoffstraße 30, 46236 Bottrop. Karten: Tel.: 02041-70 33 08.