Bottrop. . Für die RV Bottrop hat er den Kabinenwagen über fast eine Millionen Kilometer gesteuert. Ein paar Millionen Tauben hat er in dieser Zeit gestartet.
„Meine erste Fahrt war am 17. April 1964“, erinnert sich Alwin Schreyer. „Da habe ich den neuen Kabinenexpress von Paderborn nach Bottrop überführt.“ Dass er auch 51 Jahre später immer noch Fahrer des Taubenlasters der Bottroper RV sein würde und sein Jahre später geborener Sohn André ebenfalls, das hätte er selber damals am allerwenigsten erwartet. Heute Abend geht es für den inzwischen 78-Jährigen wieder los: eine kurze Tour nur mit Jungtauben, 220 Kilometer bis Gelnhausen, wegen der Wetterprognosen um einen Tag vorverlegt.
„Ich war noch ein junger Kerl“, erzählt Alwin Schreyer, als er von einem guten Bekannten und langjährigen Bottroper Züchter gefragt wurde, ob er nicht in Zukunft die Bottroper Tauben fahren wolle. Er stimmte zu und wurde vom RV-Vorstand angenommen. Das war, als die Bottroper Züchter beschlossen, ihre Tiere künftig nicht mehr in Körben mit der Bahn zu transportieren, sondern mit dem Lkw.
Früher fuhren die Tauben Bahn
Die ersten Spezialtransporter gab es schon Ende der 1950-er Jahre, Bottrop bestellte seinen ersten aber erst 1963, 1964 wurde der ausgeliefert. „Der Karosseriebauer Niggemeier hat den Aufbau gemacht“, weiß der Fahrer noch ganz genau. Er war damals Kraftfahrer bei der Bergwerksgesellschaft Hibernia, bis 1992 fuhr er für die Ruhrkohle. Alwin Schreyer hatte damals selber Tauben, kannte sich also gut aus.
„Die Tauben sind das wichtigste“, betont er, „der Fahrer ist nicht so wichtig.“ Deshalb gab es in den ersten Fahrzeugen aus Kostengründen auch keine Schlafkabine für die Fahrer. Den Tauben müsse es unterwegs gut gehen und sie müssten gut versorgt werden. Das bedeutet, dass bei längeren Touren, mit den älteren Tieren bis Bayern beispielsweise, die Vögel zwischendurch getränkt werden müssen. Am Auflassort muss der Laster bei geöffneten Jalousien ein paar Stunden stehen, damit Luft herein kommt und die Tiere sich beruhigen können. Sollte der Start wegen des Wetters um einen Tag verschoben werden, müssen die Tiere auch gefüttert werden. Elektronisch gesteuert, werden beim Auflass alle Klappen gleichzeitig geöffnet.
Die meisten Tiere hat Alwin Schreyer 1996 bei einer Fahrt nach Görlitz transportiert: 52 000 Tauben auf Laster und Anhänger. „Ein paar Millionen Tauben habe ich wohl gestartet in den 50 Jahren“, schätzt der Rentner. Fast eine Million Kilometer hat er in der Zeit mit den Tauben zurück gelegt. „Und ich hatte nie einen Unfall“, betont der Bottroper voller Stolz.
In der Saison an vielen Wochenenden unterwegs
Ein bisschen Wehmut überkommt Alwin Schreyer, wenn er an den Niedergang des Taubensports denkt. Als er anfing, hatte die RV noch 500 Mitglieder und 300 Aktive, war über Jahrzehnte die größte in Deutschland. „Heute hat die RV 205 Mitglieder und 98 reisende Schläge und ist nur noch die drittgrößte“, erklärt der RV-Vorsitzende Klaus Düngelhoff . „Aber es wird ja überall weniger.“ Auch die Maut, die nächstes Jahr kommt, wird dem Taubensport eher abträglich sein, erhöht sie doch die ohnehin nicht unerheblichen Kosten beim Taubensport.
Der neueste Kabinenwagen – schon 15 Jahre alt und von Schreyer liebevoll gepflegt – fasst maximal 2500 Tauben, weitere 2000 passen auf den Hänger. Tatsächlich aber ist das Gespann heute nur noch selten unterwegs. Irgendwann wird es keinen Nachwuchs mehr bei den Züchtern geben, ist sich Düngelhoff sicher. Eher unwahrscheinlich also, dass André Schreyer die 50 Jahre auf dem Taubenlaster ebenfalls erreicht. Auch er war Berufskraftfahrer im Bergbau, vermutlich vom Vater „infiziert“. Schon als Dreijähriger war er dabei, wenn der Vater den Wagen gewartet hat, fuhr schon bei kürzeren Touren mit.
„Ich habe das immer gerne gemacht“, sagt der 78-Jährige, auch wenn er zwischen April und September an vielen Wochenenden unterwegs war. Tatsächlich hätte er das aber nicht gekonnt, wenn seine Frau dabei nicht mitgespielt hätte. Hat sie aber. Und die Ehe währt schon länger als die Taubenfahrerei: 52 Jahre!