Die werdende Mutter bestimmt, wie die Entbindung verlaufen soll. Die Rolle der Geburtshelfer hat sich verändert. Chefarzt und Chefhebamme plaudern .


Der Kreißsaal von heute sieht nicht mehr aus wie ein steriler Operationssaal mit Fliesen an den Wänden und auf dem Boden. Und an den Tür kleben auch keine Schilder mehr, die den Vätern den Zutritt verwehren. Im Gegenteil: Heute sind die werdenden Väter ausdrücklich erwünscht und müssen sie sich eher rechtfertigen, wenn sie die Geburt ihres Kindes nicht live miterleben wollen. „Es hat sich alles extrem verkehrt“, sagt Dr. Hans-Christian Kolberg, Chef der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im Bottroper Marienhospital, und meint damit auch die Rolle, die die Geburtshelfer im Kreißsaal spielen: „Die Frau ist der Boss. Die beste Geburt ist die, bei der wir die Hände in den Taschen haben.“

Und weil die Gebärende im Kreißsaal den Ton angibt, ist alles erlaubt. „Die Frauen können ihr Kind im Sitzen, im Stehen, im Liegen oder beim Laufen bekommen“, sagt der Arzt – immer vorausgesetzt, medizinisch ist alles in Ordnung. In der Regel sind die werdenden Eltern gut informiert und wissen schon vorher ganz genau, was sie wollen.

Überraschender Heiratsantrag

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Manchmal haben die Eltern auch ganz spezielle Wünsche – so wie Jenny Warwel, die am Sonntag im Marienhospital ihr Töchterchen Juna zur Welt gebracht hat. Mit der leitenden Hebamme Ramona Jungmichel hatte sie schon vorher klammheimlich etwas verabredet.

„Wir sind schon lange zusammen“, verrät Jenny Warwel, die zufrieden schlafende Juna auf dem Bauch. Aber noch sind sie und Sascha Storp, der frischgebackene Papa, nicht verheiratet. Also hat sie einen Body mit der alles entscheidenden Frage gestaltet: „Papa??? Willst Du Mama heiraten?“ Als Juna da war, wurde Papa Sascha unter einem Vorwand aus dem Kreißsaal geschickt. Die Hebamme zog Juna den Body an und hat sie in die Arme ihrer Mama gelegt. Der frischgebackenen Papa hat Augen gemacht, als er die Überraschung sah – und natürlich „Ja“ gesagt. Hochzeit soll in einem Jahr sein.

Im Brautkleid in den Kreißsaal

Hebamme Ramona hat früher, als das noch wichtig fürs Sorgerecht war, sogar auch Hochzeiten im Kreißsaal erlebt. „Ich hatte auch mal eine Frau in Brautkleid im Kreißsaal. Die ist direkt von der Kirche aus gekommen“, schmunzelt die Hebamme. Das richtige Händchen hatte sie auch, als eine Gebärende sich von Céline Dion den Song „Titanic“ just für den Moment wünschte, wenn ihr Kind kommt. . .

„Die Frauen sagen was sie wollen“, betont Dr. Kolberg und bedauert ein wenig, dass sich viele nicht vorstellen können, ihr Kind im Wasser in der großen Wanne zu bekommen. Dabei sei diese Art der Entbindung sehr schonend. Allerdings auch nicht für alle werdenden Mütter geeignet. Die Mutter darf nämlich nicht schwerer als 100 Kilogramm sein, damit es nicht zu Komplikationen in der Wanne kommt.

Rund 900 Babys erblicken Jahr für Jahr im Marienhospital das Licht der Welt. 450 Gramm sind die Kleinsten leicht, 4500 Gramm die Schwersten. Das Perinatalzentrum Level I bringt dem Marienhospital auch Patienten aus einem Kilometer weiten Umkreis