Bottrop. . Prälat Rolf Linse (81) begründete das Spendenprojekt vor 43 Jahren, bis heute kamen 3,7 Millionen Euro zusammen, Bottroper Realschüler halfen dabei.

Prälat Rolf Linse erinnert sich genau: Es war der 15. August 1972, als er die Indienhilfe gegründet hat. „Angefangen hat alles damit, dass ein indischer Pater sechs Wochen lang bei mir gewohnt hat“, erzählt er. Um 6000 Mark, die fehlten für den Fortbestand eines indischen Hilfspropjektes, ging es damals. 43 Jahre ist das jetzt her. Inzwischen sind knapp 3,7 Millionen Euro in indische Hilfsprojekte geflossen.

Gast aus Indien bat um Hilfe

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1972 lebte Rolf Linse noch in Hattingen-Welper und unterrichtete als Kaplan katholische Religion in einer Realschule. Sein indischer Gast berichtete ihm aus seinem Kloster im Bundesstaat Kerala. Dort hatte ein emeritierter Professor ein Hilfsprojekt für 30 körperbehinderte Jungen ins Leben gerufen. Sie sollten im Kloster in drei Jahren zu Schneidermeistern ausgebildet werden, anschließend eine Nähmaschine erhalten, um dann in ihren Heimatdörfern eine Schneiderwerkstatt eröffnen und für ihren Lebensunterhalt sorgen zu können. Startkapital und laufender Unterhalt sollten aus dem Ertrag von 500 Kokospalmen und dem Verkauf der selbstgenähten Kleidung kommen. Doch nach zwei Jahren fehlte Geld für den Aufbau eines Ladens.

„Als ich hörte, dass es um 6000 Mark geht, musste ich lachen“, erinnert sich Prälat Rolf Linse. Aber die Zahl war korrekt. „Der Tagelohn eines Bauarbeiters in Indien betrug damals umgerechnet 2,30 DM.“ Die Spendensumme zusammen zu bekommen erwies sich als ein Leichtes. Lehrer Linse konnte seine Realschüler für einen Basar begeistern, die Pfarrjugend verkaufte Altmaterial, es gab eine Kollekte und kleine Spenden. 18 000 DM konnten damals nach Indien überwiesen werden, das Projekt wurde ausgeweitet. Bis 1985 wurden hier insgesamt 240 Jungen mit Behinderung zu Schneidermeistern ausgebildet.

Von 1977 an Realschulpfarrer in Bottrop

Nach mehrjähriger Tätigkeit als Seelsorger in Gladbeck – wo das Spendensammeln weiterging – kam Prälat Rolf Linse dann Anfang 1977 als Realschulpfarrer nach Bottrop. Hier wurde dann aus dem spontanen Hilfsprojekt die „Indienhilfe Bottroper Realschüler“, und es wurde weiter gesammelt. „Da ist die Indienhilfe dann erst richtig aufgeblüht“, erzählt Rolf Linse.

Und wiederum waren Schüler besonders aktiv. Bis zu seinem Ruhestand 1997 unterrichtete Rolf Linse an der Marie-Curie- und der Gustav-Heinemann-Realschule. Schüler sammelten Altmaterial, organisierten Spendenläufe, für die sie sich Sponsoren in Familie und Nachbarschaft suchten, es gab Ausstellungen und Vorträge, Kuchenverkauf bei Schulfesten und vieles mehr.

Viele Jahre vergingen, bis Prälat Linse das erste Mal selber nach Indien reiste. Zu groß war seine Sorge, dass die Spender wegen der Reisekosten auf falsche Gedanken über die Verwendung ihrer Spenden kommen könnten. Erst 1978 machte er sich das erste Mal auf die Reise, auf eigene Kosten natürlich. Fünf Mal begleiteten ihn später auch Bottroper Schüler.

49 Projekte laufen in Indien heute noch mit Hilfe aus Bottrop 

Nach dieser ersten Werkstatt für behinderte Jungen kamen weitere für behinderte Mädchen dazu. Weil es in Indien nur private Gesundheitsfürsorge gibt und keine staatliche, unterstützte die Indienhilfe ab 1978 auch den Bau von Krankenhäusern für Krebspatienten und Kinder. 49 Projekte in zehn Bundesstaaten vom Himalaya bis zur Südspitze Indiens werden auch heute noch gefördert. Alle stehen in Trägerschaft der katholischen Kirche. Weitere 30 Projekte haben die Bottroper angestoßen, sie laufen heute ohne weitere Förderung.

Wie schon seit Jahrzehnten steht Prälat Linse – bald 82-jährig – auch heute noch auf dem Bottroper Wochenmarkt (vor C & A). „Aber nur noch an jedem ersten, dritten und fünften Samstag im Monat“, sagt Linse, der hier früher jeden Samstag Transfer-Lebensmittel verkaufte. Projekte mit den Realschülern gibt es nicht mehr, auch keine Büchermärkte mehr im katholischen Stadthaus. Metall und Altpapier werden immer noch gesammelt. Rund 100 000 Euro können auch heute noch jedes Jahr nach Indien überwiesen werden. Seit mehreren Jahren stagniert das Spendenaufkommen in dieser Höhe. Eine stattliche Summe. Die knapp 3,7 Millionen Euro, die in den 43 Jahren gesammelt wurden, entsprechen in Indien einer Kaufkraft von etwa 45 Millionen Rupien – 91 Bauwerke könnten damit errichtet werden