Bottrop. Wie lebt es sich in Bottrop? Die Leserbeiräte der WAZ haben Fragen an Oberbürgermeister Bernd Tischler formuliert. Die Antworten gibt es hier.

Was bewegt die Bottroper? Welche lokalen Themen brennen den Menschen, die hier leben, wohnen und arbeiten unter den Nägeln? Die Mitglieder vom Leserbeirat der WAZ in Bottrop haben sich Gedanken gemacht - und ihre konkreten Fragen an Oberbürgermeister Bernd Tischler gestellt. Die Förderung von jungen Menschen in der Stadt, das studentische Wohnen oder die Umgestaltung vom Trapez - die Leserbeiräte wollten es ganz genau wissen. Auch die Zeit nach dem Bergbau ist natürlich ein Thema. Und Oberbürgermeister Tischer hat auf alle Fragen auch eine Antwort. Die Fragen und Stellungnahmen gib es jetzt hier zu lesen.

Förderangebote für Jugendliche 

Martin Kohlhaw möchte wissen: Wird die Jugend in der Stadt Bottrop hinreichend unterstützt und gefördert? Gibt es Förder- und Unterstützungskonzepte, die sich gegenüber den Nachbarstädten hervorheben?

Bernd Tischler: Vor fünf Jahren wurde das Regionale Bildungsnetzwerk in der Stadt Bottrop gegründet: Die Vernetzung der Schulen miteinander einerseits und die Einbindung außerschulischer Partner sowie die Kooperation von Schulaufsicht und Schulträger andererseits soll die Schul- und Bildungsentwicklung voranbringen und aufzeigen, welche Wege beschritten werden können und müssen, um die Bildungsregion zukunftsfähig zu gestalten.

Ein besonderer Schwerpunkt und Themenfeld war und ist immer noch von Beginn an die „Durchgängige Sprachbildung an den Übergängen“. Nach fünf Jahren sind in diesem Handlungsfeld viele Maßnahmen erfolgt und umgesetzt worden. In Stichworten sind hier nur einige benannt: Die Einrichtung einer Steuergruppe zur sprachlichen Bildung, die Entwicklung von „Leitlinien zur durchgängigen Sprachbildung für Familien, Kindertagesstätten, Grundschulen und Ganztagsangebote, die Lehrerfortbildung zum „Sprachsensiblen Mathematikunterricht“., der Workshop zum „Sprachsensiblen Unterricht in der Grundschule“ und die Teilnahme von elf Bottroper Schulen an dem Bund-Länderprogramm BISS (Bildung durch Sprache und Schrift.)</antwort><antwort>Diese Projekte und Maßnahmen heben sich deutlich von anderen Städten und Kreisen ab.

Kein Wohnheim für Studenten 

Michaela Lobert-Muschiol möchte wissen: Gibt es Planungen, in Bottrop ein Studentenwohnheim mit bezahlbaren Appartements / WGs zu errichten? Hier bieten sich öffentliche, zurzeit nicht genutzte Gebäude zum Umbau an, zum Beispiel die Albrecht-Dürer-Grundschule?

Bernd Tischler: Konkrete Planungen für ein Wohnheim für Studentinnen und Studenten gibt es derzeit in Bottrop nicht. Einige Investoren haben bereits Ideen in diese Richtung entwickelt. Bisher wird aber auch seitens der Hochschule kein Bedarf für eine derartige Einrichtung gesehen.

Verhältnismäßig viele Studierende kommen aus der Umgebung und wohnen während des Studiums bei den Eltern. Auswärtige Studierende konnten – soweit mir bekannt ist – auf dem vorhandenen Wohnungsmarkt eine bezahlbare Wohnung finden. Die Stadt würde einen möglichen Investor aber natürlich gerne unterstützen.

Die Stadt Monheim als Vorbild 

Rene Heyse möchte wissen: Lässt sich das Modell der Stadt Monheim mit ihrer drastischen Senkung der Gewerbesteuer und dem daraus folgenden Gewerbezuwachs und Schuldenabbau auch in Bottrop umsetzen, gerade im Bezug auf die Zechenschließung im Jahr 2018?

Bernd Tischler: Nein, weder in Bottrop noch – so hoffe ich – in einer anderen Ruhrgebietsstadt. Denn eines muss klar gesehen werden: Monheim konnte diese Verbesserungen nur erreichen, weil sie die erste und einzige Kommune im weiten Umfeld war, die sich dieser „egoistischen“ Instrumente bediente. Sobald nämlich auch andere Städte diesem Beispiel folgen, ist der Vorteil und Vorsprung gegenüber den anderen Städten sofort vorbei – oder aber es beginnt ein ruinöser Wettbewerb, an dessen Ende die einzelnen Städte finanziell und strukturell noch schlechter dastehen werden als zuvor.

Den Wettbewerbsvorteil auf Kosten Dritter zu nutzen, ist jedoch nicht Sache des schon aufgrund seiner Geschichte solidarisch ausgerichteten Ruhrgebietes. Gewerbesteuersenkung ist für die Stadt Bottrop keine Option, weil wir das als Stärkungspaktkommune nicht könnten und im guten Benehmen mit den Nachbarstädten auch nicht wollen.

Es wird doch gerade von den Ruhrgebietskommunen immer wieder – und berechtigt – eine größere Zusammenarbeit über Stadtgrenzen hinaus gefordert. Da ist nicht Monheim für uns Vorbild, sondern wir gehen (siehe Ikea) mit gutem Beispiel in einer abgestimmten Wirtschaftsförderung selbst voran.

Das Tetraeder und das Windrad 

Noch eine Frage von Martin Kohlhaw: Ist eigentlich geklärt worden, wie der Künstler zu dem Windrad steht und ob durch seinen eventuellen Einspruch die Windkraftanlage verhindert würde? Die Beeinträchtigung des Tetraeders durch das Windrad ist sicher größer einzuschätzen als die durch die „Aliens“.

Bernd Tischler: Im Rahmen des Moderationsverfahrens zum projektierten Windrad am Alpincenter wurden Vorgespräche mit dem Regionalverband Ruhr als Eigentümer der Halde Beckstraße und des Tetraeders geführt. Dort wurde auch das Thema Urheberrecht und Umgebungsschutz angesprochen. Eine abschließende Einschätzung gibt es dazu bisher aber nicht. Auf der „Anwohnerkonferenz“ am 17. März im Foyer des Saalbaus hat die Frage durch Erwähnung seitens der Energieagentur NRW Erwähnung gefunden. Die Fragestellung wird im weiteren Verfahren auf jeden Fall berücksichtigt werden.

Die Zeit nach dem Bergbau 

Cornelia Dijkhuisen möchte wissen: Kohle hat – wie im ganzen Ruhrgebiet – unser Leben geprägt. Wie geht’s nach Schließung der letzten Zeche mit dem Ruhrgebiet weiter? Welche Alternativen gibt es?

Bernd Tischler: Ich glaube, dass im Ruhrgebiet sehr viele Potenziale stecken, die in den kommenden Jahre konsequent umgesetzt werden müssen. Doch ist es nicht meine Aufgabe, für das Ruhrgebiet zu sprechen. Ich mache mir Gedanken mit den politischen und wirtschaftlichen Kräften in Bottrop, wie der Strukturwandel hier vor Ort weitergeführt und mit Blick auf die Schließung von Prosper-Haniel beschleunigt werden kann.

Ich blicke nicht mehr zurück, sondern ausschließlich nach vorne: Bottrop war eine Stadt der Energie und soll es auch in Zukunft sein. Allerdings nicht mehr mit dem Rohstoff Kohle, sondern beispielsweise mit dem Wissen und dem Umgang mit regenerativen Energien und einer klimaschonenden Stadtentwicklung sowie Ressourcenschonung. Da sind wir als Innovation City Ruhr / Modellstadt Bottrop gut unterwegs und werden in den kommenden Jahren hier weiter an Profil gewinnen. Auch erste Ansiedlungserfolge von Unternehmen stehen auf der wirtschaftlichen Haben-Seite des Innovation-City-Projektes.

Zudem gibt es das Projekt „Zukunftsstandort Bottrop“, wo seit einigen Jahren die Bereiche Bildung und Freizeitwirtschaft besonders bearbeitet wurden. Auch hier sind mit dem Bau der Hochschule Ruhr West und der Ansiedlung eines Großanbieters wie dem „Grusellabyrinth“ weitere Schritte erfolgreich gegangen worden. Und bei der schnellen und produktiven Verwertung der bisher vom Bergbau genutzten Flächen werden wir am Ball bleiben.

Die Innenstadt attraktiver gestalten 

Martin Antonin möchte wissen: Zur Neuausrichtung der Stadt gehört auch eine attraktive Innenstadt mit einem breitgefächerten Kaufangebot, damit nicht nur in den Nachbarstädten und online „geshoppt“ wird. Wie sehen hierzu die Pläne aus?

Bernd Tischler: Zur Wahrung einer attraktiven Innenstadt ist im Jahr 2012 der Arbeitskreises „Aktive Innenstadt“ mit Akteuren aus der freien Wirtschaft, von Banken, Verbänden und Vereinen sowie der Stadtverwaltung gegründet worden. Gemeinsames Ziel ist hier zuvorderst eine Attraktivitätssteigerung der Innenstadt mit einer Erhöhung der Aufenthaltsqualität.

Projekte sind beispielsweise die Tannenbaumaktion, die vor Weihnachten des vergangenen Jahres erstmals in dieser Größenordnung stattgefunden hat, und Aktivitäten wie die Eingangstore zur Innenstadt oder die Broschüre „Erlebnislinie“, die sich derzeit in Umsetzung befinden. Interessengemeinschaften wie in der Gladbecker und der Kirchhellener Straße werden aktiv durch die Organisation von Straßenfesten und anderen Veranstaltungen. Bei langjährigen Formaten (wie Stadtfest und Weihnachtsmarkt) ist die Qualität gesteigert worden - ein Prozess, der in diesem Jahr fortgesetzt werden soll. Es wird über neue Veranstaltungsformate (Feierabendmarkt, Supersamstag) nachgedacht. In der Gladbecker Straße ist eine Gastro-Meile im Aufbau.

Viel Unterstützung für Flüchtlinge 

Petra Hölting möchte wissen: Wie ist sichergestellt, dass die Flüchtlinge, die unsere Stadt erreichen, menschenwürdig untergebracht sind? Was kann der einzelne Bürger konkret tun?

Bernd Tischler: In der Frage schwingt so ein wenig der Unterton mit, als könnten oder würden wir in Bottrop Flüchtlinge nicht menschenwürdig unterbringen. Das ist natürlich in keinster Weise der Fall. Ganz im Gegenteil. Mit großer Unterstützung der Stadtgesellschaft – und darauf bin ich besonders stolz – hat die Stadtverwaltung den bisherigen Ansturm (im Sinne von einer großen Zahl) an Flüchtlingen gut bewältigt, indem Flüchtlinge eben nicht in Turnhallen, Baracken oder Ähnlichem untergebracht worden sind.

Ziel des Sozialamtes ist es weiterhin, möglichst viele Flüchtlinge (und hier insbesondere Familien) in Wohnungen und Häuser verteilt über die Stadt unterzubringen. Dies gelingt unter Zuhilfenahme des Umbaus und der Nutzung der Körnerschule zur Zeit noch, weil viele Bottroper dem Aufruf auch der Kirchen zur Überlassung von privatem Wohnraum nachgekommen sind. Hier liegt auch eine Antwort auf die Frage, was Bürger tun können.

Eine andere Aktionsmöglichkeit wäre die Mitarbeit bei ehrenamtlichen Gruppen, die in verschiedenster Weise in der Flüchtlingsbetreuung aktiv sind. Ansprechpartner wären hier die lokalen kirchlichen Gruppen oder die Ehreamtsagentur. Oder die Hilfe mittels Spenden, die die ehrenamtliche Arbeit unterstützen können.

Wie würde die Stadt auf eine "Botgida"-Demo reagieren? 

Harald Uschmann möchte wissen: Wie würde die Stadt Bottrop reagieren, wenn eine Demo der „Botgida“ angemeldet würde? Ist die Verwaltung vorbereitet?

Bernd Tischler: Diesen Fall halte ich für relativ unwahrscheinlich. Doch was die formale Abwicklung einer solchen Demonstrationsanmeldung anginge, muss die Stadtverwaltung nicht vorbereitet sein, weil die Polizei für diese Dinge zuständig ist. Was die politische und gesellschaftliche Dimension einer solchen Entwicklung anginge, wäre die Stadtverwaltung natürlich mit im Boot. Doch auch da gibt es eine sehr gute Zusammenarbeit, beispielsweise im „Bündnis gegen rechts“, in der Bottroper Stadtgesellschaft. In der kleinen Großstadt Bottrop kennt man sich, und ein konzertiertes Umgehen mit und gegen eine solche Demonstration ließe sich schnell bewerkstelligen.

Was schätzen Sie an Bottrop? 

Daniel Borowiak möchte wissen: Was sind die Punkte, die Sie persönlich am meisten mit Bottrop verbinden oder die Sie an dieser Stadt schätzen?

Bernd Tischler: Für mich sind drei Punkte wesentlich: Erstens ist Bottrop überschaubar, hat viel Grün sowie eine hohe Lebensqualität zu bieten und wird immer attraktiver. Zweitens sind die Menschen hier gerade heraus und selbstbewusst. Drittens gibt es in Bottrop ein gutes Miteinander – beispielsweise auch bei der Lösung der Flüchtlingsfrage. Da taugen wir durchaus als Vorbild für Andere.

Das neue Trapez 

Yvonne Beate Küffner möchte wissen: Inwieweit wird bei der Planung zur Neugestaltung des Trapez-Innenhofes auch auf innovative Techniken zurückgegriffen?

Bernd Tischler: Wenn mit „innovativen Techniken“ neue Erfindungen gemeint sind, dann werden bei der Baumaßnahme keine neuen Techniken eingebaut bzw. installiert. Wichtig sind bei der Umsetzung die umwelttechnischen: Erstens: Es soll eine Klimaverbesserung des Innenhofes erzielt werden. Dazu werden viele Bäume gesetzt und große Grünflächen angelegt. Sie sollen die Lufttemperatur in dem Bereich im Sommer senken.

Zweitens: Der Regen soll in Zisternen gesammelt und bei Bedarf den Bäumen zugeführt werden. Das spart Trinkwasser und Personalkosten. Drittens: Die neuen Pflasterflächen (Gehwege) sollen mit einer zusätzlichen Beschichtung versehen werden, die Schadstoffe aus der Luft aufnehmen können.