Bottrop. . Rettungswagen und Notarzt erreichen Hilfsbedürftige unter der 112. In weniger schweren Fällen hilft der ärztliche Notdienst unter 116117. Eine schwierige Wahl.

Kurt Guske geht es gut. Er liegt im Krankenhaus, wegen eines leichten Schlaganfalls. Aber es hat lang gedauert, bis der Rentner endlich im Krankenhaus war. Am Montagabend ruft er zunächst die 112 an. Er sagt, ihm ginge es nicht gut, bittet, dass ein Arzt nach ihm schaut.

Doch der Disponent bei der Feuerwehr hat am Telefon nicht den Eindruck, dass es sich bei Guske um einen echten Notfall handelt. „Er hat gefragt, ob ich in Lebensgefahr sei“, sagt Guske. Aber: „Wie soll ich das beurteilen?“ Feuerwehrsprecher Christoph Lang hat sich die Aufzeichnung des Notrufs angehört. Der Disponent in der Leitstelle habe unter anderem nachgefragt, ob Guske gut Luft bekomme oder nicht vielleicht doch dringender Hilfe benötige. Doch er habe auf die Frage nicht klar geantwortet. Das komme immer wieder vor, sagt Lang.

Der Sohn ist schneller als der Arzt

Weil Guskes Fall als nicht so dringend erscheint, soll er die Rufnummer 116117 wählen, den ärztlichen Notdienst der kassenärztlichen Vereinigung. Das tut er, und ihm wird zugesichert, dass ein Arzt nach ihm schaut. „Zeitgleich habe ich meinen Sohn angerufen und ihm gesagt, dass es mir nicht gut geht. Er war unterwegs im Auto in Höhe Montabaur.“ Am Ende sei der Sohn eher bei ihm in Grafenwald gewesen als ein Arzt.

Kurt Guske geht es gut. Er will nicht nachkarten, macht der Feuerwehr keinen Vorwurf. Im Gegenteil: „Als ich vor kurzem für meine Frau einen Rettungswagen gerufen habe, haben die hervorragend reagiert.“ Nur warum der Notdienst so lange braucht, will er wissen.

Christopher Schmidt, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen Lippe, die den Notdienst organisiert, bedauert den Vorfall. Gleichzeitig sagt er aber, dass das „kein Fall von Systemversagen“ sei. Im Rettungsdienst gehe es nun mal darum, am Telefon innerhalb kurzer Zeit echte Notfälle von anderen Anrufen zu unterscheiden. Auch Guske habe keinen Fehler gemacht. Patienten sollten in einem Notfall offen und ehrlich auf Fragen antworten und nichts beschönigen, so Schmidts Rat.

Doch wie lang müssen Patienten nun auf den ärztlichen Notdienst warten? Eine pauschale Antwort darauf gibt es nicht. Anders als im Rettungsdienst gibt es hier keine Vorgaben, innerhalb welcher Zeit Hilfe beim Patienten sein muss. Im Regelfall sind zwei Ärzte für diesen Notdienst unterwegs und sie sind zuständig für drei Städte. Neben Bottrop deckt der Notdienst auch die Städte Gladbeck und Gelsenkirchen ab. „Und dabei ist es im Prinzip wie bei einem Besuch in der Hausarztpraxis. Es kann schnell gehen, es können aber auch Wartezeiten auflaufen“, sagt Schmidt. Es gebe Schichten, da hätten die Ärzte keinen Moment Ruhe und kämen am Ende zusammen auf dreistellige Patientenzahlen. Und letztlich, so Schmidt, sei der Notdienst gedacht für leichte Erkrankungen, bei denen man tagsüber zum Hausarzt ginge – oder, wenn man mobil ist, in die Notfallpraxis am Marienhospital.

Kurt Guske jedenfalls ist froh, dass bei ihm alles glimpflich verlaufen ist. Er geht demnächst in die Reha, und seinen Schlaganfall hat der begeisterte Dichter schon in Versform verarbeitet.

Das rät der ärztliche Leiter des Rettungsdienstes 

Fälle wie der von Kurt Guske kommen in ganz Deutschland immer wieder vor. Dr. Matthias Frommer, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes, bezeichnet es dann auch als „riesengroßes Problem“, zu unterscheiden zwischen echten Notfällen, für die der Rettungsdienst zuständig ist, und solchen Fällen, bei denen es ausreicht, dass der Notdienst der Kassenärztlichen Vereinigung nach dem Patienten schaut. Vor allem für die betroffenen Patienten sei das schwierig.

Als Faustregel rät Frommer: „Alles, bei dem man in der Regel den Hausarzt aufsuchen würde, ist ein Fall für den ärztlichen Notdienst.“ Also Fälle wie Husten. Übelkeit, Erbrechen, Heiserkeit oder Schnupfen, zählt er einige Beispiele auf.

Dr. Matthias Frommer
Dr. Matthias Frommer © Heiko Kempken/WAZ FotoPool

Starke Schmerzen, die plötzlich auftreten, Lähmungserscheinungen, Atemnot oder Bewusstseinsstörungen sind dagegen Beispiele für Symptome, die ein Fall für den Rettungsdienst, die 112, sind. Dem Disponenten dort sollten Patienten die Symptome schildern. Wobei Frommer weiß, dass das Schmerzempfinden eines jeden unterschiedlich ist.

Früher habe die Leitstelle der Feuerwehr auch Einsätze der Kassenärzte koordiniert, so Frommer. Da habe der Disponent den Überblick gehabt – auch über Wartezeiten und habe auch mit Blick darauf über den Rettungswagen-Einsatz entschieden.