Bottrop. . Mancher Kritiker warf ihm vor, zu wenig sozialkritisch zu sein. Die Fans bereiteten dem Star jedoch einen begeisterten Empfang. Der hinterließ sogar einen Gruß an die WAZ-Leser.

„Allen Lesern der Westdeutschen Allgemeinen herzliche Grüße und Auf Wiederseh’n bei meinem Konzert am 15. Januar in Bottrop“ - das schrieb der jetzt verstorbene Entertainer Udo Jürgens auf eine Karte, die noch heute in der WAZ-Redaktion aufbewahrt wird. Und einige Ältere der Bottroper Fan-Gemeinde, die später sicherlich auch zu Udos Konzerten nach Essen pilgerten, werden sich sicherlich an den Live-Abend im eigenartigerweise mit 800 Besuchern nicht ausverkauften Lichthof erinnern.

Für 1970 zu wenig Sozialkritik

Es ist angeblich vor allem die „Bottroper Damenwelt“, die Udo Jürgens in den Bann zieht. Und sicher: Der Schlagerstar, der seit den Sechzigern bereits den Olymp der Szene und der verkauften Platten erklommen hat, trifft nicht nur den Hörgeschmack seiner Fans. Groß, etwas schlaksig, enges Hemd und die Ohren von der dunklen Haarmähne bedeckt, macht er für viele auch optisch etwas her.

Zwar bekritteln auch die WAZ nach dem Konzert in einer 68-er- und Antifa-bewegten Zeit den Star unter der Überschrift „Udos Geschäft mit dem Gefühl“ als „Pseudo-Protestler“, der gerade einmal ein paar Minuten mit seinem Song „Diese Welt müsste groß genug, weit genug und reich genug für alle sein“ das Programm mit einem Hauch Sozialkritik würzt. Allerdings gesteht man dem „galanten Charmeur und Pianisten“ durchaus neidlos zu, dass er seinen Fans wie „aus dem Munde sang“ und „ihre geheimsten Gefühle intonierte“.

15. Januar 1970: Handgeschriebene Grußkarte von Udo Jürgens an alle damaligen WAZ-Leser. Einen Tag später gab er sein Konzert im Lichthof.
15. Januar 1970: Handgeschriebene Grußkarte von Udo Jürgens an alle damaligen WAZ-Leser. Einen Tag später gab er sein Konzert im Lichthof. © FUNKE FotoServices

Auf seiner 101-Städte-Tournee, damals als Europas längstes Mammutkonzert gehypt, war Bottrop immerhin auf der Agentur-Landkarte vertreten: Udo Jürgens ist da - und zieht angeblich vor allem die Damen auf den teuren vorderen Plätzen in seinen Bann und fordert sie kurzerhand zum Mitsingen auf: „Mit den Juwelen klimpern allein genügt nicht“, so wird Udo zitiert. Und die wohlondulierten Damen, aber auch jüngere Fans von den billigeren Plätzen, drängeln sich nach dem Auftritt vor der Bühne und wollen Autogramme ergattern. Einige werfen sogar Blumen und Briefchen auf die Bühne.

Gefühlsgeschäft hin oder her: Bottrop erlebt jedenfalls Udo live in allen Facetten seiner frühen Glanzzeit: „Auch ein Mann weint einmal“, „Anuschka“ und natürlich „Merci, Chérie“, gleich zweimal. Das Bottroper Publikum hatte doch den richtigen Riecher, Danke, Udo!