Bottrop. Dr. Humberg operierte das neunjährige Kind, das das Friedensdorf Oberhausen nach Deutschland brachte, im Marienhospital. Das Bottroper Krankenhaus hält häufig ein Bett frei für die Hilfsorganisation.

Die neunjährige Julia fährt gerade in ihrem Rollstuhl über den Gang des Marienhospitals. Als sie Dr. Herman-Josef Humberg sieht, ruft sie ihm sofort ein fröhliches „Guten Morgen“ zu, lacht und streckt ihm die Ärmchen entgegen – eine herzliche Umarmung, das muss jetzt sein.

Dr. Humberg, Chefarzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, behandelt das Kind aus Angola, das das Friedensdorf Oberhausen zur medizinischen Versorgung nach Deutschland gebracht hat. Julia freut sich über den Besuch am Morgen und überlegt, was sie noch sagen könnte, so ganz viel Deutsch spricht sie nicht. Das Mädchen, das eine leichte geistige Beeinträchtigung hat, hilft sich, indem sie lächelnd auf ihren Verband an dem linken Beinchen zeigt. Da ist sie zuletzt operiert worden.

Julia Alexandre Catraio war schon einmal im Marienhospital, erzählt der Chirurg, 2011 war das. Sie hatte an beiden Füßen Fehlstellungen, Klumpfüße. „Sie ist jetzt wieder gekommen, um das Material zu entfernen“, erläutert er. Eigentlich. „Aber wir haben gesehen, dass der Knochen so gewachsen ist, dass sie nicht einmal laufen konnte -- weil sich in Angola niemand gekümmert hat.“ Der Unterschenkel des Kindes hatte eine Sichelform angenommen. Also operierte Dr. Humberg noch einmal. Nun heilt alles.

Später wird noch das Schuhwerk angefertigt

Später wird sie noch laufen lernen, dann wird das Schuhwerk angefertigt. Solang wird sie im Friedensdorf bleiben. Zurück geht es erst, wenn alles austherapiert ist, sagt der Arzt. Denn dass sie in Angola weiter versorgt wird, sei eher unwahrscheinlich.

Das Friedensdorf holt in jedem Jahr etwa 100 verletzte oder kranke Kinder aus dem afrikanischen Krisenland. „Wir bekommen zweimal im Jahr eine Maschine, mit der wir die Kinder nach Deutschland bringen, auf dem Rückflug bringen wir Kinder, die hier behandelt wurden, zurück“, erklärt eine Mitarbeiterin der Krankenhaus-Abteilung des Friedensdorfes. Zugleich würden auch Hilfsgüter transportiert. „Wir haben jeweils etwa 300 Kinder in Deutschland.“ Und die Mitarbeiter des Friedensdorfes wissen, dass das Marienhospital nach Möglichkeit in jedem Jahr ein Kind aufnimmt und kostenfrei behandelt. Keine Selbstverständlichkeit in Zeiten, in denen die Rentabilität in den Kliniken eine große Rolle spielt.

"Kinder sind für mich etwas ganz Wichtiges"

Dr. Humberg jedoch macht nicht viel Aufhebens um seinen Teil der Hilfe. „Das geht nie ohne Rücksprache mit der Geschäftsführung“, lenkt er von seiner eigenen Person ab. Für den Katholiken Herman-Josef Humberg ist das Helfen, der Einsatz für Schwächere, für die, die sich nicht selbst helfen können, im Wortsinn Teil seines Lebens. Und der Einsatz für Kinder steht an allererster Stelle. „Kinder“, sagt er, „sind für mich etwas ganz Wichtiges.“

Der Chirurg operiert auch in Afrika

Und weil Dr. Herman-Josef Humberg Kinder so wichtig sind, hat er auch mit anderen Kinderkliniken ein Programm zum Schutz vor Missbrauch entwickelt, er bildet Ärzte aus und sensibilisiert sie dafür, gibt ihnen mit auf den Weg, genau hinzuschauen. Zudem ist er Gutachter bei Missbrauchs-Verfahren.

Soviel zu der beruflichen Seite seines außergewöhnlichen Einsatzes für Kinder, den er neben seinen Aufgaben als Chefarzt leistet. Hinzu kommt noch eine ganz private Seite: Der Vater von drei inzwischen erwachsenen Kindern fährt in seiner Freizeit nach Afrika, nach Nigeria und operiert auch da kranke und verletzte Menschen. „Wann immer es möglich ist, operiere ich“, sagt der Mann, für den das Chirurgen-Dasein weitaus mehr ist, als ein Beruf, für den es eine Berufung ist. Von dem Leid, das die Patienten dort ertragen müssen, könne man sich kaum eine Vorstellung machen, deutet er an.

Was treibt ihn an, all die Entbehrungen auf sich zu nehmen, unter einfachsten Bedingungen in Afrika zu operieren, Schwestern und Ärzte auszubilden? Es sei wohl seine christliche Prägung, antwortet er, und er macht das merklich zögerlich. Helfen und deswegen im Mittelpunkt stehen – das widerstrebt ihm sichtlich.

Ein wenig mehr Eigenständigkeit

Da sei die Geschichte von den Talenten in der Bibel, sagt er wie zur Erklärung. Die Talente – darin sieht er die Fähigkeit einer Person, egal, ob es das Brot-Backen für den Bäcker sei oder das Operieren für den Chirurgen. „Wenn man das machen will, was man kann, muss man das machen.“

Und dann erwähnt er noch eine Tugend, die irgendwie in Vergessenheit geraten ist: Demut. „Wenn man nicht weiß, woher man kommt, weiß man auch nicht, wohin man geht.“ Und auch deswegen stellt sich für ihn die Frage gar nicht, warum er das macht. Er macht es einfach.

Bei Julia jedenfalls hat die Begegnung mit Dr. Humberg das Leben verändert. In Angola hat sie mit ihrem körperlichen und geistigen Handicap wohl eher im Abseits kauern müssen. Der Chirurg hat ihr nun die Chance auf ein wenig Eigenständigkeit, die Chance auf ein wenig Menschenwürde geschenkt.