Als Beispiel für einen gelungenen Integrationsprozess wird oft die Eingliederung polnischer Arbeiter ab 1880 angeführt. Aber so problemlos verlief der Prozess nicht, schreibt Josef Bucksteeg in seinem neuen Buch
In aktuellen Diskussionen über die Integration von Einwanderern wird oft als positives Beispiel die Eingliederung Tausender polnischer Arbeiter angeführt, die ab 1880 im Bergbau Arbeit und schließlich eine Heimat im Ruhrgebiet fanden. Doch diese Darstellung greift zu kurz und verschweigt die Probleme, die den Integrationsprozess begleiteten, erklärt Heimatforscher Josef Bucksteeg. Das Verhältnis der oberschlesischen Polen und der deutschen Bevölkerung steht im Mittelpunkt seiner Publikation „Wie eine Pflanze in fremder Erde. Zur Geschichte der oberschlesischen Polen in Bottrop”.
Die als Arbeitskräfte für den Bergbau angeworbenen Oberschlesier waren ihrem Pass zufolge preußische Bürger. Doch sie fühlten sich als Polen, auch dann noch, wenn sie schon seit Jahren in Bottrop lebten, und stellten 1910 rund ein Drittel der Bottroper Bevölkerung, schätzt Bucksteeg. Dieses Zahlenverhältnis trug der Stadt das Etikett „Polenstadt” ein. 1919 errang die Polenliste als Partei bei der Gemeinderatswahl die zweithöchste Zahl der Sitze im Rat.
Zunächst begegneten die Bürger den Oberschlesiern wohlwollend, stellte Bucksteeg fest. Sie wollten Geld verdienen und nach einiger Zeit wieder heimkehren; stattdessen holten sie ihre Familien nach. Die meisten Oberschlesier sprachen kein Wort Deutsch und bildeten Vereine, in denen sie das heimatliche Brauchtum und ihre Frömmigkeit pflegten - vor allem Gottesdienste in polnischer Sprache wurden in den ersten Jahren vermisst. Die Hoffnung der preußischen Obrigkeit, der Glaube werde rasch verbindende Kraft entwickeln und die Integration erleichtern, erfüllte sich nicht wie gewünscht. Bucksteeg ist aufgefallen, dass nach wenigen Jahren in der Lokalzeitung fast täglich Berichte über Gewaltdelikte erscheinen. Auffällig dabei: Wenn polnisch sprechende Arbeiter daran beteiligt sind, werden ihre Nationalität und ihr Herkunftsland ausdrücklich erwähnt.
Nach dem Ende des 1. Weltkriegs wurde der polnische Nationalstaat wieder hergestellt, und viele Oberschlesier kehrten in ihre Heimat zurück, so die Überzeugung der Historiker. Mit Zahlen lässt sich dies in Bottrop nicht dokumentieren, bedauert Bucksteeg. Aber bei den Gemeinderatswahlen 1924 stürzte die polnische Liste auf zwei Sitze im Rat ab - ihr Wählerpotential war wohl stark geschmolzen, folgert er.