Weitmar. Ein „Sinnesgarten“ im Seniorenwohnheim an der Holtbrügge soll an Demenz erkrankten Patienten helfen, ein Stück aus ihrem früheren Leben zurück zu gewinnen
Seinen therapeutischen Sinn bewies der neue Sinnesgarten der DRK-Senioren-Tagespflege „An der Holtbrügge“ bereits in der Baustellenphase.
Der demenzerkrankte Tagespflegegast Walter Berger* saß im Rollstuhl schweigend da, auf dem Gelände zwischen dem DRK-Haus der Generationen und dem ehrenamtlichen Zentrum. Der Senior genoss die frische Luft, lauschte dem Vogelgezwitscher. Und er beobachtete den Bochumer Garten- und Landwirtschaftsbauer Ulrich Menke beim Bepflanzen des geschützten, von Hochbeeten umgebenen Rondells. Berger sah die Erde, die Schaufel, die Pflanzen. Und dann brach bei ihm die Erinnerung durch und schaffte klare Sicht im trüben Nebel der Vergangenheit.
Walter Berger begann mit einem Mal zu erzählen. Von seinem Hof, den er früher einmal besessen und bewirtschaftet hatte. Natürlich! Gartenarbeit! Und überhaupt das Arbeiten an der frischen Luft. Das waren doch vertraute Bestandteile seines Lebens gewesen. Daran erinnerte sich der demenzkranke Berger plötzlich wieder. Und Ulrich Menke, sein überraschter Zuhörer, wusste dies jetzt auch, und war zudem in seinem Vorhaben bestärkt, dass das Anlegen eines Sinnesgartens „eine schöne und wichtige Aufgabe“ sei.
„Mein Herzblut ist in dieses Projekt geflossen“
Menke am Tag der Einweihung: „Mein Herzblut ist in dieses Projekt geflossen.“ Das glaubt man ihm: Den Mittelpunkt des Gartens bildet ein sprudelnder Quellstein, den Menke aus eigener Tasche gesponsert hat.
Architekt Lutz Mauerhöfer, der mit seinem Entwurf den Bauträger DRK überzeugen konnte, erklärte am Tag der Garteneinweihung die einzelnen Gestaltungselemente. Seine Zuhörerschaft: gut ein Dutzend Tagespflegegäste, sowie die Mitarbeiter der 2004 gegründeten Tagespflegeeinrichtung, vom Praktikanten über die Pflegerinnen bis zum theologischen Vorstand des Hauses, Pfarrerin Ursula Borchert. Das DRK Bochum wurde vertreten von Vizepräsident Günter Oestreich und dem Vorsitzenden Carl Gerhard Rohm. Die beiden Männer übergaben den Garten offiziell seiner Bestimmung.
Manchmal hilft nur noch ein Gang in den Garten
Dann hatte der Architekt das Wort. Aber nicht nur er. Auch die Therapiepuppe Jule war nun am Zuge. Jule, eine fidele Handpuppe, die von Mitarbeiterin Kerstin Riedel belebt wurde, interviewte Architekt Mauerhöfer und schlug mit ihrer lustigen Art eine Brücke zur dementen Zuhörerschaft. Zum Quellstein erklärte Mauerhöfer, dass dieser in dem überschaubaren, barrierefreien Garten einen „Mittel- und Orientierungspunkt zugleich“ bilde. Eine schleifenförmige Rollstuhlrampe führt in das Gartenrondell mit dem Quellstein und als einziger Weg auch wieder hinaus. Altersverwirrte Bewohner können sich so nicht verlaufen.
Ist man im Rondell, kann man sich aussuchen: Möchte ich mit dem Rollstuhl einfach nur hier verweilen und lauschen? Oder möchte ich an die Hochbeete, die sich in Drahtgitterboxen befinden, heranfahren, zum Riechen, Tasten, Sehen, Ernten, Schmecken? Mit Hilfe von geschultem Personal sollen die angebotenen Sinneseindrücke den Senioren dabei helfen, das Gehirn zu trainieren. Der Krankheitsverlauf der Demenz kann so positiv beeinflusst werden.
Die so genannte Gartentherapie vermag viel. Typisch für manche Phasen von Demenz (wobei Alzheimer am häufigsten auftritt) ist große Unruhe, gerade im fortgeschrittenen Stadium, wenn keine Erinnerung mehr an die Familienmitglieder da ist. Dann hilft manchmal nur noch ein Gang in den Garten. Denn dieser besitzt für jeden Menschen einen so hohen Wiedererkennungswert, dass Ängste abgebaut werden können und ein wenig Ruhe einkehrt.
*Name geändert