Wiemelhausen. Spannungsbogen bei der Winterreise durch musikalisch-literarische Abende im St. Johannes-Stift

Es war keine leichte Kost, die der Förderverein des St.-Johannes-Stiftes für den musikalisch-literarischen Winterabend ausgesucht und serviert hat, aber sie entfaltete eine wohltuende Wirkung: Alexander Schütz, Soloflötist der Bochumer Symphoniker und in den „Stadtteilkonzerten“ hoch engagiert, eröffnete den Abend mit Interpretationen von Johann Sebastian Bach. Eine wunderbare Eröffnung des Abends, denn Bach nutzte Musik liturgisch, unternahm also den Versuch, Bibelgeschichten aus alter Zeit in eine (für Bachs Zeit) moderne Musik umzuwandeln und so begreifbar zu machen.

Der Wortteil fiel erstmals in die Hände eines Ehepaares. Christine Söding und Dr. Thomas Söding hatten sich „Poesie in der Bibel – Bibel in der Poesie“ als Thema vorgenommen. Thomas Söding, renommierter Professor für Neues Testament in Bochum, widmet sich in seiner Forschung vor allem der Auslegung der biblischen Sprache, damit die Wortbilder, die sich auf eine zeitgenössische Zielgruppe beziehen, für heutige Leser verständlich werden. „Die Bibel ist eine Einladung zum Dialog zwischen einem alten Buch und einer heutigen Zuhörerschaft“, erklärte er und kam auf den „biblischen Sound“ zu sprechen, der im ersten Moment auch abstoßend sein könne. „Dem heiligen Augustinus war die Sprache der Bibel zu bäuerlich, erst durch die Auslegung erschloss sich ihm der reiche Sinn“, berichtete Söding. Also nahm er das zum Anlass, Bibeltexte aus dem altgriechischen Urtext selbst zu übersetzen. Den Vortrag übernahm seine Gattin Christine Söding, die als Anglistin und Romanistin über eine reiche Sprachkompetenz verfügt. In klarer Artikulation und mit großer Ruhe erweckte sie erst einen Teil des dritten Kapitels des Lukasevangeliums zum Leben und anschließend das berühmte neutestamentliche „Hohelied der Liebe“ aus dem ersten Paulusbrief an die Korinther. Dabei wurde deutlich, dass jeder Zuhörer die Texte schon mehrfach gehört hatte, aber doch jede Übersetzung dem Text eine andere Farbe verleiht.

Alexander Schütz übernahm es musikalisch zur Pause einzustimmen. Mit leichten Fingern glitt er über seine Querflöte und fast hatte man den Eindruck, ein Mensch allein könne nicht so vielfältig spielen. Die Pause wiederum hatte es in sich. Kulinarisch mit gestifteten Bratäpfeln mit Vanillesauce aus dem Restaurant „Haus Oekey“ gestärkt tauschten sich die Zuhörer aus. Diese Form der Bibelexegese war ungewohnt, aber hochgradig spannend. Mit entsprechender Vorfreude ging es in den zweiten Teil des Abends, der mit Musik eingeleitet wurde. Und unter anderem Claude Debussy hätte seinen Spaß an der Lebendigkeit des Spiels von Alexander Schütz gehabt.

Zur Frage, wo die Bibel in der Poesie auftauche, bot Prof. Söding zwei bekannte Beispiele mit ungewohnten Blicken an. Heinrich Heine lässt in seinen Gedichten immer wieder biblische Geschichten als Grundthema auftauchen und bekennt sich ausdrücklich dazu, in diesem Buch Gott wieder gefunden zu haben. Ganz anders der Zugang bei Annette von Droste-Hülshoff. Ihre berühmte „Judenbuche“ lässt sich ohne das Weihnachtsevangelium nicht verstehen. Ein ganzer Gedichtzyklus beschäftigt sich mit dem Sonntagsevangelium im Jahreskreis. Die Droste zeigt sich hier als eine Frau, die innerlich zerrissen ist in allen Glaubensfragen und darin nur noch auf die Liebe setzt.

Karin Kuhl, die Vorsitzende des Fördervereins, dankte den Akteuren, die den Abend ohne Gage gestalteten. Dafür gab es dankbaren Applaus, der sich auch auf die gesponserten Weihnachtssterne bezog, die das Blumenhaus Herker bereitgestellt hatte.