Linden. . Bettina Kretschmer hat in der Alten Timmer Schule einen Malort nach dem Vorbild des Pädagogen Arno Sterns geschaffen. Die Bilder werden nicht bewertet.
Die Wände des ganzen Raums sind mit Packpapier bedeckt. Selbst die Fenster und Türen. In der Mitte steht ein Tisch mit Pinseln und 18 Farben. Das ist der Malort von Bettina Kretschmer. „Das Malspiel in diesem Raum wird nicht angeleitet. Die Teilnehmer sollen malen, was sie wollen“, erzählt Kretschmer.
Bei Max Imdahl studiert
Sie hat Kunstgeschichte in Bochum bei Max Imdahl studiert und stellt in der Alten Timmer Schule zweimal jährlich zeitgenössische Kunst aus. Ihr Malort feierte jetzt Eröffnung, zu der viele Bekannte und Freunde kamen. Das Malspiel ist jedes Mal gleich. Es dauert 90 Minuten, etwa acht bis zehn Teilnehmer können mitmachen.
Kinder in Afrika nahmen Malort auch an
Bettina Kretschmer war zwei Wochen in Afrika und hat dort während dieser Zeit auch einen Malort geschaffen.
Anfangs malten die Kinder einer Schule nur Dinge, die ihnen bekannt waren.
Nach ein paar Tagen begannen sie, frei zu malen, ohne dass Bettina Kretschmer ihnen Anweisungen oder Motivvorlagen gegeben hatte.
Dort ist der Prozess des freien Malens geglückt.
Jeder zieht sich einen Kittel an und heftet ein Blatt an die Wand. Es werden Fenster und Türen geschlossen, damit keine äußeren Einflüsse eindringen. Dann beginn die Teilnehmer zu malen, können aus einem bunten Fundus schöpfen. Jeder konzentriert sich nur auf sich selbst. Das Ziel ist nicht, ein künstlerisches Werk zu schaffen. „Die ungetrübte Freude an sich selbst ist das Ziel. Es ist ganz persönlich und hat keinen gesellschaftlichen Anspruch“, erklärt Bettina Kretschmer.
Prozess statt Ergebnis
Kein Bild wird bewertet oder verglichen. Nachdem die Arbeiten fertig sind, werden sie im Malort archiviert, damit auch außerhalb niemand die Bilder bewerten kann. Der Schwerpunkt liegt auf dem Prozess und nicht auf dem Ergebnis. Dieses Konzept hat der deutsche Pädagoge und Forscher Arno Stern entwickelt, bei dem Bettina Kretschmer eine Ausbildung machte. Stern arbeitete in einem Waisenhaus und ließ die Kinder frei malen. Seine Methoden wenden heute auch Kindergärten gerne an.
Dabei merkte er, dass es die Kinder glücklich machte und es bei jedem Menschen eine natürliche Malentwicklung gibt. Er unterrichtet am „Institut de Recherche en Sémiologie de l’Expression“ in Paris, wo auch Bettina Kretschmer lernte. Diese natürliche Malentwicklung wird durch den Malort gefördert. „Es ist wichtig, Räume ohne Stress und Druck zu schaffen“, betont Kretschmer.
150 Malorte weltweit
Es gibt etwa 150 Malorte auf der Welt. Bettina Kretschmer hat ein dreiviertel Jahr gebraucht, um sich ihren eignen zu schaffen. Sie hatte immer schon die Vision von ihrem Malort. „Bevor ich wusste, wo und wann ich damit anfange, hatte ich schon alle Materialien gekauft“, sagt die Künstlerin und lacht.
Die Eröffnung wird musikalisch von Christopher Vögler an der Gitarre begleitet. Wenn man den Malort verlässt, trifft man auf ein Zitat von Blaise Pascal, was an die Wand vor dem Ausgang gemalt wurde. „Das Herz hat seine Gründe, die die Vernunft nicht kennt.“