Linden. Männergesangverein gibt nach knapp 120-jähriger Geschichte auf. Und räumt selbstkritisch ein, zu wenig für Nachwuchsförderung getan zu haben.
. Sie haben alles versucht, doch am Ende siegte die Vernunft über das letzte Fünkchen Hoffnung: Der Sängerbund Ostholz hat sich aufgelöst. Das Weihnachtskonzert der Bezirksvertretung Südwest war der letzte Auftritt in der knapp 120-jährigen Geschichte des Lindener Männergesangvereins. Bei einer Mitgliederversammlung am Mittwoch (18.) wollen sie ihn endgültig zu Grabe tragen. „Es hat einfach keinen Sinn mehr“, sagt Dirigent Hans-Werner Boresch. „Wir wollen lieber in Ehren abtreten und danke sagen, statt dass uns am Ende keiner mehr hören will.“
Im Haus Sievering an der Welperstraße, viele Jahre das Stammlokal des Vereins, schauen einige treue Sänger betrübt in ihre Gläser. Unter ihnen der Ehrenvorsitzende Dieter Siegmund, der dem Chor 1974 beitrat und oft als erster Tenor glänzte. „Der Abschied fällt uns allen schwer“, sagt er, „aber die Zahl unserer Mitglieder wurde zuletzt bedenklich klein.“ Von den 50 bis 60 Männern, die sich zur Blütezeit in dem Chor engagierten, waren am Ende noch 17 übrig.
17 Sänger blieben übrig
Ein Todesfall im letzten Sommer brachte die Sänger endgültig ins Grübeln. „17 Sänger, das ist einfach zu wenig, um die Stimmen vernünftig zu besetzen“, sagt Boresch. Das Durchschnittsalter liegt bei weit über 60, Nachwuchs: Fehlanzeige.
Dabei: Der Sängerbund Ostholz hat nichts unversucht gelassen, um Jüngere zu gewinnen. „Wir haben total viel Werbung gemacht und bei jedem Konzert einen Aufruf gestartet“, sagt der letzte Vorsitzende Horst Gesche. Auch bei Auftritten auf dem Lindener Marktplatz haben sie ordentlich für sich getrommelt. Doch es fand sich keiner, der mitsingen wollte. „Aus einigen zögerlichen Zusagen ist leider nichts geworden“, bedauert Boresch.
Kein angestaubtes Liederprogramm
Ein angestaubtes Programm kann man den Sängern jedenfalls nicht vorwerfen. Statt nur auf Gassenhauer der Sorte „Am Brunnen vor dem Tore“ zu setzen, den man vor 20 Jahren praktisch in jedem Gasthaus durch die hölzerne Schiebewand schmettern hörte, hat der Sängerbund schon lange ein modernes Programm. Dazu gehören Songs von Johnny Cash ebenso wie Musical-Hits oder die Melodie aus dem „Paten“. „Das klassische Repertoire haben wir zunehmend ausgedünnt“, sagt Boresch. „Wir sind gute Solisten voll auf der Höhe der Zeit.“
Den Niedergang hat es trotzdem nicht verhindert, doch damit ist der Sängerbund Ostholz nicht allein. Überall im Land siechen die einst klangvollen, traditionsreichen Chöre. Einige, mit denen die Lindener Sänger gemeinsam auftraten, haben schon früher aufgegeben. Doch woran liegt das? Schließlich treten junge Chöre, die heute „Heart Choir“ oder „Grenzenlos“ heißen, sogar im Fernsehen auf. Der MGV Ostholz ist da selbstkritisch: „Wir haben einfach eine Generation verschlafen“, meint Dietmar Hausherr, zweiter Bass. Viel früher habe man sich um die Nachwuchsförderung kümmern müssen. Doch damals habe sich darüber niemand Gedanken gemacht, weil immer genügend Sänger dagewesen seien. „Jetzt steht nur noch die Opa-Generation auf der Bühne, da macht kein Jüngerer freiwillig mit.“
Auch wenn der Chor Geschichte ist, Freunde wollen sie alle bleiben. „Wir werden uns weiter treffen“, sagt Dieter Siegmund. Dass er am letzten Montag zum ersten Mal seit Ewigkeiten keine Chorprobe hatte, sei aber schon ein komisches Gefühl gewesen. „Ich wollte erst hinfahren und schauen, ob das auch wirklich stimmt“, sagt er. „Das habe ich dann aber doch nicht gemacht.“
Aus den Reihen der Bergleute gegründet
Der Sängerbund Ostholz wurde im Jahr 1898 aus den Reihen der Bergleute gegründet. Einst waren es zwei Chöre: der MGV „Erfreulichkeit“ und der MGV „Germania“, die sich schließlich zusammen schlossen. Während des 2. Weltkriegs wurde der Sängerkreis eingestellt, 1946 mit Genehmigung der britischen Militärregierung neu gegründet.
Die letzte Mitgliederversammlung findet am Mittwoch (18.) um 18 Uhr im Haus Sievering, Welperstraße 26, statt.