Steinkuhl. . Steinkuhler begrüßen Neuankömmlinge mit einer Party. Dort knüpfen sie erste Kontakte, lernen ihre neuen Nachbarn kennen – und deren Schicksale.

Samuel Beshaw (23) aus Äthiopien ist seit Oktober in Deutschland. Zum Begegnungsfest der neuen Flüchtlingsunterkunft an der Girondelle 6 ist er mit drei Freunden aus Syrien und dem Irak gekommen. Welche Sprache sie untereinander sprechen? „Deutsch“, sagt Beshaw und lacht. „Als kleines Kind habe ich deutsche Fußballballspiele im Fernsehen geguckt, Michael Ballack war mein Lieblingsspieler.“ In Äthiopien hat er Deutsch gelernt, europäische Sprachen, Kultur, internationale Beziehungen studiert, bekam ein Stipendium und möchte Diplomat werden. „Ich bin kein Flüchtling, nein.“ Er gehört zu den Besuchern des Festes. „Ich habe heute schon viele Menschen aus vielen verschiedenen Ländern getroffen, das ist schön.“

Die geflüchteten Menschen, die seit Februar in der neuen Flüchtlingsunterkunft an der Girondelle wohnen, können aufatmen. „Für die meisten ist das die erste eigene Wohnung seit Wochen oder Monaten“, erklärt Elisabeth Sauerland von der Caritas. Viele waren zuvor in der Turnhalle Auf dem alten Kamp untergebracht. „Hier können sie selbst kochen und die Wohnungstür hinter sich auch mal schließen. Das ist ein Gewinn.“

Haus lebt wieder auf

Willkommenskultur in Steinkuhl: Flagge zeigen mit einem bunten Plakat.
Willkommenskultur in Steinkuhl: Flagge zeigen mit einem bunten Plakat. © Ingo Otto / FUNKE Foto Services

„In Bochum stehen viele Gebäude leer“, weiß Jörg Borchert von der Diakonie. So wie das Gebäude an der Girondelle, das als Studierendenwohnheim angelegt wurde. „Die Stadt hat in dieses Haus doch viel Arbeit gesteckt“, sagt Borchert und freut sich deshalb über das „Wiederaufleben“ des Hauses.

Im oberen Stockwerk teilt sich Momen Aldanaf (16) mit fünf anderen Personen eine Drei-Zimmer-Wohnung. Vor sechs Monaten kam er mit seinem Bruder aus Syrien, teils zu Fuß, teils mit dem Auto. „Unsere Eltern sind noch in Syrien.“ 16 Tage waren sie unterwegs. „Ich möchte an die Universität“, sagt er auf Deutsch. Bauingenieur will er werden.

Als Ingenieur arbeitete auch Werner Hanenkamp (73) viele Jahre. Er wohnt wenige Meter von der neuen Unterkunft entfernt und gehört zu einem Team von rund 50 ehrenamtlichen Helfern. „Als die Geflüchteten in unseren Stadtteil kamen, haben wir uns vorgestellt, wie es uns gehen würde, wenn wir in ein anderes Land geflüchtet wären“, erzählt er. Deshalb will er helfen und freut sich, dass das Engagement in der Nachbarschaft groß ist.

122 Menschen sind an der Girondelle 6 untergebracht

An der Girondelle 6 sind seit dem 22. Februar 122 Menschen untergebracht: allein reisende Frauen, Familien und allein reisende Männer aus Syrien, Bangladesch, Somalia, Nigeria, Irak und anderen Ländern.

Die Unterkunft wird in einem ökumenischen Zusammenschluss von der Caritas und der Diakonie gemeinsam betreut.

Mit dem Fest sollte „eine Schüchternheit auf beiden Seiten abgebaut werden“, sagt Sauerland. „Das war die Idee unserer Ehrenamtlichen“, betont Borchert. Ob viele Nachbarn gekommen sind? „Reichlich“, freuen sich beide.

„Ich fühle mich hier in Sicherheit“, sagt Samira (47). „Das hatte ich in meiner Heimat nicht.“ Mit kleinen Gummibooten, in denen 25 Menschen saßen, und zu Fuß, mit Autos war sie unterwegs. In Gedanken ist sie weiter oft in ihrer Heimat. „Ich mache mir große Sorgen um die Menschen dort.“ Samira hat acht Kinder. Ihre 17-jährige Tochter verlor sie während der Flucht. „Wir konnten sie nicht mehr finden.“ Erst als die Familie schon einige Wochen in Deutschland war, wurde das Mädchen gefunden. „Sie hat es nicht über die Grenze geschafft, sie ist immer noch in Syrien.“