Bochum. Parken ist ein heikles Thema in Bochum. In der südlichen Innenstadt ist der Parkdruck so groß wie nirgendwo sonst. Die Anwohner sind genervt.
Langsam gleitet der silberfarbene Golf auf der Saladin-Schmitt-Straße vorbei – jetzt schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten. Der Fahrer schaut nach links und nach rechts, schüttelt den Kopf. Klarer Fall von Parkplatzsuche. Auch an diesem Donnerstag ist das kein vergnügungssteuerpflichtiges Unterfangen.
Das Ehrenfeld, ja: die gesamte südliche Innenstadt, versprüht zwar den Charme lebenswerter Urbanität. Aber ein Ärgernis ist nicht wegzudiskutieren: Es fehlt an Parkraum. Nirgendwo sonst wird die Parkplatzsituation schlechter eingeschätzt als hier. Mit einer 4,64 haben die Teilnehmer des WAZ-Stadtteil-Checks die südliche Innenstadt in diesem Punkt bewertet. Mangelhaft.
„Es ist ein ewiger Kampf“
„Es ist eine Katastrophe. Ein ewiger Kampf“, bestätigt die Frau, die „Am Gerstkamp“ ihre Einkäufe aus dem Auto holt und ins Haus trägt. Hier, auf der schmalen Einbahnstraße im Schatten des Exzenterhauses, ist der Parkdruck vermutlich so hoch wie nirgends sonst. Die Autos stehen dicht an dicht auf der einen Straßenseite, Zufahrten sind ebenso zugeparkt wie viele nachträglich im Vorgarten eingerichtete Stellplätze. Die Anwohnerin könnte über eine steile Rampe ihre Garage unter dem Haus benutzen.
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„Aber ich komme hier gar nicht rein oder raus“, sagt sie und zeigt auf die eng an der Einfahrt stehenden Fahrzeuge. „Wir parken uns hier gegenseitig zu. Das Parken ist hier in der Gegend zwar schon lange ein Problem. Aber ich habe den Eindruck, seit dem vergangenen Jahr ist es noch einmal schlimmer geworden.“
Fremdparker stellen Straße zu
Anwohner finden keinen Platz, weil Fremdparker von Bogestra, Arbeitsagentur oder anderen Arbeitgebern tagsüber die Nebenstraßen der Umgebung belegen. „Manchmal lassen Fremdparker ihr Auto wochenlang stehen“, sagt eine andere Anwohnerin. „Aus meiner Sicht gibt es nur eine Lösung, wenn Parkraum für die Fremdparker geschaffen wird.“ Erst abends entspanne sich die Situation etwas. Antonia Schultz (45) kennt das zu genüge. Seit 42 Jahren lebt sie am Gerstkamp, ist heilfroh über den Stellplatz in der Einfahrt und darüber, dass die Familie mit einem Auto auskommt. So kann der Vorgarten Vorgarten bleiben. „Den verteidigen wir“, sagt sie.
Helfen könnte es, Zonen für Anwohner mit Parkausweis einzurichten, wie auf der anderen Seite der Universitätsstraße im Ehrenfeld in vielen Straßen. „Aber das wollen wir lieber nicht“, sagen zwei der drei Anwohnerinnen. Die Stadt sieht aber genau darin eine mögliche Lösung für das Problem („Noch mehr Parkausweise für Anwohner“).
Warteliste für Stellplätze ist lang
Jürgen Finken, Geschäftsführer der Bochumer Wohnstätten, kennt das Problem. An der Ewaldstraße besitzt die Genossenschaft einen größeren Wohnkomplex, auf dessen Rückseite Garagen und Stellplätze eingerichtet sind. Und doch sind es nicht genug. „Die Nachfrage nach Stellplätzen dort ist groß, wir haben eine lange Warteliste.“ Groß ist auch der Ärger mit Autofahrern, die ihre Pkw dort abstellen, wo sie nichts zu suchen haben. Finken: „An der Franz-Vogt-Straße haben wir ständig Beschwerden über Fremdparker auf den für unsere Mieter vorgesehenen Flächen.“ Erst gibt es eine schriftliche Ermahnung. Beim nächsten Mal wird abgeschleppt. Das Problem bleibt.
Auch in anderen Stadtteilen sei die Parkplatznot groß. In Hamme etwa, wo die Wohnstätten gerade erst einen Neubau mit 55 Wohnung fertiggestellt haben. Dazu gehören Tiefgaragen- und Stellplätze in ausreichender Zahl, wie es die Landesbauverordnung vorsieht. Allerdings: Da die Zahl der Autos immer weiter wächst und es in Familien nicht selten zwei oder gar drei Fahrzeuge gibt, kann es offenbar gar nicht genug Parkplätze geben.
Car-Sharing könnte eine Lösung sein
Das wissen sie auch beim Gemeinnützigen Wohnungsverein (GWV), der größten Wohnungsgenossenschaft in der Stadt. Eine Umfrage unter ihren Mitgliedern hat ergeben, dass der Unmut über fehlenden Parkraum nirgends so groß ist wie in der südlichen Innenstadt. „70 Prozent unserer Mitglieder in diesem Quartier sind unzufrieden mit der Parkplatzsituation“, weiß GWV-Vorstand Christian Knibbe. Deshalb geht die Genossenschaft neue Wege und hat vier Parkplätze eingerichtet, auf denen Car-Sharing-Fahrzeuge des Anbieters Stadtmobil stehen.
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Auf diese Wiese hofft sie den Parkdruck zu lindern. „Das könnte eine Möglichkeit sein“, sagt Jürgen Finken von der Bochumer Wohnstätten. Auch sein Haus habe sich schon Gedanken über ein Car-Sharing-Angebote gemacht, um dem Parkplatzproblem zu begegnen.
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Dem Parkplatzproblem will die Verwaltung mit dem „Gesamtkonzept Ruhender Verkehr“ begegnen. Die erste Stufe dazu hat sie der Politik zur Entscheidung vorgelegt. Sie sieht u.a. vor, das Bewohnerparken auch östlich der Universitätsstraße im Bereich Wilhelm-Engel-Straße/Brunsteinstraße einzuführen. Geprüft wird, die Öffnungszeiten des Parkhauses P9 auch außerhalb der Spielzeit des Schauspielhauses zu verlängern. Dauerparker und Bewohner des Viertels können sich dazu mit der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft, die die Parkhäuser betreibt, in Verbindung setzen.
Die Maßnahmen basieren u.a. auf den Ergebnissen einer Online-Befragung zum Thema „Innenstadt-Parken“, bei der 171 Beiträge und 141 Kommentare eingegangen sind.
Auf den Weg gebracht werden soll zudem eine Stellplatzsatzung. Diese wird es der Verwaltung ermöglichen, bei Neubauten die Zahl der erforderlichen Parkplätze je nach Anforderung im Stadtgebiet individuell zu regeln. Bislang gilt bei Neubauten die landesweite Faustformel: eine Wohnung, ein Stellplatz.