Hiltrop. . Im Jochen-Klepper-Haus fungieren zwei Meerschweinchen als WM-Orakel.Mathilda und Leopold leeren gemeinsam das Schälchen des deutschen Gegners

Die Möhrchen sind in kleine Würfel geschnippelt, beide Näpfe mit je elf Stückchen gefüllt. Im Jochen-Klepper-Haus scharrten sich Bewohner gestern Vormittag ums Meerschweinchen-Gehege, alle ausstaffiert mit schwarz-rot-goldenen Hawaiiketten und Deutschlandfähnchen in der Hand oder am Rollstuhl befestigt. Die Tiere Leopold und Mathilda sind als WM-Orakel auserkoren: Wessen Futterschälchen würde als erstes geleert, das deutsche oder portugiesische, und damit der Mannschaft den Sieg sichern?

Zimmer mit Fähnchen geschmückt

„Diese Aktion wollen wir vor jedem Deutschland-Spiel machen“, erklärt Dirk Schulze-Steinen, stellvertretender Einrichtungsleiter. Er war es, der die Idee hatte, die seherischen Fähigkeiten der Tiere für die Fußball-WM, zur Unterhaltung der Seniorenheim-Bewohner, zu testen. „Das regt zum Gespräch an, auch, wenn man die Tiere nicht auf den Arm nehmen kann.“

Neben Meerschweinchen wohnen dort zwei Wellensittiche und ein Hund. 155 Menschen zwischen 38 und 98 Jahren leben hier, betreut von insgesamt 110 Mitarbeitern.

Die Näpfe sind identisch befüllt, alles blickt gebannt auf Leopold und Mathilda, deren Hunger für eine günstige Prognose ausreichen sollte, sind beide an diesem Tag doch noch nicht gefüttert worden. Parallel animieren die Mitarbeiterinnen Hanna Olejarczyk, Cindy Kazella und Eva Weizel mit den Heimbewohnern ein animierendes „Ole, ole, ole, ole - wir sind die Champions“ an, was die Tierchen zunächst zurückschrecken lässt.

„Ich setze auf die deutsche Mannschaft“, sagt Siegfried Kant, der sich schon aufs Spiel freut. „Ich habe mein Zimmer oben mit Fähnchen geschmückt.“ Im Andachtsraum wird die WM auf einem großen Bildschirm gezeigt, „dazu gibt’s Bierchen und alles, was zum Fußballgucken dazugehört“, sagt Dirk Schulze-Steinen. Monika Beeck ist ebenfalls ein großer Fan: „Ich habe bis heute alle Spiele der WM gesehen.“

Und dann kommen sie aus ihrem Verschlag; Mathilda macht den Anfang, nähert sich vorsichtig den beiden Näpfchen, und entscheidet sich für die portugiesischen Möhrenstückchen. Leopold, etwas schüchtern, tut es ihr gleich. „Das ist ungewöhnlich. Normalerweise hat jedes Tier sein eigenes Näpfchen“, wundert sich Hanna Olejarczyk. Sie hätte am liebsten eine Wiederholung inszeniert, doch das wäre nicht fair gewesen.

„Umso gespannter sind wir alle, ob Leopold und Mathilda Recht behalten werden“, sagt Dirk Schulze-Steinen mit Blick in die Runde, in der indes keiner eine enttäuschte Miene aufsetzt. So ganz wollen sich die Fußballfans wohl nicht auf ihre tiertischen Mitbewohner verlassen. „Wir haben zum Beispiel eingefleischte VfL-Anhänger, die zu jedem Heimspiel gehen, viele davon im Rollstuhl.“ Schließlich zählt auch noch Geschick am Ball beider Mannschaften.